Im Höhenrausch

25.06.2021

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Es liegt schon Jahrzehnte zurück, dass das erste Angebot für eine Krankenversicherung über die Arbeitgeber auf den Markt gekommen ist. Und lange Zeit tat sich in der Folge herzlich wenig. Dabei ist das Produkt eigentlich genial. Offenbar haben das mittlerweile immer mehr Firmen auch erkannt. Zumal die BKV um viele Services ergänzt wurde. Jetzt geht die Post so richtig ab.

Das starke Wachstum bei betrieblichen Krankenversicherungen hat sich auch 2019 unvermindert fortgesetzt. Mittlerweile bieten 10.200 Unternehmen ihren Mitarbeitern eine komplett vom Arbeitgeber gezahlte betriebliche Krankenversicherung (bKV). Das entspricht einem Wachstum von 32 % gegenüber dem Jahr 2018 (7.700 Betriebe). Die Zahl der Beschäftigten, die von einer bKV profitieren, stieg um 8 % von 757.500 (2018) auf rund 820.000 Personen (2019). PKV-Verbandsdirektor Dr. Florian Reuther sieht einen der wesentlichen Gründe für diesen Positivtrend im zunehmenden Fachkräftemangel: „Die betriebliche Krankenversicherung bietet einen Vorteil im Wettbewerb um die besten Köpfe und hilft dabei, qualifizierte Mitarbeiter längerfristig an das Unternehmen zu binden. Die Arbeitnehmer profitieren von einem erweiterten Versicherungsschutz, der zudem aufgrund der Gruppenverträge problemlos ohne Wartezeiten und Gesundheitsprüfung gewährleistet wird. Für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber ist das eine Win-Win-Situation. Auch zur Absicherung des Pflegerisikos eignet sich die betriebliche Versicherung als ergänzende Säule zur gesetzlichen Pflegeversicherung“, betont Dr. Reuther. „Hier bietet sich eine sehr gute Möglichkeit, die wichtige, individuelle Vorsorge noch stärker in der Gesellschaft zu etablieren.“ Das zeige auch der jüngst geschlossene Tarifvertrag der Chemiebranche, der die Einführung einer betrieblichen Pflegezusatzversicherung vorsehe. Auf die bKV-Versicherten wartet nicht nur eine attraktive Beitragsersparnis, die stark variieren kann. Je nach Alter und Tarif können die Beitragsvorteile z. B. bei einer Zahnzusatzversicherung bis zu 40 % betragen. Noch deutlich wichtiger ist jedoch der Verzicht auf eine Risikoprüfung.

Lohnt sich für jede Unternehmensgröße

Gerade kleine Betriebe mit nur wenigen Mitarbeitern dürften sich allerdings die Frage stellen, ob solche Dinge für sie eigentlich überhaupt in Betracht kommen. Oliver Schwab, Leiter des Firmenvertriebs der SDK Versicherungen,  gibt hier Entwarnung: „Eine bKV lohnt sich bei jeder Unternehmensgröße.“ Insbesondere im stationären Bereich biete der Markt oftmals erst ab zehn oder 20 Mitarbeitern einen Versicherungsschutz für Unternehmen an. Die SDK wolle jedoch bewusst auch den Eigentümern und Geschäftsführern von kleineren Betrieben eine Gesundheitsabsicherung ihrer Mitarbeitenden ermöglichen. Deshalb sei die Installation eines speziellen Gruppenvertrags bereits ab fünf Mitarbeitenden möglich. Unverbindlicher äußert sich Ursula Clara Deschka, Mitglied des Vorstands der ERGO Deutschland AG und Vorsitzende des Vorstands der ERGO Krankenversicherung AG: „Eine betriebliche Krankenversicherung lohnt sich für alle Unternehmen.“ Inhaltlich sollte aber vor allem auf zwei zentrale Aspekte geachtet werden: die grundsätzliche Zielsetzung des Arbeitgebers und die darauf ausgerichtete Auswahl des passenden Versicherers. Eines der Ziele einer bKV sei es, für die Mitarbeiter die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu ergänzen. So würden Versorgungslücken geschlossen und Zuzahlungen minimiert. Wichtig für das Unternehmen sei dabei allerdings der Einstieg in laufende und angeratene Behandlungen, damit keine Diskriminierung von Erkrankten im Rahmen der Arbeitgeberfinanzierung stattfinde. Je größer die Finanzierungsrisiken eines Produktes seien – beispielsweise hochwertige stationäre Absicherung auf Privatarztniveau, hochwertiger Zahnersatz – desto größer sollte das Kollektiv sein, um eine nachhaltige Kalkulation im Hinblick auf den Einstieg in laufende Behandlungen sicherstellen zu können und um Antiselektionstendenzen mit dem Risiko von Beitragssteigerungen zu minimieren. Dies sei für die Anbieter der Policen von Vorrang.

