Künstliche Intelligenz im Fondsmanagement

16.04.2021

Nico Baum - Foto: © Berenberg

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) gewinnt auch im Asset Management zunehmend an Bedeutung. Aus gutem Grund, denn die gezielte Verwendung von KI und die damit verbundene Auswertung großer Datenmengen, (Big Data), bringt absehbare Wettbewerbsvorteile mit sich.

Dabei geht es allerdings weniger darum, dass KI zukünftig die Portfoliomanager ersetzen und eigenständige Entscheidungen treffen wird, sondern vielmehr diese bei ihren Analysen und Anlageentscheidungen als Werkzeug zum Erzielen von Alpha maßgeblich zu unterstützen. Künstliche Intelligenz wächst somit schrittweise zu einem unverzichtbaren Instrument im Portfolio-Management heran. Der große Vorteil von KI ist, dass sie die exponentiell steigenden und gewaltigen, oftmals hochgradig unstrukturierten Datenmengen in Echtzeit analysieren und darin Muster und Zusammenhänge erkennen kann. Dies ist für ein menschliches Gehirn nicht möglich.

Um den Einsatz dieser Technologien zu evaluieren und zu adaptieren, hat Berenberg im Jahr 2019 das Team „Innovation & Data“ gegründet. Konkret beschäftigt sich das Team unter anderem mit den Themenbereichen Big Data, Alternative Data und Machine Learning. Ziel ist es, die exponentiell wachsenden, bislang in der Industrie aber noch wenig genutzten Datenmengen aus Nachrichten, (Research)Texten, Videos und Podcasts sowie Social Media Posts auszuwerten und zu aggregieren, um einen Informationsvorsprung zu gewinnen, den die Portfoliomanager bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen können. So kann man beispielsweise aus der Datenflut das aggregierte Sentiment zu bestimmten Anlageklasse, einem Marktsegment oder auch einzelnen Unternehmen bestimmen.

Künstliche Intelligenz wird heutzutage in verschiedensten Bereichen der Gesellschaft oder der Wirtschaft bereits genutzt und ständig weiterentwickelt. Dabei kommt dem Machine Learning eine besondere Rolle zu, denn die Technologie ist in der Lage, basierend auf vorgegebenen Algorithmen und Daten, selbstständig Muster zu lernen und das Gelernte anschließend auf neuen Daten anzuwenden. Die gestiegene Leistungsfähigkeit von Rechnern nn ermöglicht es diese Daten in Echtzeit auszuwerten, was bis vor wenigen Jahren noch nicht möglich war.

In der Finanzbranche wird KI hingegen noch recht wenig genutzt, aber der Trend zeigt eindeutig aufwärts.

Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz ist überall dort sinnvoll, wo man große historische Datenmengen zur Verfügung hat, die bestimmte Muster aufweisen. In der Asset Management Welt sind das nicht unbedingt konkrete Kursdaten, sondern vielmehr alternative Daten, wie beispielsweise Sentiment-Daten. Die Stärke der KI ist es, diese Datenmengen zu verarbeiten, zu filtern und aggregiert zur Verfügung zu stellen. Die Stärke des Menschen im Gegensatz dazu ist es, kausale Zusammenhänge und etwaige weichere Faktoren wie zum Beispiel die Änderungen der Marktlogik, der Marktstrukturen oder des Anlegerverhaltens zu erkennen.  Daher wird eine KI Menschen im Fondsmanagement auf absehbare Zeit nicht ablösen, aber als unterstützendes Werkzeug an Bedeutung gewinnen.

Wichtig bei dem Einsatz von Machine Learning ist die Sinnhaftigkeit der Datennutzung und der hergestellten Zusammenhänge immer wieder kritisch zu überprüfen. Ohne eine ausführliche Analyse der ökonomischen Beziehungen und eine genaue Reflexion der Zusammenhänge besteht die Gefahr in Richtung Datamining zu laufen, sodass zwar immense Datenmengen aggregiert werden, aber die hergestellten Korrelationen nicht notwendigerweise eine kausale Beziehung bedeuten.

Berenberg hat im vergangenen Jahr seinen Investment Prozess im FX Overlay Management um die Auswertung von Echtzeit-Nachrichten aus mehreren zehntausenden Quellen erweitert. Wir haben festgestellt, dass Nachrichten in Bezug auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft die größte Bedeutung für die Erklärung von Währungsbewegungen haben. Das sind einerseits zum Beispiel Informationen in Bezug auf Handelsabkommen, Staatsverschuldung, Zinssätze oder anstehende Wahlen und andererseits auch Daten zu gesellschaftlichen Ereignissen in den Bereichen Gesundheit, Mobilität, Sicherheit und soziale Medien, die Aufschluss über die Entwicklung von Wechselkursen geben. Bei tiefergehender Betrachtung werden daneben Verbraucher-, Kredit und Inflationsdaten ebenso herangezogen, wie Rohstoff-, Aktienmarkt- oder Wohnungsmarktdaten.

Das Übersetzen solcher Daten in ein numerisches Scoring und die anschließende Identifizierung von Mustern, die in den Nachrichten und Stimmungen in Bezug auf die Erträge des Währungsmarktes beobachtet werden, ermöglichen es Signale für eine aktive Positionierung an den Devisenmärkten abzuleiten. Als Frühindikator für Trends ergänzt sich das Sentimentmodell gut mit unserem traditionellen Momentum-Ansatz zusammen, der Kursdaten auf Basis der Behavioral-Finance Theorie analysiert und die Positionierung an den Markttrend anpasst, wobei Momentum letztlich die Sentiment-Positionierung bestätigt oder nivelliert und somit als Korrektiv fungiert.

Die steigende Datenverfügbarkeit und Auswertbarkeit sollten dazu führen, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz auch in der Asset Management-Industrie Standard werden wird. Die komplementären Fähigkeiten der Technologie, Muster in komplexesten Datensätzen zu erkennen, ergänzt sich hervorragend mit den menschlichen Fähigkeiten etwaige weichere Marktfaktoren zu erkennen.

Gastautor: Nico Baum, Head of Business Management Investments & Head of Innovation & Data Berenberg