Mitarbeiter gesucht

13.07.2015

Tanja Apel-Mitchell

Angesichts der EU-Richtlinie Solvency II stehen die Versicherer vor großen Aufgaben, die sie meistern müssen. Hierfür benötigen sie auch qualifizierte Mitarbeiter. Attraktive Chancen bieten sich dabei durchaus auch Quereinsteigern, wenn sie über ein profundes Fachwissen verfügen.

finanzwelt sprach hierüber mit Tanja Apel-Mitchell, Director Continental Europe & Middle East beim Karrierenetzwerk eFinancialCareers.

INFO

Zum 01.01.2016 tritt Solvency II in Kraft. Die EU-Richtlinie orientiert sich an den Solvabilitätsregeln des Bankensektors „Basel II“ und soll über drei Säulen eine Harmonisierung des Versicherungsaufsichtsrechts herbeiführen. In der ersten Säule werden die Kapitalanforderungen festgelegt. In der zweiten Säule werden Risikomanagement und Compliance-Funktionen geregelt. Die dritte Säule umfasst die Berichts- und Offenlegungspflichten der Versicherer. Institute werden demnach verpflichtet, jährlich einen Bericht zu ihrer Solvabilität vorzulegen. Bis Anfang 2015 sind die Gesellschaften verpflichtet, ein wirksames Governance- und Risikomanagementsystem umzusetzen. Davon abgekoppelt ist ein internes Kontrollsystems notwendig. Darüber hinaus müssen Eigenmittelunterlegungen neu kalkuliert und Prozesse zur Berichterstattung geschaffen werden. Den Umsetzungsstand der Solvency II-Richtlinie für 2014 haben die Versicherungsforen Leipzig in Kooperation mit dem Software- und Beratungsunternehmen Sungard untersucht. Danach sehen rund 70 % der befragten Gesellschaften die vielfältigen Regulierungs- und Aufsichtsvorschriften weiterhin als herausfordernd an, vor allem bei zwei Faktoren: Der Großteil der Versicherer bewertet die IT-Infrastruktur und das Datensystem hinsichtlich des Risikomanagements und der Berichterstattung als nicht an die neuen Anforderungen angepasst. Auch der Mangel an qualifizierten Fachkräften wird als Herausforderung wahrgenommen.

finanzwelt: Die Versicherer klagen vor allem über mangelnde Verfügbarkeit von Daten und qualifizierten Fachkräften. Wie sehen sie das in ihrem Hause?

Apel-Mitchell: Unsere Erfahrungen aus dem Tagesgeschäft bestätigen diesen Trend. Eine aktuelle Prognose für das Jahr 2015 legt nahe, dass vor allem in den Bereichen Risikomanagement, Compliance und IT mit Einstellungen zu rechnen ist. Auch eine Durchsicht der Gesuche legt nahe, dass Versicherungsgesellschaften im Zuge der Umsetzung der Solvency II-Vorgaben nach neuen Kandidaten suchen.

finanzwelt: Welche konkreten Stellenprofile wollen Versicherer abdecken?

Apel-Mitchell: Solvency II legt bereits fest, wie das Management eines Versicherers beschaffen sein muss. Angestellte in Governance-Funktionen müssen danach sowohl qualifiziert (fit) als auch zuverlässig (proper) sein. Die „Fit & Proper“-Regelung bezieht sich auf insgesamt vier Funktionen innerhalb eines Versicherungsunternehmens: die Risikomanagement-Funktion, die Compliance-Funktion, die interne Revisions- Funktion und die versicherungsmathematische Funktion. Die fachlichen Anforderungen richten sich nach den individuellen Tätigkeitsbereichen der Mitarbeiter, wobei ein Mindestmaß an Kenntnissen von der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA vorgeschrieben wird. Darüber hinaus müssen die Mitarbeiter Problemlösungskompetenzen, analytische Fähigkeiten und Kommunikationsgeschick vorweisen sowie über eine beanstandungslose Reputation verfügen. Dies gilt nicht einzig für die Geschäftsleitung, sondern für jeden Angestellten mit Entscheidungskompetenz.

finanzwelt: Und wie steht es um die unteren Management-Ränge?

Apel-Mitchell: Es ist wichtig, auch unter Mitarbeitern in einer nicht leitenden Funktion das Risikomanagement als Teil der Unternehmenskultur zu verankern. Aus diesem Grund sehen wir weiterhin einen anhaltenden Bedarf nach Mitarbeitern aus den Bereichen Risikomanagement und Compliance. Zahlreiche Versicherer sind entsprechend auf der Suche nach Kandidaten, die bereits über mehrjährige Arbeitserfahrung verfügen und eine umfassende Bewertung der Risiken geben können. Kandidaten sollten daher imstande sein, die Ergebnisse finanzmathematischer Modelle zu interpretieren und diese vor dem Hintergrund der aktuellen Marktlage einzuschätzen.

finanzwelt: Hat die Anpassung der IT-Infrastruktur ebenfalls Auswirkungen auf den Personalbedarf?

Apel-Mitchell: In den Bereichen IT und Datenmanagement sehen wir ebenfalls eine starke Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften. Aktuell verfügt der Großteil der Versicherungsunternehmen noch über eine Vielzahl separater Systemlösungen und Datenbanken. Die große Herausforderung wird es nun sein, eine einheitliche IT-Infrastruktur aufzubauen sowie sämtliche Daten unternehmensübergreifend zu standardisieren. Daher suchen Institute derzeit verstärkt nach IT-Experten.

finanzwelt: Wie können sich Versicherungsunternehmen als attraktive Arbeitgeber behaupten?

Apel-Mitchell: Arbeitgeber in der Versicherungsbranche sehen sich einem verhärtenden Wettbewerb um geeignete Kandidaten gegenüber. Deshalb ist es besonders wichtig, eine Unternehmenskultur zu schaffen und auf Wünsche der Kandidaten einzugehen. Versicherungsgesellschaften sollten Werte, die nach außen hin kommuniziert werden, auch intern umsetzen. Im Hinblick auf ein verstärktes Risikomanagement bedeutet dies für Arbeitgeber, eine Risikokultur zu leben, anstatt lediglich die Mindestanforderungen umzusetzen, um die Abschlussprüfung zu überstehen. Hierfür ist eine offene Unternehmenskultur notwendig, in der nicht mehr der individuelle Erfolg im Fokus steht. Zahlreiche Kandidaten wünschen sich hierbei Unterstützung seitens des Arbeitgebers in Form von Fortbildungen und individueller Förderung. Eine gelebte Risikokultur ermöglicht schließlich eine effiziente und umfassende Risikobewertung und schützt das Unternehmen vor Verlusten. Dies ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. (hwt)

Printausgabe 04/2015