Rendite versus Risiko

15.08.2024

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Der Mittelstand ist Deutschlands Antriebsmotor. Über 3,1 Millionen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) beschäftigen über 21,1 Millionen Arbeitnehmer. Damit hat Deutschland weltweit ein Alleinstellungsmerkmal. Nirgendwo sonst auf der Welt haben KMU eine solche wirtschaftliche Bedeutungshoheit erlangt wie hierzulande.

Der Mittelstand im Anlegerfokus

Die glänzende Historie bekam jedoch spätestens mit der Corona-Pandemie im Jahr 2020 erkennbare Risse. Durch die langfristigen Folgen der pandemiebedingten Einschränkungen und des Regierungswechsels im Jahr 2021 sehen sich KMU heute einem Füllhorn an unterschiedlichen Herausforderungen, politischer und wirtschaftlicher Instabilität sowie einer hohen Inflation, einhergehend mit steigenden Energie- und Produktionskosten, konfrontiert. Die sinkende Investitionsbereitschaft des Mittelstands in die heimische Produktion zeichnet sich seit Jahren ab. Nach einer DZ Bank-Analyse aus dem Jahr 2023 gaben im selben Jahr nur noch 68 % der befragten Mittelständler an, Geld in den Ausbau oder die Erneuerung bestehender Anlagen zu investieren – im Jahr 2021 waren es noch 76 % der Befragten. Um wirtschaftlich am Markt weiter bestehen zu können, partizipieren KMU als Anleger aktiv am Kapitalmarkt. Steigende Mehrkosten für Energie, Produktion und Arbeitnehmer können mit nicht benötigtem Kapital teilweise bis ganz von der am Kapitalmarkt erzielten Rendite kompensiert werden, ohne die Eigenkapitalquote zu mindern. Ein Großteil der in Deutschland ansässigen KMU (re-)investiert mindestens einen Teil ihrer Gewinne in den Kapitalmarkt. Von einer „Flucht in den Kapitalmarkt“ kann zwar keine Rede sein. Durch den hohen inflationsbedingten Geldwertverlust und den mangelnden Alternativen bleibt vielen Mittelständlern auf lange Sicht jedoch keine andere Wahl.

Der Markt schafft Rendite …

Bereits im Jahr 2019 investierten nach einer forsa-Umfrage im Auftrag der Commerzbank ca. 25 % der KMU zwischen 1 Mio. und 5 Mio. Euro in den Kapitalmarkt, weitere 40 % sogar bis zu 100 Mio. Euro. Als Anlagemöglichkeit kommen vor allem sicherheitsorientierte und nicht-komplexe Anlagen, wie Termingelder und Anleihen, in Betracht. Dem mittelständischen Anleger ist eine sicherheitsorientierte Anlage demnach wichtiger als hohe Renditen einzufahren. Aber auch gemischte Fonds und reine Aktienfonds weisen eine hohe Attraktivität auf. Wichtig scheint den mittelständischen Anlegern zu sein, dass das am Kapitalmarkt investierte Geld schnellstmöglich oder zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder als Cashflow zur Verfügung steht; der Anlagehorizont beträgt deshalb selten länger als drei Jahre. Allein die Rendite einer Index-Investition wie z. B. des DAX zeigt, dass Anleger in den letzten zehn Jahren eine durchschnittliche Rendite von 6,8 % p.a. kassierten. Die am Kapitalmarkt erwirtschaftete Rendite kann sodann als Pensionsrückstellungen reinvestiert oder als Zufluss in den Barbestand des Unternehmens eingesetzt werden.

… birgt aber auch Risiken

Bei zeitgebundenen Kapitalanlagen besteht z. B. das Problem der vorzeitigen Kündbarkeit oder der nicht ausgezahlten Zinsen trotz Fälligkeit, insbesondere bei Anleihen. Wird das eingesetzte Kapital oder die ausgebliebenen fälligen Zinsen aufgrund einer deutlich schlechter laufenden Periode als prognostiziert kurzfristig benötigt, um laufende Kosten zu decken, haben KMU ohne rechtliche Beratung kaum eine Erfolgswahrscheinlichkeit der vorzeitigen Kündigung der Kapitalanlage oder der Zinszahlung. Wichtig ist die Vorabprüfung der Anlagebedingungen durch einen Rechtsexperten, welche aus falschen Kosteneinspargründen oftmals vernachlässigt wird. Im schlimmsten Fall muss ein Darlehen zur kurzfristigen Befriedigung der laufenden Kosten aufgenommen werden. Eine Darlehensaufnahme war auch in den vergangenen Niedrigzinszeiten für KMU eine günstige Alternative, am Kapitalmarkt zu partizipieren. Darlehen zur Investition sind jedoch stets ein zweischneidiges Schwert. Einerseits haben sie den Vorteil, dass die KMU weiterhin über einen hohen Cashflow verfügen und gleichzeitig am Kapitalmarkt Gewinne eingefahren werden können. Andererseits besteht bei einem Total- oder Teilverlust oder der vorzeitigen Unkündbarkeit der Kapitaleinlage ein hoher Druck auf den KMU, das Darlehen samt Zins zur Fälligkeit vollständig zurückzuzahlen. Hier kann sich die Gefahr einer Darlehenskaskade entwickeln. Neue Darlehen werden aufgenommen, um fällige Darlehenstilgungen zu befriedigen. Es besteht ein Kapital-Darlehenskreislauf, der früher oder später in einem Verlust für das KMU enden kann. Hier gilt es, sodann beim jeweiligen Kreditgeber um Tilgungsaufschub zu bitten – wenn möglich ohne Anrechnung von Zinsen. Ob dies möglich ist, hängt einerseits von den Darlehensbestimmungen ab und andererseits von der Argumentationsstärke des Darlehensnehmers. Allgemein ist das KMU auch in dieser Situation mit rechtlichem Beistand gut beraten, weil hier sowohl von der juristischen Expertise als auch vom Verhandlungsgeschick profitiert werden kann.