Es ist (noch) nicht alles neu, das glänzt

15.10.2018

Thomas Hünicke / Foto: © WBS Hünicke Vermögensverwaltung GmbH

In der Automobilindustrie schreitet aktuell die alte mit der neuen Welt Hand in Hand, Investoren können in beiden Bereichen noch Geld verdienen – trotz Abgasskandal und Fahrverbot. Sie dürfen aber dabei die Zukunft nicht aus den Augen lassen.

Die Automobilindustrie befindet sich in einem fundamentalen Umbruch. Die Jungen interessieren sich schon lange nicht mehr für eigene Autos, der Abgasskandal hat weltweit Vertrauen vor allem in deutsche Premiumhersteller zerstört, und die Politik tut alles dafür, den Menschen den Diesel-Antrieb madig zu machen und von den Straßen zu verbannen.

Das klingt erst einmal nicht nach den besten Voraussetzungen für Investoren, sich in der Automobilindustrie zu engagieren. Doch halt, so einfach ist es nicht. Denn die Aktien von Volkswagen, Audi und Porsche sind echte Kursgewinner der vergangenen Jahre – völlig unbenommen der angekratzten Reputation und der übrigen, augenscheinlich wenig vorteilhaften Entwicklungen. Volkswagen beispielsweise hat seit Herbst 2015 mehr als 44 Prozent an Wert gewonnen, Porsche mehr als 52 Prozent und Audi knapp 30 Prozent. Und selbst im Jahresrückblick sind alle drei Unternehmen im Plus. Und Fiat Chrysler ist eine richtige Gewinnerstory: 83 Prozent in drei Jahren!

Hingegen haben BMW und Daimler erheblich nachgegeben – obwohl sie weniger stark von der Krise erwischt worden sind als beispielsweise die Marken des Wolfsburger Autoriesen. Ebenso düster sieht es bei General Motors aus. Knapp 20 Prozent Rückgang in den vergangenen zwölf Monaten sprechen eine deutliche Sprache, dass das Geschäft im Heimatmarkt USA schwieriger wird.

Was bedeutet das jetzt? Zuerst einmal, dass es kein generelles Pro oder Contra bei Investments in die Automobilindustrie gibt. Porsche verdient weiterhin viel Geld, VW verkauft so viele Autos wie nie zuvor, im ersten Halbjahr 2018 wurden laut eines Berichts des Branchenverbands VDA rund drei Prozent mehr Fahrzeuge zugelassen als im Vorjahreszeitraum. Ein Grund, aus rein wirtschaftlichen Gründen alle Automobilwerte aus den Depots zu werfen, existiert dementsprechend nicht.

Sehr wohl sollten Anleger aber die Zukunft im Blick behalten und genau über die Entwicklungen auf technischer und politischer Ebene nachdenken. Der Druck auf Dieselfahrzeuge wird immer höher, in Medienberichten wird schon dazu geraten, auf Benziner umzusteigen. Und die Zahl der Neuzulassungen von reinen Elektroautos hat sich in Deutschland in den ersten sechs Monaten 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um zwei Drittel erhöht. Der chinesische Markt weist weiterhin das größte Wachstum und die größten Volumina für alternative Antriebe auf: Es gab ein Plus von 100 Prozent. Darauf weist eine Studie der Beratungsgesellschaft PwC hin.

Will heißen: Hersteller von (serientauglichen) Elektroautos und deren Zulieferer werden in den kommenden Jahren einen enormen Aufschwung erfahren und bieten sich dementsprechend für langfristig ausgerichtete Investments an. Die weltweit tätige Eaton Corporation beispielsweise entwickelt, produziert und verkauft Systeme, Applikationen und Produkte für die Energie- und Fahrzeugindustrie. Kurszuwachs in den zurückliegenden 36 Monaten: mehr als 60 Prozent. Oder SolarEdge, das auf Wechselrichter spezialisiert ist: knapp 60 Prozent in drei Jahren. Zugleich gibt es aber auch echte Verlierer; Tesla ist nur ein Beispiel dafür.

In der Automobilindustrie schreitet aktuell noch die alte mit der neuen Welt Hand in Hand. Daher können Investoren – je nach Ausrichtung und zeitlichem Horizont – in beiden Welten Geld verdienen. Sie dürfen nur den Absprung nicht verpassen, wenn die neue Welt die alte irgendwann überholt hat. Denn das ist nur eine Frage der Zeit.

Kolumne von Thomas Hünicke, geschäftsführender Gesellschafter der unabhängigen WBS Hünicke Vermögensverwaltung GmbH aus Düsseldorf