Sehr viele Aspekte können wichtig sein

Wie genau aber sollte eine betriebliche Krankenversicherung ausgestattet sein? Laut Schwab kommt es dabei auf viele Faktoren an, auch über den reinen Versicherungsschutz hinaus: „Die bKV sollte eine flexible Kombination aus ambulanten und stationären Leistungsbereichen sowie einer Zahnabsicherung ermöglichen. Zudem sollten auch Familienangehörige von den Vorzügen der bKV profitieren können.“ Ebenso sei es von Vorteil, wenn eine Gruppenbildung im Unternehmen möglich sei. Auch die Beitragsfreistellung bei arbeitgeberfinanzierten Modellen bei längerer, beispielsweise krankheitsbedingter Abwesenheit von Mitarbeitenden sei ein wichtiger Aspekt. Über die reinen bKV-Tarife hinaus seien außerdem ergänzende Services und Dienstleistungen wichtig, die möglichst breite Themenfelder abdeckten. Schwab: „Bei der SDK bieten wir deshalb dazu eine Vielzahl an Dienstleistungen an. So z. B. eine qualifizierte Gesundheitsberatung, einen Facharztvermittlungsservice, Präventionsprogramme u. a. zu Volkskrankheiten wie Rückenbeschwerden, eine Gefährdungsbeurteilung, betriebliches Gesundheitsmanagement, Corona- bzw. Pandemiemanagement, Familienservice, Kinderbetreuung und auch psychosoziale Beratung.“ Katja Grunenberg, Leiterin Produktmanagement bKV, Produktentwicklung & Underwriting in der ERGO Group, legt Wert aufs Detail: „Eine bKV sollte grundsätzlich ab Tag eins leisten. Daher muss auf Gesundheitsprüfungen und Wartezeiten verzichtet werden. Alle Vorerkrankungen und fehlenden Zähne sollten mitversichert sein. Das heißt, dass der Einstieg in laufende und angeratene Behandlungen sichergestellt ist.“ Leistungsseitig sollte dem Arbeitgeber Flexibilität ermöglicht werden. Denn auch hier gelte, dass die Arbeitgeber unterschiedliche Schwerpunkte setzten und Wahlmöglichkeiten haben möchten. Neben Vorsorgeprodukten sollten Bausteine angeboten werden, die sicherstellen, dass der Versicherungsgedanke – also Entlastung der Mitarbeiter mit hohen Gesundheitsausgaben – gelebt werde. Daher sei eine grundlegende und individuelle Beratung der Arbeitgeber erforderlich. Hier gelte es, gemeinschaftlich zu erarbeiten, welche Zielsetzungen mit einer bKV verfolgt werden sollten. Und natürlich sollten die Arbeitnehmer die Produkte wertschätzen können. Gehören in Deutschland immer noch Zahnersatzbausteine zu den beliebtesten Zusatzversicherungen, so spüre man verstärkt durch die Pandemie ein größeres Nachfrageverhalten nach stationären Absicherungen, aber auch nach Pflegetarifen. Grunenberg ergänzt: „Gerade im Hinblick auf Innovationen der Zukunft ist uns bei DKV/ERGO besonders das Fortführungs- und Tarifwechselrecht wichtig.“ Dies sollte derart gestaltet sein, dass ausgeschiedene Mitarbeiter auch in 20 Jahren noch in neue Tarife der ERGO wechseln könnten und dabei ihre in der bKV aufgebauten Rechte nicht verlören. Und schließlich sollten sowohl für die Arbeitgeber als auch für die versicherten Mitarbeiter die Prozesse möglichst einfach gestaltet sein. In Summe werde dann die bKV für alle Beteiligten eine attraktive Zusatzleistung. (hdm)