Das Rad dreht sich immer schneller

26.09.2013

Foto: © electriceye - Fotolia.com

Die klassischen Produkte stehen unter Dauerbeschuss. Glänzten sie früher einmal – allerdings bei höheren Inflationsraten – mit Renditen um die 7 % und Garantiezinsen von 4 %, so ging es in der Folge nur noch bergab.

Selbst Top-Anbieter haben angesichts der schon seit Jahren niedrigen Marktzinsen Probleme, bei der Überschussbeteiligung noch eine vier vor dem Komma zu erzielen. Wie sieht es in der Welt der „Lebensversicherung" aus?

Klare Stimmen aus der Branche. „Die ALTE LEIPZIGER Leben sieht die klassische Rentenversicherung als Kernelement ihres Produktportfolios und wird auch zukünftig Produkte mit klassischen Garantien auf dem deutschen Versicherungsmarkt anbieten", stellt Reinhard Kunz, Vorstand beim Lebensversicherer, heraus. Auch Frank-Henning Florian, Vorstandschef der R+V Lebensversicherung, betont: „Lebens- und Rentenversicherungen sind auch weiterhin ein unverzichtbarer Baustein für die Altersvorsorge. Sicherheit und Garantie, wie sie Lebensversicherungen bieten, sind ein unschlagbares Argument – erst recht über einen Zeithorizont von mehreren Jahrzehnten." Grundsätzliche Zustimmung findet man auch bei Christian Schröder, Marketingchef VOLKSWOHL BUND: „Konventionelle Produktewie die klassische Lebens- und Rentenversicherung sind nach wie vor wichtige Säulen einer umfassenden finanziellen Vorsorge", und Dr. Guido Bader, Vorstand der Stuttgarter Versicherung: „Wir halten das Modell der klassischen Lebensversicherung für absolut zukunftsfähig. Derzeit wird in den Medien wegen der Diskussion um den Garantiezins die klassische Rentenversicherung zu Unrecht in Frage gestellt. Denn es ist zu kurz gesprungen, die klassische Rentenversicherung auf den Garantiezins zu reduzieren. Es handelt sich dabei um ein Produkt mit einer kollektiven Kapitalanlage, die den Kunden eine attraktive und super stabile Verzinsung bietet." Frank Neuroth, Mitglied des Vorstands der ERGO Lebensversicherung, ergänzt „Für den Kunden kommt es nicht darauf an, ob das Produkt konventionell oder anteilsgebunden kalkuliert ist. Wichtig ist, ob und wann der Kunde Wertschwankungen in Kauf nehmen kann, um Ertragschancen nutzen zu können. Sinnvoll ist das in der Sparphase, in der ja noch keine Leistung benötigt wird. In der Rentenphase ist der Kunde dagegen auf planbare laufende Einkommen angewiesen."

Konventionelle Kapitallebens- und Rentenpolicen lohnten sich nicht mehr, schallt es vom Verbraucherschutz und aus den Medien. Vor diesem Hintergrund sind einige Unternehmen längst dazu übergegangen, sich von diesem Geschäft vollständig zu trennen. Sie bieten nur noch fondsgebundene Produkte an. Einen anderen – neuen – Weg sieht so mancher zuständige Vorstand darin, an der klassischen Form als einem von mehreren Modellen festzuhalten, diese jedoch mit eingeschränkten Garantien auszustatten. So die Allianz. Dr. Volker Priebe, Leiter der Produktentwicklung beim Lebensversicherer, erklärt: „Wir bieten auch künftig die bewährte klassische Rentenversicherung an. Mit unserem neuen Altersvorsorge-Konzept ‚Allianz Perspektive' machen wir Kunden neben unseren fonds- und indexgebundenen Vorsorgekonzepten ein weiteres Angebot, das auf die Stärken unseres klassischen Sicherungsvermögens setzt und so wesentliche Garantien mit einer attraktiven Rendite verbindet." Auch Dr. Wilhelm Schneemeier aus der Geschäftsleitung von Swiss Life Deutschland liebäugelt mit neuen Ideen zur Garantieverzinsung: „In der Zukunft wird es wichtig sein, gerade diese garantierten Mindestleistungen auch im Hinblick auf die Solvenzmodelle ökonomisch vernünftig und profitabel darzustellen – gerade vor dem Hintergrund der langen Laufzeiten. Unter dieser Voraussetzung werden künftig für unser Haus auch Deckungsstockprodukte eine wichtige Rolle spielen."

So tickt die Uhr immer weiter. Längst sind die jahrzehntelang von den Bundesbürgern favorisierten Kapitallebensversicherungen immer weiter auf dem Rückzug, und wie.

