Durchwachsen, aber Aufhellung in Sicht

29.08.2019

Henning Gebhardt, Head of Wealth and Asset Management Berenberg / Foto: © Berenberg

Gleichwohl wir uns eher in einem konjunkturellen Abschwung befinden, haben die Kurse am Aktienmarkt in den zurückliegenden Monaten ordentlich zugelegt. Ist nun die Luft raus und wir sehen niedrigere Kursstände? Zumindest die Politik der Zentralbanken mit ihrem Credo der Niedrigzinsen spricht dagegen. Wie es nun im Konkreten weitergehen könnte und welche Branchen derzeit am interessantesten sind, darüber sprach finanzwelt mit Henning Gebhardt, Head of Wealth and Asset Management bei Berenberg und Fondsmanager des Berenberg Aktien-Strategie Deutschland.

finanzwelt: Das 1. Halbjahr ist an den Aktienmärkten sehr gut verlaufen. Die Indizes notierten ordentlich im Plus. Erkennen Sie weitere positive Signale für die kommenden Monate? Henning

Gebhardt: Grundsätzlich ist der derzeitige Ausblick eher durchwachsen – es gibt viele Unsicherheiten, die sich auch über die Sommermonate hinziehen werden. Die von uns erwartete konjunkturelle Erholung wird sich zumindest etwas nach hinten verschieben. Positive Signale für den Aktienmarkt senden aber ganz klar die Zentralbanken mit ihrer expansiven Politik. Zudem ist davon auszugehen, dass auch viele der politischen Unsicherheiten auf absehbare Zeit abebben werden.

finanzwelt: Wo sehen Sie aktuell die Bremsfaktoren im Gesamtmarktgeschehen?

Gebhardt: Der Handelsstreit wirkt sich nach wie vor stark negativ auf die Konjunktur aus. Die Wirtschaftserwartungen sind gedämpft und dadurch auch der wirtschaftliche Ausblick. Was vor allem in Deutschland einen starken Einfluss hat, ist die Wirtschaftsentwicklung in China. Hier herrscht inzwischen eine recht starke Abhängigkeit der deutschen Industrie. Eine konjunkturelle Abschwächung in China wirkt sich deshalb stark aus.

finanzwelt: Zuletzt bekam Ihr Haus die Auszeichnung bestes Aktienhaus für deutsche Werte. Was sind Ihre besonderen Kennzeichen, auch im Vergleich zu anderen Wettbewerbern?

Gebhardt: Wir heben uns nicht zuletzt dadurch von unseren Mitbewerbern ab, dass wir einen sehr starken Growth-Ansatz in unserer Titelselektion haben. Wir vermeiden die Unternehmen, die in ihrem Sektor Wachstumsprobleme und Profitabilitätsprobleme aufweisen. Zudem haben wir einen mit rund 40 % relativ hohen Nebenwerteanteil und eine deutliche Über- und Untergewichtung bei größeren Titeln.

finanzwelt: Können Sie uns Ihre Investmentphilosophie kurz darlegen?

Gebhardt: Wir suchen nach Qualitätsunternehmen mit überdurchschnittlichen strukturellen Wachstums- und Erfolgsaussichten. Dabei schauen wir weniger auf Kriterien wie Börsenwert oder Indexzugehörigkeit, sondern auf Branchen bzw. Einzelwerte, die sich langfristig besser als der breite Markt entwickeln können. Wir betreiben eine fundamentale Aktienanalyse, haben stets einen langfristigen Investmenthorizont und einen sehr stringenten und transparenten Investmentprozess.

finanzwelt: Gibt es eine Branche, die für Sie derzeit besonders interessant ist?

Gebhardt: Kurz- und mittelfristig bleibt sicherlich die IT-Branche am interessantesten, hier ist die Wachstumsdynamik am höchsten. Potenzial sehen wir auch bei Industrietiteln, Konsum- und Gebrauchsgütern und Gesundheitswerte. In diesen Sektoren gibt es auch einige interessante Hidden Champions mit sehr guten strukturellen Wachstumschancen. Ein Beispiel dafür ist die voranschreitende Vernetzung zwischen industrieller Produktion und moderner Informations- und Kommunikationstechnik. (hsd)