Mit kleinen Ködern die Besten angeln

29.07.2013

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Die betriebliche Krankenversicherung (bKV) dürfte künftig eines der ganz großen Themen gerade für Versicherer und Vermittler werden – trotz der stiefmütterlichen Behandlung durch die Politik.

Zum kommenden Jahreswechsel soll die Förderung als steuer- und sozialversicherungsfreie Sachzuwendung auf 20 Euro monatlich zusammengestrichen werden. Das käme zur Unzeit, zerbricht sich die Wirtschaft doch seit langem den Kopf darüber, wie sie mit dem demografischen Wandel hin zu immer weniger jungen Menschen umgehen soll. „Die bKV kann einen wesentlichen Beitrag zur betrieblichen Versorgung leisten. Dazu brauchen wir stärkere steuerliche Anreize", fordert Christian Molt, Vorstand der Allianz Private Krankenversicherung.

Wer als Unternehmer im War of Talents gute Leute an sich binden oder für sich gewinnen will, muss ihnen mehr als ein vernünftiges Einkommen oder Gehaltserhöhungen bieten können. Doch bei der Suche nach möglichen Lösungen bleibt die Phantasie bei vielen Versicherern außen vor. Dann dreht sich die Diskussion fast ausschließlich um das Thema betriebliche Altersversorgung (bAV).Gilt sie doch vielen Anbietern und Maklern als Königsweg aus der Falle Altersarmut. In den Firmen zeigt man sich da schon zurückhaltender. Nach der kürzlich von Generali zusammen mit dem F.A.Z.-Institut veröffentlichten Studie „Betriebliche Altersversorgung im Mittelstand 2013" bietet nur jeder dritte Mittelständler eine arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente an.

Doch selbst von einem derart eher mauen Ergebnis wagen Versicherer mit bKV-Lösungen im Köcher nicht einmal zu träumen. Die CSS Versicherung hat sich Ende vergangenen Jahres bei 250 Firmen mit jeweils mindestens 500 Beschäftigten umgehört, wie es denn dort um die bKV bestellt sei. Das Ergebnis war eine Beinahe-Katastrophe. Nur etwa jedes zehnte dieser Unternehmen hatte so etwas anzubieten. Mehr als 60 % hatten bislang darüber noch gar nicht nachgedacht. Vielleicht, weil sie betriebliche Krankenversicherungen gar nicht kennen?

Das wäre ein vernichtendes Urteil über den Beratungsalltag des gesamten Versicherungsvertriebes – gleich ob Makler oder Mehrfachagent. Denn bKV-Produkte gibt es nicht erst seit vorgestern. Schon vor vielen Jahren ist die Gothaer als erster deutscher Anbieter damit an den Markt gegangen. Ihr sind einige Unternehmen gefolgt, doch ein großer Teil der PKV-Versicherer hält sich nach wie vor bedeckt. Umso erstaunlicher, dass die Branche darauf setzt, mit solchen Produkten in der näheren Zukunft gleichsam von null auf hundert durchstarten zu können. Der Wunsch kommt nicht von ungefähr, dahinter steckt auch die Sorge um die Zukunft des Vollkostengeschäfts. Die PKV-Branche steckt zweifelsfrei in einer Krise, nicht nur ausgelöst durch die seit Jahren niedrigen Marktzinsen.

Seit Jahresbeginn reduzierten einige Unternehmen deshalb bereits den Rechnungszins auf ihre Alterungsrückstellungen von 3,5 auf 2,75 %. Dies könnte zu steigenden Beiträgen führen. Ein Thema, mit dem die Branche schon seit Jahren ihre Not hat. Erschwerend steht das Schreckgespenst Bürgerversicherung im Raum, die nach einem Regierungswechsel in Berlin durchaus real werden könnte. Der PKV bliebe dann nur noch das Geschäft mit Ergänzungsversicherungen. Und um nichts anderes handelt es sich auch bei der betrieblichen Krankenversicherung.

