„Sagt, was ihr könnt!“

24.07.2013

Trotz neuen Prospektrechts und KAGB: Viele Marktbeobachter befürchten, dass sich auch nach der Regulierung weiterhin „schwarze Schafe" in der Fondsbranche tummeln werden, da für die Verwalter kleiner Fonds, deren verwaltetes Vermögen unter 100 Mio. Euro liegt, weitreichende Ausnahmen gemacht wurden.

Im Gegensatz zu den übrigen Fonds benötigen sie keine Erlaubnis der BaFin, die Registrierung ist völlig ausreichend. Auch das Auslegungsschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bietet „Schlupflöcher" (s. nachfolgenden Beitrag „Kommt die Zwei-Klassen-Gesellschaft?", S. 22/23). Worauf sollten Berater und Vermittler besonders achten, wenn sie geschlossene Fonds vermitteln? Wir fragten nach.

Unsere Gesprächspartner: Peter Kastell, Geschäftsführer FondsMedia GmbH. FondsMedia ist ein unabhängiges Analysehaus für Transparenz und Performance geschlossener Fonds. Die Marktstudien des Unternehmens basieren auf einem hauseigenen Research; Moritz von Mecklenburg, Partner und Berater Nature Capital GmbH. Im Mai hat das neu gegründete Emissionshaus den Vertrieb des Agrarfonds „Deutschland und Nord-Osteuropa" gestartet, der in deutsche und nordeuropäische Agrarflächen und -betriebe investiert; Jürgen Braatz, geschäftsführender Gesellschafter von Ratingwissen, Kommunikationsberater und Fachjournalist. Ratingwissen ist eine Plattform für die Diskussion aktueller Themen aus der Finanzdienstleistung wie Rating und Finanzierung des Mittelstands; Dr. Peter Lesniczak, Geschäftsführer Dr. Peters GmbH & Co. Emissionshaus KG. Seit mehr als 35 Jahren konzipiert, platziert und managt das Unternehmen geschlossene Fonds. Dr. Lesniczak ist für die Vertriebsaktivitäten zuständig.

finanzwelt: Wie definieren Sie Seriosität bei Anbietern geschlossener Fonds? Wie können Berater und Vermittler „schwarze Schafe" identifizieren?

Kastell: Die „schwarzen Schafe" sind Menschen, die aufgrund ihres Egos möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen müssen. Man erkennt sie daran, dass sie übertriebene Renditen versprechen, ohne faktisch zu begründen, wie diese erzielt werden sollen. Dafür suchen sie sich schwer zu überprüfende Investments aus. Sie investieren in Märkte, für die man sehr viel Expertise braucht, um beurteilen zu können, wie die Margen sind, wie sich diverse Einflussfaktoren auswirken. Ihr System funktioniert aufgrund von Ignoranz, weil sich weder Berater noch Anleger fragen, wo die versprochene Rendite herkommen soll. Ein wichtiger Indikator für Seriosität ist auch, wie intensiv sich ein Anbieter um Bestandsinvestoren kümmert. Wie ist die Betreuung nach erfolgter Investition ausgestaltet? Da ist in der Vergangenheit vieles schiefgelaufen.

Braatz: Ich mag den Begriff „schwarzes Schaf" nicht. Er impliziert eine Betrugsabsicht schon bei Auflage des Fonds. Diese lässt sich zwar im Nachhinein leicht konstruieren, liegt aber häufig gar nicht vor. Entscheidend dafür, ob ein Fonds gut oder schlecht läuft, ist nicht die Größe und Konstitution des Emissionshauses oder die rechtliche Konstruktion des Fonds, sondern die Erfahrung des Managements. Ich predige den Initiatoren schon seit Jahren: Sagt, was ihr könnt! Sagt, worin ihr gut seid! Und dann macht das, aber macht bitte nur das! Ein Emissionshaus sollte keine Fonds auflegen, die in exotische Assets auf entfernten Kontinenten investieren; ein Analyst sollte keine Analyse solcher Fonds erstellen; der Vertrieb sollte sie nicht verkaufen; ein Anleger sollte sein Geld nicht darin investieren.

Kastell: Seriosität erreicht man nicht durch ein Gesetz, sie muss von innen kommen. Der Gesetzgeber versucht derzeit, unseriöse Praktiken zu erschweren. Dies wird aber nicht dazu führen, dass diese grundsätzlich aufhören. Seriös sind die Häuser, die wissen, wie Fonds- und Assetmanagement funktionieren. Das Management muss wissen, was es kauft, und wann es kauft. Und es muss mit ins Risiko gehen.

von Mecklenburg: „Schwarze Schafe" wird es immer geben, man wird sie auch durch Gesetzgebung nie ganz vertreiben können. Es liegt an den Emissionshäusern, Vertrauen zu schaffen. Sie müssen zeigen, dass aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt wurde.

Braatz: Eine Besonderheit dieser Branche ist das ständige Kommen und Gehen von Initiatoren, die klein anfangen und plötzlich riesengroß werden. Ich kenne zum Beispiel die HCI Capital AG noch aus einer Zeit, als sie nur zehn Mitarbeiter hatte. Zwischendurch ist HCI riesengroß geworden, jetzt wird das Haus krisenbedingt wieder etwas kleiner. Auf der anderen Seite gibt es Häuser, die vor der Jahrtausendwende groß waren und die es heute nicht mehr gibt.

finanzwelt: Die Fluktuation ist zu groß?

