Konturen verschwimmen

07.05.2015

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Die Anforderungen der Mieter an die Wohnungswirtschaft sind im steten Wandel. Ihre Bedürfnisse haben sich in den letzten Jahren drastisch geändert und werden sich in den nächsten Jahren noch weiter wandeln. Zeitgleich wächst die Nachfrage nach Service überproportional.

Da Immobilienkredite aktuell spottbillig sind und sicherere Anlageklassen kaum noch Renditen bringen, stürzen sich die Investoren weltweit auf den deutschen Immobilienmarkt. Nach der Untersuchung „Trendbarometer Immobilien Investmentmarkt", einer Befragung von knapp 130 Investoren, wie Fonds, Banken, Versicherer oder Wohnungsverwalter, stieg das Volumen der Immobilientransaktionen im vergangenen Jahr auf 52,7 Mrd. Euro. Der Anteil an Wohnimmobilien beträgt 12,8 Mrd. Euro.

Hotspots München und Berlin.

Auf die Frage, welche Städte denn im Fokus der Investitionen im Wohnimmobilienbereich liegen, antworteten nahezu 100 % mit München und jeder Zweite wollte in Berlin investieren. Die anderen Metropolen rangieren danach in einer gleichmäßigen Verteilung. Während sich die A-Standorte etabliert haben, kommt das Preisniveau nachfragebedingt in B-Standorten ebenfalls bereits auf Renditen von unter 5 %. Es ist daher umso wichtiger zu wissen, welche Wohnimmobilie nicht nur heute sondern auch in 5 bzw. 10 Jahren nachgefragt wird. Hier muss man klar unterscheiden um welchen Standort es sich handelt. Der Trend in den Top-Standorten wie München, Berlin und vor allem Frankfurt geht klar in den Bereich der Ein- und Zweizimmer-Apartments mit Servicefunktion. Die Schere zwischen dem nachgefragten und dem angebotenen Wohnraum klappt drastisch auseinander. So das Statement der iLive Holding GmbH. Mikro-Wohnen oder City-Apartments, wie sie vom Architekten Karl Heinz Pauls, Wiesbaden, genannt werden, sind der Markt der Zukunft.

Weltweit nimmt die Zahl der studierfähigen Menschen ständig zu. Der Blick alleine auf den Deutschen Nachwuchs führt jedoch zu einer falschen Einschätzung für die Zukunft. Man muss in diesem Bereich klar europäisch, besser noch weltweit denken und entsprechend handeln. Neben der hohen Nachfrage von Studenten kommen immer mehr Berufsanfänger und Berufseinsteiger, die flexiblen Wohnraum suchen und sich nicht für lange Zeit binden wollen, hinzu.

Deutschland hat sich in den letzten Jahren zum Einwanderungsland Nr. 1 in Europa entwickelt – Tendenz weiter steigend.

Diese Zielgruppe fragt klar nach Ein- und Zweizimmer-Apartments. Am besten gleich möbliert und mit Servicebausteinen von der Paketannahme – E-Commerce lässt grüßen – bis hin zu einem umfangreichen Concierge-Service. Je nach Alter, Einkommen und Situation sind die Anforderungen unterschiedlich. Ein zusätzlicher Faktor ist die zunehmende Urbanisierung in Deutschland. Aktuell leben ca. 26,2 % in ländlichen Gebieten und 73,8 % in städtischem Gebiet. Bis zum Jahr 2030 werden nur noch rund 21,7 % in den ländlichen Gebieten verbleiben. Wohnraum in den Ballungszentren wie z. B. München, Frankfurt oder Berlin wird dadurch vermehrt zur Mangelware. Zusätzlich zu den Studierenden und Akademikern kommen noch ca. 16,5 Millionen Ein-Personen-Haushalte – Singles und Pendler. Frankfurt alleine hat bereits mehr als 50 % Single-Haushalte. Auch hier ist die Tendenz klar steigend. Zurzeit fallen nur rund 10 % der angebotenen Wohnungen in den Bereich der Ein- bis Zwei-Zimmer-Apartments. Der Bedarf liegt hier aber bei 75 %. Im Gegensatz dazu liegt der Bedarf von Drei- und mehr Personenwohnungen bei rund 25 %; bei einem Angebot von rund 90 %. Und genau in diesem Bereich des neuen, des „Modern Urban Living" gibt es eine Reihe von Angebotsalternativen. Dies reicht von spartanisch eingerichteten Ein-Zimmer-Apartments mit einer Größe von rund 20m² bis hin zu Zwei-Zimmer-Apartments und 60 bis 80m² mit luxuriöser Ausstattung. Die Mietvertragsdauer kann von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Monaten oder gar Jahren reichen. Die Nachfrage in diesem Bereich ist so groß, dass es hier eine ganze Reihe von Modellen gibt, die nebeneinander existieren können und werden. Neben den herkömmlichen möblierten Apartments steigt die Nachfrage nach den so genannten Boardinghäusern. Aber auch Hotelbetreiber sehen Ihren Markt in dem „Long Stay". Hierbei handelt es sich um Hotelzimmer mit Kitchenette und möglichem Verpflegungsbereich. Eines ist in diesem neuen „Modern Urban Living" aber gleich. Flexibilität und Service werden das A und O sein und damit die Attraktivität des Angebotes bestimmen.

Investoren die bisher in den normalen Wohnungsbau investiert haben müssen umdenken.

Mit Wohnungsgrößen von 80 bis 120m² oder gar mehr wird man im Mietwohnungsbau keine attraktiven Renditen mehr erzielen können. Bereits heute sind die Margen stark gesunken. Möchte man im langfristigen Bereich 5 % oder mehr erzielen, kommt man um die Ein- und Zwei-Zimmer-Apartments nicht mehr herum. Gleichzeitig muss man sich aber auch den Anforderungen dieses Segmentes stellen und die Wohnanlagen bzw. Häuser entsprechend „betreiben". Allein das Wort „betreiben" sorgt bereits für Schweißperlen und Kopfschütteln bei den meisten Investoren. Doch ist das wirklich so ein großes Problem? Wenn man keinen gewerblichen Zwischenmieter hat, ist es ein Objekt mit 50, 100 oder gar 200 Mietverträgen, mit kurzer Laufzeit und häufigerem Wechsel. Aber es bleibt ein Wohnobjekt mit Risikostreuung bezogen auf eine entsprechend hohe Anzahl von Mietern und entsprechendem Service- Angebot. Hielt man vor 10 Jahren das Thema Carsharing noch für eine fixe Idee, hat sich dieser Markt heute etabliert und wird genauso stark wachsen wie das „Modern Urban Living". Anlehnend an die Werbung von Opel ist hier „Um parken im Kopf" angesagt.

Hans J. Bär, CEO Financial Solutions St. Gallen AG

Wohnimmobilien - Online-Ausgabe 02/2015