Gesetzgebung ist kein Rentner

20.04.2022

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Was hat Anna mit einem Rentner gemeinsam? Beides sind Palindrome – sie ergeben rückwärts gelesen das gleiche wie vorwärts. Nicht dazu zählt die IDD-Beratungspflicht bei Nachhaltigkeitspräferenzen. Mit einer verdrehten Reihenfolge verursacht die EU in einer ganzen Branche unnötige Komplikationen. Die Verbände AfW und VOTUM kämpfen in Brüssel gegen den Irrsinn und entwickeln Orientierung für die Branche.

„Es könnte alles so einfach sein – isses aber nicht“, singt Herbert Grönemeyer im Song „Einfach sein“ der Fantastischen Vier. Eine Zeile, die die Situation der IDD-Beratungspflicht bei Nachhaltigkeitspräferenzen treffend beschreibt. Denn eigentlich sind sich doch alle einig. Die Versicherungs- und Finanzbranche hat das Thema Nachhaltigkeit längst mit offenen Armen angenommen. Und Beratung gemäß der Kundenpräferenzen? Sowieso! Wo also liegt das Problem? „Ab dem 02. August 2022 sollen aufgrund der Delegierten Verordnungen 2021/1253 und 2021/1257 vom 21. April 2021 neue Pflichten bei der Vermittlung von Kapitalanlagen und Versicherungsanlageprodukten in Kraft treten,“ erklärt Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes AfW. „Es sollen dann in der Beratung die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden ermittelt und entsprechend den Präferenzen auch die passenden Produkte empfohlen werden.“ So weit, so gut, doch jetzt kommt’s: „Grundlage für die Produktempfehlung soll die Beurteilung und Einordnung der Nachhaltigkeitsfaktoren und die diesbezügliche verpflichtende Berichterstattung für Unternehmen anhand von technischen Regulierungsstandards (RTS) sein“, so Wirth.

Verkehrte Reihenfolge

Diese RTS sollten ursprünglich zum 01. Januar 2022 in Kraft treten. Wenn wir sie jetzt wie geplant hätten, gäbe es für die Branche eine Orientierung zur Vorbereitung auf den 02. August. Doch stattdessen Folgendes: „Die Europäische Kommission verschob zuletzt erneut die Anwendung der zweiten Stufe der RTS zur Offenlegungsverordnung (SFDR) vom 01. Juli 2022 auf den 01. Januar 2023“, berichtet der AfW-Vorstand. Verkehrte Reihenfolge! „Das führt zu der absurden Situation, dass die Finanzberater:innen gesetzliche Pflichten auferlegt bekommen, die sie faktisch nicht erfüllen können – sie aber gleichzeitig gegenüber den Kunden haften lassen.“ Diese Unsicherheit betreffe laut Wirth zudem nicht nur einzelne Gewerbetreibende, sondern die ganze Branche, bis hin zu IT-Dienstleistern und Software-Unternehmen, die entsprechende digitale Beratungsprozesse und unterstützende Software entwickeln.

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