Mind the Gap!

11.10.2024

Foto: Dr. Jutta Krienke, Geschäftsführerin der teckpro Software Solutions GmbH

Die „Digitale Rentenübersicht“ steigert die Transparenz über die eigene Altersvorsorge. Bis zur Identifikation oder gar Schließung der Rentenlücke sind jedoch weitere Initiativen nötig!

Der ehemalige Bundesminister Norbert Blüm warb 1986 mit einer großangelegten Kampagne um Vertrauen für die Rentenversicherung. „Denn eins ist sicher: Die Rente“ Dieses Versprechen gilt als längst überholt, bzw. keineswegs der Höhe nach. Die gesetzliche Rente allein sichert den Lebensstandard nicht. Vielmehr müssen wir über mehrere Säulen Vorsorge treffen: über die gesetzliche Rentenversicherung (gRV), über Basis-, Riester- und Betriebsrenten sowie private Kapital- oder Rentenversicherungen. Um jeder und jedem Versicherten einen Überblick über sämtliche Altersvorsorgeansprüche zu geben, wurde die Deutsche Rentenversicherung Bund per „Gesetz zur Digitalen Rentenübersicht“ beauftragt, ein Online-Portal zu eröffnen. Die Digitale Rentenübersicht (DRÜ) bündelt dort die Auskünfte. Doch ehe die Werte richtig interpretiert, eine mögliche Rentenlücke ausgewiesen und zur Schließung der Lücke beraten werden kann, sind weitere Initiativen, Tools und Player nötig.

Der Abruf der persönlichen Altersvorsorgeansprüche

Es sind ausschließlich die Versicherten, die sich freiwillig auf dem Portal www.rentenuebersicht.de einloggen dürfen, um die persönliche Altersvorsorgebilanz einzusehen. Kein Vermittler oder Finanzinstitut ist hierzu ermächtigt. Die Voraussetzungen für den Login sind aufgrund der hohen Schutzwürdigkeit der Daten erheblich: Nötig sind ein Personalausweis mit aktivierter Onlinefunktion, der sogenannten eID, die sechsstellige Perso-Pin, zusätzlich die SteuerID, ein internetfähiges und NFC-fähiges (Near Field Communication) Smartphone oder Tablet mit der "AusweisApp2". Alternativ zum Smartphone sind auch ein Computer und ein Kartenlesegerät für den elektronischen Personalausweis einsetzbar. Bereits vor geraumer Zeit hat das DRÜ-Portal alle staatlichen, öffentlichen und privaten Vorsorgeeinrichtungen dazu aufgefordert, sich über eine digitale Schnittstelle anzuschließen. Schon heute sind zahlreiche Anbieter auf der Plattform vertreten und ab Januar 2025 sind alle zur Anbindung verpflichtet, die mindestens einmal im Jahr Informationen (sog. „Standmitteilungen“) über die Höhe von Altersvorsorgeansprüchen verschicken. Eine freiwillige Anbindung weiterer Anbieter oder auch Arbeitgeber ist möglich.

Wichtig zu wissen: Das DRÜ-Portal handelt jeweils nur auf Anforderung der versicherten Person, erfragt mögliche Altersvorsorgeansprüche bei allen angebundenen Vorsorgeeinrichtungen auf elektronischem Wege und weist – sofern vorhanden – die Werte der Standmitteilungen aus, die jeweils zum Zeitpunkt des Abrufs aktuell sind. Die Daten der Altersvorsorge sind für die versicherte Person im DRÜ-Portal nach einer gewissen Zeit (die Beantwortung der Anfrage kann bis zu fünf Tagen dauern) online einsehbar. Sie können im Format einer Excel-lesbaren .csv-Datei auf das Handy oder den PC heruntergeladen werden und liefern somit quasi „Rohdaten“ als Teil einer Vorsorgebilanz. Danach vergisst das Portal die Informationen wieder; eine Speicherung erfolgt nicht.

Welche Transparenz ermöglicht die DRÜ genau?

Die DRÜ bündelt erstmals Altersvorsorgeansprüche an einem Ort. Sie liefert u. a. Renten aus der gRV, der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, der betrieblichen Altersvorsorge (z. B. Direktversicherung, Pensionskassen), der geförderten privaten Altersvorsorge (Rürup-/Basis-Renten, Riester-Renten), der privaten Kapital- und Rentenversicherungen und Fondssparplänen jeweils mit Altersvorsorgecharakter (Auszahlungsbeginn ab vollendetem 60. Lebensjahr).

