Banken & Kreditkarten: Das Dilemma der neuen Gesetzgeber

18.10.2021

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Diesen Monat tritt eine neue Internet-Regelung in Kraft – verabschiedet von Mastercard, nicht von einem Parlament oder einer Regierung. Dies ist möglich, weil immer weniger Transaktionen cash durchgeführt werden und 90 % aller Kartenzahlungen außerhalb Chinas über Visa und Mastercard laufen. Doch diese Gestaltungsmacht bringt die großen Banken und Kreditkarten-Unternehmen in eine unangenehme Zwickmühle.

Laut Aaron Klein vom renommierten Thinktank Brookings Institution begann mit der Jahrtausendwende eine neue Ära: das Zeitalter, in dem Zahlungen für nationale und internationale Gesetzgebung instrumentalisiert werden. So führte die US-Regierung nach den Terroranschlägen von 9/11 neue Geldwäschegesetze und gezielte Sanktionen ein. Der Staat als Gestalter, die Finanzfirmen als Umsetzer. Das bequeme an dieser Rollenverteilung: die Geldhäuser haben keine Wahl, sie müssen keine Entscheidungen treffen und können sich daher nicht unbeliebt machen. Sie sind schließlich an das Gesetz gebunden.

Zwischen den Stühlen

Wir springen in das Jahr 2021. Deutsche Bank und Signature Bank beenden ihre Geschäfte mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Letzteres Unternehmen fordert sogar seinen Rücktritt. Bezeichnend: In diesem Beispiel existiert kein zwingender Handlungsauftrag per Gesetz, sondern nur der Druck durch die allgemeine Empörung nach der Stürmung des Capitols. In einer Welt, in der Shitstorms so viel Schaden verursachen können wie Thunderstorms oder Tornados, achten Finanzriesen natürlich auf den öffentlichen Diskurs und auf ihren guten Ruf.

Doch nicht immer geben die Unternehmen Protesten nach. So hat 2019 die linke Interessengruppe SumOfUs von Mastercard die Einstellung von Zahlungen an rechte Interessengruppen gefordert. Kein Wunder, denn diese Entscheidung hätte die rechten Gruppen schwer getroffen. Mastercard allein wickelt schließlich 30 % der weltweiten Kartenzahlungen außerhalb Chinas ab. Auf der Jahresversammlung des Kreditkarten-Giganten wurde der Antrag jedoch abgelehnt. Denn Mastercards enormer Einfluss führt direkt in ein Dilemma.

Die Legitimation von Macht

Auf der einen Seite sehen sich die großen Player der Finanztransaktion meist als die neutrale Schweiz. Sie wollen keine politische oder moralische Position beziehen. Dies hat für sie den klaren wirtschaftlichen Vorteil, dass sie mit jedem Geschäfte machen können und so ihr Einnahmen-Potenzial steigern. Gleichzeitig wahren sie dadurch das hohe Gut der Freiheit. Sie maßen sich nämlich nicht an darüber zu entscheiden, wer am Markt teilnehmen darf und wer nicht. Täten sie dies, würde sich die Frage der Legitimation stellen. In Demokratien ist der Gesetzgeber vom Volk beauftragt, solch schwerwiegende Entscheidungen zu treffen. Visa, Mastercard & Co. verfügen über keinerlei solches Mandat, nur über Marktmacht.

Auf der anderen Seite wollen die Finanzfirmen auch nicht Gewalt und Kriminalität fördern. So hat z.B. Mastercard neue Regelungen für pornographische Websites beschlossen. Seit dem 15. Oktober müssen die Betreiber das Alter und die Identität jeder Person verifizieren, die in Bild- oder Videomaterial auftaucht. Außerdem müssen sie die Identität derjenigen überprüfen, die die Dateien hochladen. Darüber hinaus müssen die Website-Betreiber jeden Inhalt vor Veröffentlichung überprüfen und einen schnellen Beschwerde-Prozess implementieren. Ansonsten kann dort nicht mehr mit Mastercard bezahlt werden. Auch Visa, das sogar 60 % der Kartenzahlungen außerhalb Chinas abwickelt, verschärft seine Richtlinien für Porno-Seiten.

Wenn es richtig kompliziert wird

Das klingt vernünftig. Schließlich stehen Sinn und Zweck der Regeln im Einklang mit dem demokratisch legitimierten Gesetz, das z.B. Kinderpornographie verbietet. Allerdings werden dem Massen-Screening möglicherweise auch einige legale Inhalte zum Opfer fallen, weil nicht jede Datei genauestens geprüft werden kann. Dies steht dann im Konflikt mit dem Gut der Freiheit. Mal fällt diese Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit leichter, mal schwerer. Besonders kompliziert kann die Lage werden, wenn im schnellen Internetzeitalter neue Geschäftsbereiche entstehen, die vom Gesetzgeber noch gar nicht reguliert sind. Wie sollen sich Kreditkartenunternehmen und Banken dann positionieren? Mit Macht kommt Verantwortung und Geld regiert die Welt. Nicht immer sind Banken und Kreditkartenanbieter um diesen Umstand zu beneiden. (sh)