Gold Versager oder Retter?

04.10.2015

Die weltweit gesunkenen Zinsen haben die Renditen bonitätsstarker Emittenten auf ein unrentables Niveau gedrückt. Deshalb rücken Sachanlagen in den Fokus der Anleger. So haben viele Aktien-Indizes Höchststände erreicht.

Auch bei der Sachinvestition Immobilie sind die Preise deutlich angezogen und nicht mehr als preiswert zu bezeichnen. Einzig die Assetgruppe Edelmetalle ist von ihren Höchstwerten vom Sommer 2011 noch meilenweit entfernt. Die Anleger haben sich bis Ende 2013 massiv aus diesem Segment zurückgezogen. Kaufstimmung ist bei ihnen nicht vorhanden. Diesbezügliche Anlagehinweise werden mit Stirnrunzeln und Zweifel zur Kenntnis genommen.

Seit der Finanzkrise 2008 befinden wir uns in einem weltweiten Notenbankexperiment: Mit Quantitative Easing und Negativzinsen versuchen sie krampfhaft Inflation zu erzeugen. Ein Beweis für ein Gelingen gibt es nicht. Es existiert nur ein Beispiel für ein Scheitern: Japan versucht diese Strategie seit 1990. Provokative Frage: Warum hat die Dt. Bundesbank eigentlich 50 Jahre lang Inflation bekämpft?

Was 2008 als Hilfsmaßnahme begonnen wurde, ist zu einer permanenten Notwendigkeit geworden, bei der wie bei einem Heroinsüchtigen- die Dosis stets erhöht werden muss. Wenn aber Geld erzeugt wird, ohne damit einen Gegenwert zu schaffen, wird das Geld kontinuierlich entwertet. Eine gewünschte Auswirkung sind Zinsen nahe dem Null-Punkt. Die ebenfalls gewollte - oft bestrittene - Nebenwirkung ist die Schwächung der Währung.

Jetzt hat sich auch China dem Wettlauf angeschlossen. Würde aber eine schwache Währung langfristig Wohlstand und Wachstum erzeugen, wäre Zimbabwe und nicht die Schweiz an der Spitze des Wirtschafts-Rankings. Niedere Zinsen und schwache Währung führen zu Fehlinvestitionen und verzögern oder verhindern sogar notwendige Reformen. Missstände werden so durch noch mehr Schulden weiter finanziert und mitgeschleppt.

Die Probleme werden spätestens dann wieder fokussieren, wenn das Wirtschaftswachstum rückläufig ist. Laut einem McKinsey-Report vom Mai ist die weitweite Verschuldung im Jahr 2007 von 140 Bill. auf 200 Bill. in 2014 gestiegen. Seit dem Beginn dieser Dynamisierung der Geldmenge ist der Schuldenberg also mit ca. 9,3 Prozent deutlich schneller gewachsen als die Wirtschaftsleistung. Es ist also nicht nur die Schuldenhöhe, die Sorgen bereiten muss, sondern vor allem die Geschwindigkeit, mit der sie wächst (Ponzi-Schema-Schneeballsystem).

Seltsamerweise sind die Notenbanken vor allem die Asiaten und Russland-Netto-Goldkäufer und absorbieren einen Großteil des physischen Materials, deren Produktionsmenge relativ stabil bleibt. Auch die Nachfrage der Schmuckindustrie ist konstant. Nur der Anleger meidet das Edelmetall. Das Privatbankhaus Sal. Oppenheim hat jüngst, nach 4 Jahren Korrektur und über 40 Prozent Kursrückgang seit 2011, jetzt zum Ausstieg geraten. Auch andere Analysten übertreffen sich in der Prognose, wie tief das Gold noch fallen könnte. Die Gold-Analysten haben sich aber schon öfters geirrt. 2011 bei ca. 1.900 US-Dollar sagten die gleichen Fachleute: 2.300 / 2.500 / 3.000 kein Problem. Selbst die BILD-Zeitung sah sich jüngst zu einem Artikel Gold verliert Glanz genötigt.

Die Stimmung ist ausgesprochen schlecht, die Short-Positionen (Spekulation auf fallende Kurse) sind außergewöhnlich hoch. Ideales Umfeld um antizyklische Überlegungen anzustrengen. Sollte sich die Divergenz zwischen steigender Geldmenge und fallendem Goldpreis auflösen, wird ein überlegter Einstieg nicht mehr möglich sein. Und sollte die ersehnte Inflationssteigerung wirklich eintreten, werden auch die Probleme wachsen. Da eine Bekämpfung von zu hoher Inflation mittels Zinssteigerungen nicht mehr möglich ist, wird das Vertrauen in die Notenbankpolitik dramatisch abstürzen.

Technisch gesehen muss man klar einen noch intakten Korrekturtrend konstatieren. Es steht noch eine Kapitulationsbewegung aus, die ein neues Tief, aber damit auch die Trendwende bedeuten könnte. Ein überraschender Trendbruch dagegen würde eine evtl. fulminante Aufwärtsbewegung auslösen, bei der den Kaufwilligen die Edelmetallpreise weglaufen. Die meisten Anleger werden den Anstieg verpassen.

Als Fazit empfehle ich einen Edelmetallanteil am Gesamtvermögen von mindestens fünf Prozent, höchstens 20 Prozent. Davon sollte der Anleger ein Dreiviertel jetzt, wenn nur wenig Käufer am Markt sind, investieren und den Rest für den Fall nochmaliger neuer Tiefs liquide halten. Kaufen und dann mit Geduld die Edelmetalle halten wird sich auszahlen und das Gesamtvermögen stabil halten oder gar retten.

Autor: Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter bei der I.C.M.