Braatz: Sie ist offensichtlich branchentypisch, wenn man sich die Historie ansieht. Warum auch immer.

finanzwelt: Wie beurteilen Sie die Qualität der Finanzberater? Auch da haben viele einen schlechten Ruf.

von Mecklenburg: Es ist wie in allen Branchen: Es gibt gute Berater, es gibt aber auch schlechte. Die schlechten Berater erzeugen mehr Aufmerksamkeit in der Presse, dementsprechend gelten in der öffentlichen Wahrnehmung alle Berater als katastrophal. Ein Problem ist, dass die breite Masse der Vermittler weder den Willen noch die Qualifikation besitzt, Fondsprospekte eingehend zu studieren.

Dr. Lesniczak: Mit gesundem Menschenverstand kann man allerdings häufig schon auf den ersten Seiten erkennen, ob ein Fonds seriös konzipiert ist oder nicht. Freie Vermittler, die lange im Markt tätig sind und eine gewisse Erfahrung und Qualifikation mitbringen, sollten dazu in der Lage sein. Dies gilt auch für die Prüfabteilung einer Bank oder eines Maklerpools. Entscheidend ist die Interessenssituation des Vermittlers. Will er kurzfristig schnelles Geld verdienen oder langfristig und nachhaltig arbeiten? Diese Entscheidung muss er ganz für sich allein treffen.

von Mecklenburg: Der Gesetzgeber kann so viel regulieren, wie er will: Wenn ein freier Vermittler oder Bankberater darauf angewiesen ist, Umsatz zu machen, besteht immer die Gefahr, dass er Dinge tut, die nicht allen Aufklärungspflichten entsprechen.

Kastell: Wir sind in einer Marktphase, in der die Qualität des Beraters über die Qualität des Investments entscheidet. Wenn ein Berater ein undurchsichtiges Marktumfeld vorfindet, das nur mit einem extremen Aufwand überprüfbar ist, sollte er seinen Investoren schon deshalb von einer Investition dringend abraten.

finanzwelt: Können Ratingagenturen für mehr Klarheit in der Frage sorgen, wer seriös ist und wer nicht? Oder sind bestimmte Analysten eher Teil des Problems als dessen Lösung?

Kastell: Unseriöse Anbieter benötigen externe positive Meinungen. Irgendjemand von außen muss sagen: „Dieser Fonds ist super!" Dies möglichst so pauschal, dass es verkaufsfördernd wirkt. Komplizierte Begründungen sind nicht erwünscht, besser ist eine Note oder ein Symbol.

Dr. Lesniczak: Dies ist aber kein spezifisches Problem der geschlossenen Fonds. Ähnliches passierte bei den Subprime-Krediten, die teilweise ein „AAA"-Rating erhalten haben. Häufig gibt es seitens der Analysten ein Interessenskonflikt, weil der Initiator das Rating bezahlt. Dieses Problem lässt sich nicht lösen, weil die meisten Anleger nicht bereit sind, selbst für solche Dienstleistungen zu bezahlen.

finanzwelt: Wird von Verbandsseite genug getan, um das Image zu verbessern?

Kastell: Es gibt leider zur Zeit keinen Verband, bei dem man sicher sein kann, dass die Mitglieder ausschließlich den seriösen Teil der Branche repräsentieren. Ein solcher Verband müsste konkrete Qualitätskriterien für seine Mitglieder aufstellen, die in Beton gegossen sind. Wer diese Kriterien nicht beachtet, fliegt raus. Dies wäre eine Art Gütesiegel, dass der Initiator nachweislich vertrauenswürdig ist, weil er sich an gewisse Regeln hält. Diese Trennschärfe fehlt der Branche. Leider hat es der Markt der geschlossenen Fonds bis heute nicht geschafft, sich zu einer reifen Industrie mit entsprechenden Standards zu entwickeln. Er ist aber auch nicht besonders verbrecherisch. Die Prinzipien, die dort in negativer Form wirken, wirken auch in anderen Bereichen der Kapitalanlage. Dort werden sie nur besser kommuniziert. Die Lobbyarbeit der deutschen Versicherungen ist offensichtlich besser als die der Emissionshäuser.

Dr. Lesniczak: Die Branche der Emissionshäuser ist extremheterogen. Es gibt größere und kleinere Marktteilnehmer mit völlig unterschiedlichen Produktarten. Wie soll man das unter einen Hut bringen?

finanzwelt: Die Branche sucht weiter nach Wegen aus der Krise. Worauf wird es aus Ihrer Sicht ankommen?

Braatz: Die Qualität des Assetmanagements ist der entscheidende Faktor. Der Berater muss prüfen, ob das Emissionshaus Kompetenz im Management von Assets hat, d. h. im Einkaufen, Verwalten, Steuern und Verkaufen. Außerdem muss es in der Lage sein, eine Krise zu managen.

Dr. Lesniczak: Es gibt künftig die Möglichkeit einer externen Verwaltung über eine Service-KVG, die alle regulatorischen und administrativen Tätigkeiten übernimmt. Diese Service-KVG ist letztlich der Initiator, dahinter verbergen sich aber Emissionshäuser, die durchaus über eine hohe Assetmanagement-Kompetenz verfügen. Da darf der Berater nicht nur auf die Kompetenz der Service-KVG schauen.

von Mecklenburg: Als Initiator muss man sich entweder breit aufstellen oder sich spezialisieren. Es kann nicht sein, dass ein Management heute eine Immobilie und morgen ein Flugzeug managt. Das beißt sich. Zudem müssen alle Marktteilnehmer ihre Gier verlieren. Leider findet sich immer irgendjemand, der die Gier bei den Anlegern wieder auslöst.

Braatz: Der Markt der geschlossenen Fonds wird vom Volumen her stagnieren. Das ist für die beteiligten Häuser aber gar nicht tragisch, denn es sind weniger als früher. Die Häuser, die zum Jahresende noch am Markt sind, haben alle Wachstumspotenzial.

(Die Diskussion leiteten Christoph Sieciechowicz und Kim Brodtmann)

Roundtable - Printausgabe 04/2013