In der DRÜ werden u. a. folgende Werte ausgewiesen:

  • Garantiert erreichbare Rente oder Einmalbetrag: Dieser Anspruch ist bereits heute erworben. Der Betrag kommt zum Renten- bzw. Auszahlungsbeginn gesichert zur Auszahlung. Hier ist unterstellt, dass keine weiteren Beiträge gezahlt werden und keine zukünftig möglichen Zinsen oder Renditen einfließen.
  • Prognostiziert erreichte Rente oder Einmalbetrag: Dies ist der bisher garantiert erreichte Anspruch zzgl. zum Beispiel Zinsen, Renditen oder Rentenanpassungen in der gRV. Unterstellt ist, dass keine weiteren Beiträge gezahlt werden.
  • Garantiert erreichbare Rente oder Einmalbetrag: Dieser Anspruch ist grundsätzlich garantiert erreichbar, sofern weiterhin Beiträge in bisheriger Höhe gezahlt werden. Er steht dann ggf. inkl. und garantierter Zinsen und Erträge zum Renten- bzw. Auszahlungsbeginn zur Verfügung.
  • Prognostiziert erreichbare Rente oder Einmalbetrag: In diesen Werten sind zukünftig gezahlte Beiträge sowie zum Beispiel Zinsen, Renditen oder Rentenanpassungen in der gRV prognostiziert. Diese Prognose ist mit Unsicherheiten verbunden, denn zukünftige Beiträge und zu erwartende Zinsen oder Renditen können sich anders entwickeln.

Für richtige Interpretation der DRÜ weitere Initiativen, Tools und Player nötig!

Insgesamt ist die DRÜ ein wichtiger Impuls für Bürgerinnen und Bürger, um einen Überblick über die persönliche Altersvorsorge zu erlangen. Allerdings wird – dies ist auch für Beraterinnen und Berater wichtig – nur ein Teil der persönlichen Vorsorge abgebildet. Zum Beispiel werden solche Produkte oder Objekte nicht dargestellt, die nicht der Altersvorsorge dienen. Dazu gehören u. a. Riester-Bausparverträge, klassische Banksparpläne, Aktien, Fonds, Beteiligungen, private Immobilien, Anteile an Unternehmen, Lebensversicherungen ohne rentennahe Auszahlung, reine Hinterbliebenen- oder Invaliditätsabsicherungen oder Sterbegeldversicherungen. Zudem ist die reine Bereitstellung der Information bei weitem nicht ausreichend. Ohne fachkundige Aufklärung sind Fehlinterpretationen sogar wahrscheinlich. So ist die Unterscheidung der vier Anwartschaften (siehe oben) nicht für jede Person verständlich. Irreführend ist es gar, wenn die gesetzliche Rente inkl. einer Dynamik dargestellt wird. Es ist zudem wichtig, einzukalkulieren, dass sich die Werte aufgrund steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Abzüge noch reduzieren, und dass eine Inflation berücksichtigt werden muss. Eine möglicherweise drohende Rentenlücke lässt sich aus der DRÜ somit alleine nicht erkennen.

Immerhin: Transparenz ist die Basis zum Handeln!

Die DRÜ dient als Auslöser für qualifizierte Beratungsprozesse. Sie ist eine erneute Chance, eine qualifizierte Beratung zu beginnen. Dies bestätigen Altersvorsorgeanbieter sowie Vermittler- und Fachverbände. So setzen sich zum Beispiel der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. (BVK), der Schulungsanbieter Aeiforia Trainings & Services GmbH und der Altersvorsorge-Softwarehersteller teckpro AG in einer Kooperation gemeinsam dafür ein, dass die BVK-Mitglieder, die als Versicherungsvermittler aller Vertriebswege dem sozialpolitischen Auftrag verpflichtet sind, in der Interpretation der DRÜ sowie in der Nutzung spezialisierter Altersvorsorgeanalyse- und Beratungssoftware geschult werden. Dank der Aufklärungsarbeit qualifizierter Beraterinnen und Berater kann über die DRÜ hinaus die Vorsorgebilanz vervollständigt, der finanzielle Bedarf im Alter bestimmt, Versorgungslücken identifiziert und verschiedene steueroptimierte Möglichkeiten zu Ausfinanzierung berechnet werden. Immerhin: Diese Transparenz ist die Basis für anstehende finanzplanerische Entscheidungen.

Dr. Jutta Krienke, Geschäftsführerin der teckpro Software Solutions GmbH

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