Investitionschancen abseits des Mainstreams

06.10.2014

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In der ersten Reihe steht man zwar im Scheinwerferlicht, doch wer sich im Gedränge um die ersten Plätze verzettelt, verliert leicht die Vorzüge der weniger spektakulären Sehenswürdigkeiten in der zweiten Reihe aus dem Auge. Bei deutschen Immobilien sind dies die „B-Standorte".

B-Standorte haben allerhand zu bieten: Dank seiner föderalen und dezentralen Struktur ist der deutsche Immobilienmarkt nicht wie seine Pendants etwa in Großbritannien oder Frankreich auf die Hauptstadt konzentriert; vielmehr bieten viele Ober- und Mittelzentren Investitionschancen abseits ausgetretener Mainstream-Pfade.

Die institutionellen Investoren machen es vor: Nach Rekordvolumina in Transaktionen mit Wohnungsportfolios im ersten Halbjahr 2014, gemeldet von Savills und CBRE, die zu drei Vierteln an deutsche Käufer gingen, erwartet Savills für das zweite Halbjahr die größte Aktivität abseits der A-Städte im mittleren und kleinen Segment. Das hat seinen Grund:

In den Metropolen Hamburg und München stehen die

Wohnungsmärkte bereits an der Grenze zur Überhitzung.

Mieter müssen dort inzwischen um die 40 % ihres Einkommens für Wohnzwecke ausgeben, fand Immonet in einer Studie heraus. Nicht besser stehen Wohnungskäufer da: Seit 2008 sind die Kaufpreise für Eigentumswohnungen in den Top-Standorten München, Berlin, Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf um 41 % gestiegen, erläutert ein Sprecher des Sachwertspezialisten WealthCap unter Berufung auf Untersuchungen von RIWIS und Bulwiengesa. Dennoch verneinen die Immobilienspezialisten das Vorliegen einer Blase, weil in Deutschland, im Gegensatz zu den Krisenländern Spanien und Italien, keine aufgeblähte Bautätigkeit zu beobachten sei. Zwar zieht die Neubautätigkeit an, dennoch herrscht in den begehrten Metropolen und deren Umland nach wie vor Mangel an zeitgemäßem Wohnraum, da der größte Teil der Neubautätigkeit auf traditionelle Einfamilienhäuser entfällt, wie die Deutsche/Hypo in ihrer aktuellen Studie „Wohnen in Deutschland" feststellt. Privaten Investoren hilft diese Erkenntnis jedoch nicht wirklich weiter: In München, Hamburg und Berlin steigen die Kaufpreise weiterhin schneller als die Mieten, und die soeben beschlossene Mietpreisbremse dürfte daran nichts ändern, im Gegenteil.

Ein Immobilieninvestment unter ökonomischen Gesichtspunkten will deshalb genau durchdacht sein – das Einfamilienhaus in der Schlafstadt ohne ÖPNV-Anbindung und soziokulturelle Infrastruktur ist unter dem Aspekt eher eine Enttäuschung und mittel- bis längerfristig kaum ertragreich zu veräußern. „Höhere Renditen ergeben sich bei höherem Einkommen sowie bei Personen, die ausschließlich in Mehrfamilienhäuser und Mietshäuser investiert haben", bilanzieren die Autoren der DIW-Studie zur Rendite privater Immobilieninvestitionen.

Welchen Standorten kann ein Investor vertrauen?

Wo findet er langfristig stabile Nachfrage nach Wohnraum vor?

Die Deutsche/Hypo zählt summarisch Ballungsräume und Städte mit ländlichem Umfeld zu den Gewinnern der letzten Jahre, was die Bevölkerungszahl angeht. Verloren haben dagegen dicht und gering besiedelte ländliche Räume – die Entwicklung korrespondiert mit dem bereits seit längerem beobachteten Trend zur Urbanisierung, der gerade junge, gut ausgebildete Menschen zurück in die Städte zieht. Allerdings spricht die Entwicklung von Kauf- und Mietpreisen gegen ein Engagement in den Metropolen: „Im Immobilienbereich wäre ich bei A-Lagen mittlerweile sehr vorsichtig", warnt deshalb auch Uwe Eilers, Vorstand der Geneon Vermögensmanagement aus Hamburg. Catella Research berücksichtigt bei ihrer deutschlandweiten Untersuchung von 49 Wohnungsmärkten die Auswirkungen der Wanderungsbewegungen, die nicht nur vom Land in die Städte, sondern auch von Schrumpfungs- und Wachstumsregionen stattfindet.

