Das Spiegelkabinett der Immobilienbranche

20.10.2023

Spiegelung in einer Glasfassade im modernen Quartier „La Défense“ in Paris, Frankreich, Foto: © matho - stock.adobe.com

Aktuell steht die Immobilienbranche ein wenig wackelig auf den Beinen. Insolvenz folgt auf Insolvenz, und Tag für Tag scheint ein neuer Dominostein zu fallen. Jetzt noch eine Immobilie kaufen? Die Antwort kommt in drei Worten daher: Jetzt oder nie!

Die Immobilienbranche mag gerade eine schwere Zeit durchmachen, und Bauträger-Unternehmen trifft es besonders hart, aber: Nichts ist mehr in Stein gemeißelt, nichts endgültig. Die Immobilienkrise erweist sich als Geduldsprobe, denn Aussitzen ist für Immobilienkäufer mehr denn je eine wichtige Tugend. Es gilt, sich nicht abschrecken zu lassen. Gerade jetzt bewegen sich die Kaufpreise nämlich im passenden Rahmen. Für Berater ist also der perfekte Zeitpunkt, einzuhaken und mit Kunden einen Hauskauf anzugehen.

Kein Eigenheim für Millennials und Gen Z?

„Kapitalanleger, die in Wohnimmobilien investieren möchten, dürfen mit der Entwicklung im 1. Halbjahr 2023 zufrieden sein“, meint Tomas Peeters, Vorstandsvorsitzender von Baufi24 und CEO der Bilthouse-Gruppe im hauseigenen Mietrendite-Atlas. Es ist München, wo die Mietrendite ernüchternd ausfällt, wobei die bayerische Hauptstadt immer noch eines der teuersten Pflaster bleibt. In den 30 größten Städten mögen sich die Mieten bis Juni 2023 um knapp 2 % erhöht haben, allerdings seien die Quadratmeterpreise im gleichen Zeitraum um 4 % gefallen, und im Vergleich zur selben Zeit im Vorjahr registrierte man sogar einen Preisrückgang von 8 %, so der Vorstandsvorsitzende. Es gibt Immobilien immer noch nicht zum Schnäppchenpreis – glücklicherweise, denn das wäre schon eine Hyperinflation, aber etwas Luft zum Atmen ist da. Der demografische Wandel – sogenannte „Babyboomer“ treten in nächster Zukunft die Rente an und Millennials und Gen Z werden den Arbeitsmarkt verändern – sowie die unwägbare geopolitische Lage sind auch bei dem Thema Baufinanzierung zu bedenken. Wie Sie in unserem Interview mit Interhyp-Vorständin Mirjam Mohr hier lesen können, bestätigt sie den Traum vom Eigenheim auch als Lebensziel der jüngeren Generation und bezieht sich dabei auf die aktuelle Interhyp Wohntraum-Studie. „Der Zinsanstieg bedeutet für Immobilienkaufende monatliche Mehrkosten von meist mehreren hundert Euro“, erklärt sie in einem Beitrag der ING im August 2022. Dass Millennials und Gen Z da nicht gerade zuversichtlich sind, was das Eigenheim in der Zukunft angeht, ist nichts Neues. Umso wichtiger ist es, sich so früh wie möglich über Eventualitäten sowie den Rahmen der eigenen Möglichkeiten zu informieren. Es gäbe keinen Grund, auf ein niedrigeres Zinsniveau zu warten, so die Vorständin. Die Zinsprognose würde sich auch 2024 zwischen 3,5 % und 4 % bewegen. Benjamin Papo, Chief Sales Officerder Bilthouse-Gruppe, unterstreicht in einem Interview mit finanzwelt, dass 60 % der bis 25-Jährigen ihre Wohngegebenheiten überdenken wollen. Kollege Oliver Kohnen, Head of Franchise von Baufi24, lenkt den Fokus auf das Paradox zwischen fehlender Bezahlbarkeit des Wohnens (40 % der Befragten in der TU-Studie zum Thema) und mehr Wohnraum, als für die derzeitigen Mieter und Mieterinnen der Wohnungen benötigt wird (37 %).

Hauseigentümer treffen auf Immobilienkäufer

Kai Warnecke, Jurist und Präsident von Haus & Grund Deutschland, bestätigt im Interview mit WirtschaftsWoche vom 29. August: „Die Wohnungen werden kleiner, der Platz pro Person sinkt.“ Wo einmal ein Badezimmer mit Badewanne üblich war, gäbe es aufgrund der Sparmaßnahmen nun eher die Dusche, führt er als Beispiel an. Das Gebäudeenergiegesetz riefe eine kellertiefe Stimmung bei 80 % der Eigentümer und Eigentümerinnen im Verband hervor. Institutionelle Investoren zeichnen sich ebenfalls durch Bauzurückhaltung aus, so der Verbandspräsident. Auf der anderen Seite des Markts stehen die Immobilienkäufer, die von einem 13 %-igen Preisrückgang bei den Gestehungskosten profitieren. Die Kaufpreise selbstgenutzter Wohnimmobilien lagen im Vorjahr bei 570.000 Euro, im 2. Quartal 2023 sind es jetzt „nur“ noch durchschnittlich 496.000 Euro. Bei von Kapitalanlegern erworbenen Wohnimmobilien haben sich die Gestehungskosten um 10,6 % reduziert. In seiner Position als Vorstandsvorsitzender der Hüttig & Rompf AG betont Benjamin Papo: „Von ‚Immobilienpreisen im Sinkflug‘, wie es in einigen Medien jüngst zu lesen war, kann dennoch keine Rede sein. So hat sich die Dynamik der inzwischen seit fünf Quartalen anhaltenden Entwicklung zuletzt deutlich verringert. Der Boden könnte somit langsam erreicht sein.“ Strikte Vorgaben von Kreditinstituten und Versicherungen haben dafür gesorgt, dass die Eigenkapitalquote bei Eigennutzern zuerst um 6,4 % angestiegen ist. Also von 22,1 % im 1. Quartal 2022 auf 28,4 % im 1. Quartal 2023. Inzwischen (Stand: 2. Quartal 2023) liegt die Eigenkapitalquote bei 26,6 %. Diese ist in den zurückliegenden drei Monaten bei Kapitalanlegern von 28,4 % auf 27 % zurückgegangen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wenn eine Tür sich schließt, öffnet sich eine andere. Die Veränderungen in der Immobilienbranche zeigen sich mit Höhen und Tiefen, die eine Geduldsprobe für Bauträger und Eigentümer darstellen. Wie so oft, kommt es am Ende allerdings darauf an, wen – und auf welcher Seite – man fragt. Es liegt nun am Berater, seinen Kunden den Weg aus diesem Spiegelkabinett zu zeigen. (ml)

Benjamin Papo                                          Oliver Kohnen
Chief Sales Officer                                       Head of Franchise
Bilthouse-Gruppe                                        Baufi24 Baufinanzierung AG