„Sich nur auf die Software zu verlassen, wäre töricht!“

30.10.2013

Fehlende Schnittstellen, mangelnde Übersichtlichkeit der Programme, Schwierigkeiten bei der E-Mail-Einbindung: Dies waren die häufigsten Kritikpunkte, als finanzwelt vor drei Jahren mehr als 100 Vermittler zu ihrer Zufriedenheit mit Vertriebssoftware befragte.

Zudem stellten wir fest, dass es für Berater und Vermittler äußerst schwierig ist, die für ihre Zwecke am besten geeignete Software zu finden. Der Grund: Ein großer und unübersichtlicher Markt an Produkten verschiedenster Qualität. Hat sich dieser Zustand in der Zwischenzeit verbessert? Wir sprachen mit Martin Kinadeter, Inhaber Versicherungs-Software-Portal (VSP) aus Hamburg, über die Qualität der am Markt erhältlichen Vertriebssoftware und die Fähigkeit der Vermittler, ihren eigenen Software-Bedarf zu analysieren. VSP stellt für Finanzdienstleister Vertriebssoftware zusammen und berät seine Mandanten zu den optimalen Produkten, die für sie in Frage kommen.

*finanzwelt:* Der Markt für Vertriebssoftware galt in der Vergangenheit als sehr unübersichtlich, es gab viele verschiedene Systeme. Gibt es Fortschritte?

Kinadeter: Nein, der Markt ist immer noch sehr unübersichtlich. Es gibt mittlerweile zwar Anbieter, die immer mehr Komponenten via Schnittstellen zu ganzheitlichen Prozessen zu vereinen versuchen. Aber der Großteil ist eine Welt von Single-Systemen.

*finanzwelt:* Wie schätzen Sie die Qualität der Komplettlösungen ein, die derzeit am Markt erhältlich sind?

Kinadeter: Die Qualität ist recht hoch. Wobei der Begriff Komplettlösung definiert werden muss. Jeder Vertrieb, jedes Maklerbüro benötigt andere Systeme und versteht auch etwas anderes unter Komplettlösungen. Ein Softwarehersteller neigt schnell dazu, sein System als Komplettsystem zu bezeichnen, dies entspricht aber häufig nicht der Sicht des Anwenders. Für uns besteht ein Komplettsystem aus Verwaltungskomponente, Analyserechnern und der Möglichkeit, Tarifvergleiche durchzuführen. Jedoch können viele Anbieter keine funktionierenden Schnittstellen bieten, trotz entsprechender Werbeaussagen.

*finanzwelt:* Wie haben sich die Preise für Vertriebssoftware entwickelt? Was muss der Vermittler zahlen?

Kinadeter: Die Preise sind stabil geblieben. Die Nutzung von Beratungssoftware ist leider noch nicht weit verbreitet. Trotz diverser Bemühungen der Anbieter sind die Nutzerzahlen in der Regel gering. Das liegt daran, dass der Aufwand zu Beginn einer Kundenanlage im System Mehrarbeit verursacht. Ein weiterer Punkt ist, dass Berater eine Investition in gute Werkzeuge, mit denen sich auch erheblich mehr Umsatz machen ließe, nicht eingehen. Dabei sind die Gesamtinvestitionen je Arbeitsplatz überschaubar. Man muss für eine gute Analyse zwischen 60 und 150 Euro monatlich aufwenden.

*finanzwelt:* Die Fähigkeit der Vermittler, ihren eigenen Software-Bedarf zu analysieren, galt in der Vergangenheit als zu wenig ausgeprägt. Hat sich dies verbessert?

Kinadeter: Nein, leider nicht. Wir haben uns als Softwaremakler und Berater dieses Themas angenommen und beraten unabhängig und transparent zu allen Themen, die die Beschaffung oder Einführung von Software betreffen.

*finanzwelt:* Befindet sich mittlerweile jede am Markt erhältliche Software auf dem neuesten rechtlichen Stand, besonders mit Blick auf das neue Vermittlerrecht?

Kinadeter: Es gibt bereits Software, die den gesetzlichen Ansprüchen genügt. Bei der Auswahl einer geeigneten Software ist auch das Beratungsverhalten einzubeziehen. Sich nur auf die Software zu verlassen, wäre töricht. Wir bieten in Zusammenarbeit mit einem Fachmann Webinare zu diesem wichtigen Thema an. Jedoch hört das Interesse der Vermittler immer dann auf, wenn es darum geht, sein eigenes Business abzusichern und sich Kunden professionell zu präsentieren.

*finanzwelt:* Haftungsdächer und Maklerpools werben mit verschiedenen Software-Tools um freie Vermittler. Wie können diese prüfen, ob die angebotene Software für ihre Zwecke geeignet ist?

Kinadeter: Zuallererst muss man seinen eigenen Bedarf kennen, um die Software der Pools prüfen zu können. Die Pools prüfen die Software in der Regel nicht. Da nach unserer Erfahrung viele Vermittler noch ohne qualifizierte Tools arbeiten, bieten sich hier große Vertriebschancen an. Wir bieten die Möglichkeit, durch Fachleute die Software der Pools prüfen zu lassen bzw. die Arbeitsweisen der Vermittler in Zusammenarbeit mit einem Fachmann zu zertifizieren.

Wofür Vermittler Vertriebssoftware brauchen

Bei Vertriebssoftware kann zwischen beratungs- bzw. vertriebsunterstützenden Systemen und Backoffice-Lösungen unterschieden werden. Im Bereich der beratungsunterstützenden Systeme wird versucht, den Verkaufsprozess zu optimieren. Den Vermittlern soll durch IT-Systeme der Weg zur ganzheitlichen und gesetzeskonformen Beratung geöffnet werden. Es gibt eine Vielzahl von Systemen: Finanzanalysen, Versicherungsvergleiche, Rechner zur Altersvorsorgeberatung, bAV-Rechner wie auch CRM-Tools. Backoffice-Systeme decken die Bereiche von der Vertragsverwaltung und Provisionsabrechnung bis zur Buchhaltung ab. Derzeit gibt es nur wenige Komplettlösungen am Markt, die alles umfassend abbilden. Dies führt häufig zu Doppeleingaben und Datenredundanzen.

Kurz und bündig

  • Der Markt für Vertriebssoftware ist sehr unübersichtlich. Viele Anbieter können trotz entsprechender Werbeaussagen keine funktionierenden Schnittstellen bieten.
  • Die Nutzung von Beratungssoftware ist nicht weit verbreitet. Trotz diverser Bemühungen der Anbieter sind die Nutzerzahlen gering, weil der Aufwand zu Beginn einer Kundenanlage im System groß ist und viele Vermittler die Investition scheuen. Die Fähigkeit der Vermittler, ihren eigenen Software-Bedarf zu analysieren, ist zu wenig ausgeprägt.
  • Da viele Vermittler noch ohne qualifizierte Tools arbeiten, bieten sich Maklerpools in diesem Bereich große Chancen.
  • Es gibt bereits Software, die den gesetzlichen Ansprüchen des neuen Vermittlerrechts genügt.
  • Für eine Analyse müssen Vermittler zwischen 60 und 150 Euro monatlich aufwenden

(Das Interview führte Kim Brodtmann)

Interview mit Martin Kinadeter - Printausgabe 05/2013