Standorte mit steigenden Mieten wirken auf Investoren und Unternehmen der Baubranche anziehend, stellen jedoch Verwaltung und Politik vor zunehmende Probleme. Zusätzlich enthält die Analyse eine indikative Schätzung der Auswirkungen der Mietbremse, wonach die Miete bei Mieterwechsel künftig maximal 10 % über Marktniveau angesetzt werden darf, ausgenommen bei Neubauwohnungen.

Die stärksten Bevölkerungszuwächse verzeichnen demnach Bayern und Berlin, doch tut eine differenzierte Betrachtung Not: Auch südlich des Weißwurstäquators ist nicht alles in Butter. Bayerns Osten und Nordosten, die Oberpfalz und Oberfranken, verlieren kontinuierlich Einwohner, seit sie nicht mehr von der Zonenrandförderung profitieren. Bundesweit am stärksten ist die Abwanderung laut Deutsche/Hypo in den Landkreisen Stendal, Freudenstadt und Spree-Neiße. Den höchsten Zuzug errechnet die Deutsche/Hypo im Gegensatz dazu für Münster, Darmstadt und Freiburg – drei Städte mittlerer Größe mit traditionsreichen Universitäten, die vor allem junge, gut ausgebildete Bevölkerungskreise anlocken und dauerhaft an sich binden können. In solchen Schwarmstädten, zu denen nach der Catella-Analyse beispielsweise auch Hannover und Leipzig zählen, machen Investitionen in vielfach nachgefragte Mietshäuser mit Zwei- bis Dreizimmerwohnungen Sinn: Nach der Universitätsausbildung beginnt die Berufstätigkeit, nun ziehen die ehemaligen Studenten aus dem Wohnheim oder der WG aus und richten sich die erste komfortable eigene Wohnung ein. Einzelhandelsimmobilien sind weiterhin ein beliebtes Segment im Markt. Laut dem Retail Real Estate Report der Hahn AG sind Einzelhandelsimmobilien bei Investoren weiterhin interessant. „Der Großteil der Investments wurde aufgrund der größeren Produktverfügbarkeit in Objekte außerhalb der Top 5-Investmentzentren investiert. Damit zeigt sich in diesem Teilsegment des Einzelhandelsinvestmentmarktes, analog zu den Fachmärkten und Fachmarktzentren, dass Deutschland aufgrund seiner föderalen und polyzentrischen Raumstruktur über eine Vielzahl von interessanten auch abseits der großen Zentren verfügt", konstatieren Jan Dirk Poppinga, Head of Retail Investment, und Dr. Jan Linsin, Senior Director/Head of Research Germany, beide CBRE Deutschland. Um die Auswirkungen der Online-Konkurrenz zu minimieren, setzt Thomas Kuhlmann, Mitglied des Vorstands der Hahn Gruppe, auf Produkte des täglichen Bedarfs: „Der Online-Handel und die Lieferservices haben bei Lebensmitteln und Drogerieartikeln weiterhin keine große Bedeutung (Online-Anteil 0,6 %).Wir erwarten, dass sich das mittelfristig nicht ändern wird, da diese Güter komplexe Anforderungen an die Logistikkette stellen und der stationäre Handel in Bezug auf Preis und Convenience eine sehr starke Markposition einnimmt." Von Ankermietern aus diesen Sektoren profitieren dann auch die übrigen Mieter des jeweiligen Objektes und tragen somit zu erhöhter Sicherheit für die Investoren bei.

An Fachkompetenz vor Ort führt demnach kein (Anleger-) Weg vorbei: Wer nicht selbst über die notwendige Expertise und Marktkenntnis verfügt, muss sich die entsprechenden Partner suchen – Immobilienrenditen fallen nicht vom Himmel, sondern müssen redlich verdient werden. (sk)

B steht für B-Standorte – Printausgabe 05/2014