Deutsche finanziell stark belastet

11.04.2017

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Nur in Belgien werden alleinstehende Durchschnittsverdiener noch mehr durch Steuern und Sozialabgaben belastet als in Deutschland. Dies geht aus der jüngsten Ausgabe der OECD-Studie "Taxing Wages" hervor.

Wegen den vergleichsweise hohen Sozialabgaben liegt auch bei allen anderen untersuchten Haushaltstypen die Belastung über dem OECD-Durchschnitt. Während in den anderen OECD-Staaten alleinstehende Durchschnittsverdiener im Schnitt 36 % ihres Einkommens an Steuern oder Sozialabgaben abtreten müssen, sind es in Deutschland fast 50 %. In fast allen OECD-Ländern werden Familien mit Kindern steuerlich gefördert. In Deutschland ist dies durch Ehegattensplitting und beitragsfreie Mitversicherung nicht-erwerbstätiger Ehepartner gerade bei Familien mit nur einem Erwerbstätigen besonders ausgeprägt. „Die Belastung der Arbeitseinkommen durch Steuern und Sozialabgaben ist im OECD-Raum erneut leicht gesunken. Allerdings ist dieser Trend vor allem das Resultat von Reformanstrengungen in einigen wenigen Ländern“, sagte Pascal Saint-Amans, OECD-Direktor für Steuerpolitik und Steuerverwaltung. „Steuersenkungen können vor allem im Bereich der kleinen und mittleren Einkommen Arbeitsanreize schaffen und sind so ein wichtiger Motor für ein inklusives Wachstum.“

Für den Bund der Steuerzahler sind die Ergebnisse der Studie alles andere als ein Ruhmesblatt. „Ein solcher Spitzenplatz ist alles andere als ein Grund zur Freude. Unsere Steuer- und Abgabenbelastung ist eindeutig zu hoch!“, kommentiert BdSt-Präsident Reiner Holznagel die heute vorgestellte OECD-Studie, nach der ein lediger Arbeitnehmer mit Durchschnittseinkommen deutlich mehr Steuern und Sozialabgaben zahlt als in den meisten anderen Industriestaaten. „Wir brauchen keine Ankündigungen, wir erwarten Taten!“ Damit fordert Holznagel die Parteien auf, Bürger und Betriebe ernsthaft zu entlasten. „Die Politik muss den Solidaritätszuschlag abschaffen und den Einkommensteuertarif reformieren.“ „Im Durchschnitt muss mehr als die Hälfte des erwirtschafteten Einkommens an den Staat abgeführt werden“, betont Holznagel mit Blick auf die Quote von derzeit 52,9 %. „Von jedem verdienten Euro bleiben den Steuer- und Beitragszahlern nur 47,1 Cent.“ Damit nicht genug, denn staatlich beeinflusste Gebühren sind bei der Belastungsquote noch nicht berücksichtigt. Zudem sind die staatlich empfohlenen Rücklagen für die eigene Altersversorgung oder den Pflegefall nicht enthalten. „Die aktuellen Zahlen der OECD sind ein Weckruf“, mahnt der BdSt-Präsident. „Umfassende Steuerentlastungen dürfen jetzt kein Tabuthema mehr sein. Deshalb muss der Solidaritätszuschlag spätestens bis Ende 2019 abgeschafft werden, wenn die Finanzhilfen für den `Aufbau Ost´ ohnehin auslaufen.“ Holznagel verweist auf das Jahr 1998, als die Politik den Soli von 7,5 auf 5,5 % abgesenkt hatte, obwohl es damals Defizite im Bundeshaushalt gab. Die Steuereinnahmen lagen bei knapp 175 Milliarden Euro. In diesem Jahr kann der Bund zum ersten Mal mit Steuereinnahmen jenseits der 300 Milliarden Euro rechnen. Jetzt wäre die komplette Soli-Abschaffung finanzierbar, ohne die schwarze Null im Bundeshaushalt in Frage zu stellen. „Ich fordere die Politik zum Handeln auf, weil der Soli seine verfassungsrechtliche Funktion als Sondersteuer zum Ausgleich finanzieller Bedarfsspitzen längst verloren hat.“

Wesentlich sind für den Bund der Steuerzahler auch strukturelle Entlastungen. Zusätzlich zum Soli-Abbau ist eine Reform des Einkommensteuertarifs längst überfällig. „Für eine echte Entlastung ist es nötig, den Einkommensteuertarif grundlegend zu überarbeiten“, fordert der BdSt-Präsident. Denn der Spitzensteuersatz greift heute bereits beim 1,3-fachen des Durchschnittseinkommens. Facharbeiter mit Berufserfahrung oder gut verdienende Angestellte rutschen daher schnell Richtung Spitzensteuersatz – ohne tatsächlich Topverdiener zu sein. Holznagel fordert deshalb: „Der Einkommensteuertarif muss regelmäßig an die Lohnentwicklung und die Lebenswirklichkeit angepasst werden. Eine Lohnerhöhung, die nur Preissteigerungen ausgleicht, darf nicht dazu führen, dass der Steuerzahler automatisch in einen höheren Steuersatz rutscht.“ Der Verband plädiert dafür, dass der Spitzensteuersatz erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 80.001 Euro greift. (ahu)