Insurtechs stellen Kunden und Technologie in den Mittelpunkt

27.04.2023

Philipp Krause, Gründer & Co-CEO von Petolo / Foto: © Petolo

Die Generierung von Neukunden ist in den letzten Jahren für viele etablierte Versicherungen schwieriger geworden. Innovative Versicherungs-Startups, sogenannte Insurtechs, kombinieren gezielt neue Technologien und kreative Ansätze zu modernen Erfolgskonzepten in der Versicherungsbranche. Aufgrund ihres hohen Digitalisierungsgrades sind Insurtechs in der Lage, Versicherungslösungen neu zu denken, bisher unerreichte Kundengruppen erschließen und auch neue Geschäftsmodelle für klassische Versicherer zu kreieren. Philipp Krause, Gründer & Co-CEO von Petolo erklärt, welche Rolle digitale Anbieter in Zukunft spielen werden, was sie als Partner und Dienstleister für traditionelle Versicherungen attraktiv macht und welche zusätzlichen Geschäftsmodelle sich durch Kollaborationen ergeben können.

finanzwelt: Herr Krause, können Sie kurz erklären, was Insurtechs sind?

Philipp Krause: Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern Insurance und Technology zusammen. Gemeint sind damit Versicherungsdienste, die die Herausforderungen der Versicherungsbranche mithilfe von neuen Technologien lösen und dabei stets den Kunden im Blick haben.

finanzwelt: Während sich viele klassische Versicherungen mit dem Neugeschäft eher schwertun, boomt die Insurtech-Branche. Was können sich klassische Versicherer von ihr abschauen?

Krause: Als erster Punkt wäre da zu nennen, dass viele Insurtechs sehr kunden- und lösungsorientiert arbeiten. Versicherungsprodukte werden aus Kundenperspektive gedacht – wie können Prozesse möglichst unkompliziert, transparent und schnell abgewickelt werden. Erst, wenn man identifiziert hat, was das Bedürfnis der Kunden ist, sollte man entsprechende Produkte und Lösungen entwickeln. Leider wird bei klassischen Versicherungen meist umgekehrt das Versicherungsprodukt in den Mittelpunkt gestellt.

finanzwelt: Und der zweite Punkt?

Krause: Das ist die Nutzung innovativer Technologien. Sie sorgt dafür, dass die einzelnen Prozessschritte automatisiert im Hintergrund laufen. Das erspart sowohl den Kunden als auch der Versicherung viel unnötige Arbeit und Stress. Doch anstatt In-House in Technologie zu investieren, geben viele Versicherer dieses wichtige Feld an Technik-Dienstleister ab. Last but not least: Marketing und Akquisition. Dies sollte als Kernkompetenz eines jeden Direktversicherers verstanden werden. Vor allem die Nutzung neuer digitaler Kanäle. So wird die Social-Media-Plattform TikTok bislang von den wenigsten Versicherern bespielt. Genauso wie beim Technologie-Thema gilt auch hier: Das sollte man möglichst nicht an Dritte abgeben.

finanzwelt: Was machen digitale Versicherungslösungen für Verbraucher so attraktiv?

Krause: Insurtechs bieten im Grunde das Beste aus “beiden Welten”: Kompetenz und Beratung erhalten Kunden weiterhin. Jedoch ausschließlich digital, entweder per Internet oder Telefon. Kunden müssen also nicht zu einem Makler oder Vermittler, wo Prozesse teilweise noch papierbasiert ablaufen. Insurtechs sind also einfacher, schneller, komfortabler und effizienter. Kunden haben außerdem einen besseren Überblick über verschiedene Versicherungsangebote und entscheiden sich dann anhand ihrer individuellen Bedürfnisse für den richtigen Versicherungspartner.

finanzwelt: Es wird viel Wert gelegt auf schlanke Prozesse, Policen sind deshalb im Vergleich häufig auch kostengünstiger. Das dürfte das Neugeschäft für die Etablierten zusätzlich erschweren.