Die Vorteile für Firmen und ihre Beschäftigten sind schnell identifiziert. Erstere verschaffen sie sich einen Wettbewerbsvorsprung im Jobmarkt, vor allem wenn sie die Beiträge übernehmen. Und das entwickelt sich langsam zur Norm. „Es ist deutlich erkennbar, dass in letzter Zeit die arbeitgeberfinanzierte Variante im Kommen ist, das heißt, immer mehr Firmen übernehmen die Beitragszahlung für diese Produkte", so Michael Kurtenbach, Vorstandschef der Gothaer Krankenversicherung. Und ihre Mitarbeiter kommen meist ohne oder mit einer vereinfachten Gesundheitsprüfung an wertvollen Versicherungsschutz, der vielfach auch auf Familienangehörige ausgeweitet werden kann. Und selbst wenn der Arbeitgeber die Beiträge hierfür nicht übernimmt, greift der deutliche Preisvorteil eines Kollektivvertrages.

Als Lückenfüller eignet sich die bKV also für die Versicherer kaum. Ihre Bedeutung für Unternehmen, Beschäftigte, Anbieter und Vermittler ist dafür einfach zu groß. Auf dem Personalmanagementkongress Berlin Ende Juni beim bKV-Forum hat dies zuletzt Prof. Dr. Fred Wagner vom Institut für Versicherungslehre der Universität Leipzig deutlich umrissen. Bei diesem Forum handelt es sich um eine Initiative des Versicherungsmaklers Aon und der Versicherer Allianz, AXA und DKV. Dort stellte der Wissenschaftler klar: „Das bisherige Leistungsniveau wird in der gesetzlichen Krankenversicherung auf Dauer – bei den gegebenen demografischen Entwicklungen–nicht mehr finanzierbar sein. Betriebliche Krankenversicherungen sind dazu geeignet, das Gesundheitsniveau in Deutschland auf breiter Front zu stabilisieren, wenn sie die wünschenswerte Marktdurchdringung erreichen."

In der Tat bieten Krankenversicherer, wenn sie denn in

diesem Marktsegment bereits tätig sind, durchaus spannende

Produkte. Grundsätzlich geht es dabei um unterschiedlichste

PKV-Bausteine, von ambulanten über stationäre bis hin zu Zahntarifen:

Bei der Allianz beispielsweise können Vermittler für ihre gewerblichen Kunden zwischen insgesamt neun Angeboten wählen. Gruppenverträge gibt es hier ab einer Teilnehmerzahl von zehn Beschäftigten. Der Vorteil für den Arbeitgeber ist letztlich auch administrativer Natur. Er reicht einfach eine Teilnehmerliste an die Allianz weiter, die monatlich im Bedarfsfall aktualisiert werden muss. Beansprucht ein Mitarbeiter Leistungen aus seinem Vertrag, wendet er sich nicht an die Personalabteilung, sondern direkt an den Versicherer.

AXA hat ihr Modell noch weiter diversifiziert. Soll ein Gruppenvertrag abgeschlossen werden, steht dafür nicht nur mit FlexMed Privat Premium eine Rundum-Ergänzungspolice zur Verfügung. Vielmehr kann alternativ auch zwischen 18 unterschiedlichen FlexMed-Bausteinen gewählt werden.

Bei der DKV sind am 1. Juli zu den bisherigen Deckungen für Zahnersatz und stationäre Leistungen auch noch Zahnbehandlung, Sehhilfen und Auslandsreiseschutz hinzugekommen.

20 Mitarbeiter müssen sich zusammentun, damit die HanseMerkur eine Gruppenpolice ausstellt. Soll es sich dann um ein Rundum-Sorglos-Paket handeln, werden für jeden der darin Versicherten monatlich 35,50 Euro fällig, einzelne Bausteine kosten zwischen fünf und zwölf Euro.

Ein sehr differenziertes Modell bietet die Gothaer. Hier entscheiden die Größe der jeweiligen Firma und die Durchdringungsquote darüber, ob auf eine Gesundheitsprüfung verzichtet oder ein vereinfachtes Modell angewandt wird. Erst kürzlich hat der Kölner Versicherer bei seinen Medi-Group-Tarifen die Wahlmöglichkeit eines Einheitsbeitrages eingeschlossen. Er wird bei arbeitgeberfinanzierten Lösungen jeweils zum Jahresbeginn als tarifbezogener Gesamtbeitrag für das ganze Kollektiv ermittelt. Voraussetzung ist, dass mindestens 90 % eines versicherungsfähigen Personenkreises ab 20 Mitarbeitern oder 50 versicherte Personen je Tarif erfasst sind.

(Eva-Maria Plaul)

Betriebliche Krankenversicherung - Printausgabe 04/2013