1990 hatten sie am Gesamtbestand der Anbieter noch einen Anteil von knapp 84 %, 2012 war dieser auf 43,5 % geschrumpft. Rentenpolicen haben hingegen im selben Zeitraum stark zugelegt: von etwa 3 auf 43 %. Zu verdanken ist dies sicherlich auch der Weiterentwicklung herkömmlicher konventioneller Tarife. Fondspolicen ohne Garantie konnten es nicht sein, denn Altersvorsorge verlangt nach Sicherheit. Folglich schlossen viele Versicherer in ihre börsenaffinen Policen Garantiefonds ein. Doch diese sind oft wenig flexibel, also mussten neue Ideen her.

Garantiefonds, Hybridmodelle, iCPPI. Ein erster Schritt war die Einführung so genannter statischer Hybridmodelle. Sie sind eine Art Zwitter aus konventioneller und fondsgebundener Anlage. Ein Teil des Geldes wird in den klassischen Deckungsstock gesteckt und ermöglicht so über die Laufzeit eine feste Garantie. Der andere Teil wird in Fonds angelegt und soll dort eine höhere Rendite erwirtschaften. Ein Rendite-Überflieger war diese Produktart durch die Konstruktion jedoch nicht. Es bedurfte also dringend einer Weiterentwicklung. Und die ließ mit dynamischen Hybridmodellen nicht lange auf sich warten. Hierbei wird das Sparkapital des Kunden zumeist auf drei Töpfe verteilt – den Deckungsstock, einen Wertsicherungsfonds und die freie Fondsanlage. Abhängig von der Situation an den Märkten wird es in der Regel monatlich umgeschichtet.

Doch sollte dies nicht das Ende der Entwicklung sein. Hinzu gesellten sich mit der Zeit Variable Annuities – Ablaufleistungen oder Rückkaufswerte werden hierbei nicht über die Fondsanlage, sondern seitens des Versicherers mittels eines Hedging-Verfahrens dargestellt. Verlustpotenziale einer möglichst umfangreichen Fondsanlage sollen so mit möglichst geringem Kapitaleinsatz kompensiert werden. Die garantierten Renten oder Auszahlungen liegen über dem Marktschnitt.

Letzter Schrei sind so genannte iCPPI-Modelle. Mit einer Höchststandabsicherung oder einer Beitragsgarantie ausgestattet, erlauben diese Modelle ein tägliches Umschichten im Kundenportfolio, abhängig von den Märkten. Hierzu Ansgar Eckert, Bereichsleiter Marketing WWK Versicherungen: „Unser iCCPI Modell ‚WWK IntelliProtect®' lässt sich einfach und anschaulich erklären. Entscheidend dabei ist, dass die Berater die Vorteile erkennen. Unser Modell verzichtet auf den Einschluss eines Garantiefonds und erzielt eine maximale Investitionsquote bei freier Fondsanlage. Der individuelle CPPI Mechanismus vermeidet dabei auch Schieflagen wie wir sie bei den so genannten Variable Annuities gesehen haben."

Bleibt der Kunde dabei nicht auf der Strecke? Welche Chancen und Risiken welches Modell bei welchen Kapitalmarktentwicklungen hat, verstehen selbst manche gut ausgebildeten Vermittler kaum. „Für den Kunden nur schwer durchschaubar sind die verschiedenen Modelle der Garantieerzeugung, ob Deckungsstock, fondsgebundene Produkte oder Kombinationen daraus. Zwingend informiert sein sollte ein Verbraucher aber über die konkreten Auswirkungen eines Garantiemodells. Er muss wissen, dass Garantien Geld kosten und unter Umständen sogar unerwünschte Nebenwirkungen haben können – wie zum Beispiel das Cash-Lock-Risiko", meint Dr. Schneemeier. Das sieht auch Kunz so: „Für einen Laien ist es sicher schwierig, die technischen Abläufe und die genaue Funktionsweise der Garantiemodelle zu verstehen. Für den Verbraucher ist es in erster Linie wichtig zu wissen, welche Garantien das Produkt liefert, wer das Garantieversprechen gibt und welche Kosten damit verbunden sind." Die Versicherer seien gefordert, hierauf transparente Antworten zu geben. Vanessa Wagner, Abteilungsleitung Geschäftssteuerung Leben und Kapitalanlagen bei Generali, stimmt ihm zu: „Die unterschiedlichen Garantiemodelle können durchaus eine gewisse Komplexität beinhalten, die für einen Kunden ohne entsprechende Vorkenntnisse nicht ohne weiteres zu verstehen sind. Diese sind aus unserer Sicht nicht so selbsterklärend, dass sie ohne eine fundierte Beratung verkauft werden können."

(Theresa Appenzell)

Lebensversicherung - Printausgabe 05/2013