Krause: Richtig, denn die Vorteile, die durch die schlanken Prozesse und Digitalisierung entstehen, wie eine automatische Schadensregulierung, werden in aller Regel an die Kunden weitergegeben. Diese profitieren dann von einem bestmöglichen Preis-Leistungs-Verhältnis.

finanzwelt: Also Kollaboration statt Konfrontation – wie können die Etablierten eine Zusammenarbeit angehen?

Krause: Hier gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Zum Beispiel durch IT-Partnerschaften, die es den Versicherern ermöglichen, die Software-Lösung eines Insurtechs zu nutzen. Des Weiteren gibt es auch Vertriebspartnerschaften, bei denen der digitale Anbieter auf das Underwriting des klassischen Versicherers zurückgreift. So könnte ein Insurtech als Versicherungsvermittler agieren und Produkte verkaufen, bei denen zum Beispiel die Allianz als Risikoträger auftritt. Auch die Akquisition ist ein Weg, um digitales Know-how und neue Vertriebsansätze ins Haus zu holen. Dies war u. a. bei uns der Fall mit der Übernahme von Dentolo und Petolo durch die Zurich Gruppe Deutschland.

finanzwelt: Ein interessanter Aspekt könnte für etablierte Versicherungen auch sein, dass digitale Anbieter ihren Kunden nicht nur das reine Versicherungsprodukt anbieten. Es entstehen neue Geschäftsmodelle. Können Sie ein Beispiel nennen?

Krause: Für Petolo sehen wir besonders viel Potenzial im Bereich der ganzheitlichen Für- und Vorsorge für Hunde und Katzen. Hierfür haben wir uns als Partner mit der Fressnapf-Gruppe zusammengetan. Durch unsere Kooperation ergeben sich auch gerade für die Kunden viele Vorteile. Gemeinsam mit Fressnapf begleiten wir Tierhalter und ihre vierbeinigen Familienmitglieder somit durch alle Lebenslagen. Konkrete Beispiele für diese Vorteile sind zum Beispiel kostenlose Videosprechstunden mit Dr. Fressnapf, Futterberatungen, GPS-Tracker und Vorsorge durch Wurmtest-Kits, um nur ein paar zu nennen.

finanzwelt: Es scheint, auch bei der Schadensregulierung könnten die Etablierten von den digitalen Unternehmen lernen. Diese brüsten sich damit, dass sie Schadensfälle in Sekunden begleichen können. Ist das wirklich realistisch?

Krause: Ja, das ist es. Bei Fällen mit einer hohen Automatisierungsrate können Schäden innerhalb von Sekunden reguliert werden. Der limitierende Faktor ist an dieser Stelle meist die Auszahlung. Bis das Geld auf dem Konto ist, kann es einige Werktage dauern. Aber ich will nicht ausschließen, dass bei komplexeren Schadensfällen, wo der Fokus auf Sorgfalt und Qualität liegen muss, die Regulierung etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt. 

finanzwelt: Zentrales Element der Kundenbeziehung ist heute die Kommunikation. Wie sollte diese aussehen?

Krause: Die große Kunst ist es, eine nahtlose und unkomplizierte Kommunikation über den gesamten Customer-Lifecycle hinweg zu ermöglichen. So sollten die Kunden in der Akquisitionsphase Zugang zu den Vorteilen der Produkte haben und Strategien zur Lösung ihrer Probleme an die Hand bekommen. Hier sind beispielsweise Ratgeberartikel auf dem Unternehmensblog sinnvoll. Aber auch die beiden Kanäle E-Mail und Telefon sollten für Auskünfte und Rückfragen zur Verfügung stehen. Natürlich spielen auch Social-Media-Kanäle eine Rolle. Erst wenn die Kommunikation plattformübergreifend ist, entsteht ein harmonisches Kundenerlebnis.

finanzwelt: Wo sehen Sie diese Branche in drei Jahren?

Krause: Kein Zweifel, es handelt sich um einen Bereich, der die gesamte Versicherungsindustrie schon jetzt massiv umgekrempelt hat. Sicher werden – dank der starken Digitalisierung und der Innovationsfreudigkeit – in den nächsten Jahren viele zusätzliche kundenfreundliche Angebote entstehen.