Wo Licht ist, ist auch Schatten

08.11.2016

Dr. Hans-Georg Jenssen, Geschäftsführender Vorstand VDVM / Foto: ©VDVM

Reformen sind definiert als planvolle Neuordnung, Umgestaltung oder Verbesserung des Bestehenden. Das ist bei der bAV aktuell ohne Frage eine Notwendigkeit. Aber muss es unbedingt noch komplizierter werden?

Laut Koalitionsvertrag ist es das erklärte Ziel der Bundesregierung „Voraussetzungen schaffen, damit Betriebsrenten auch in kleinen Unternehmen hohe Verbreitung finden.“ Und tatsächlich ist es vor dem Hintergrund des demografischen Wandels unabdingbar, die zweite Säule der Altersvorsorge zu stärken. Der VDVM und seine Mitglieder unterstützen deshalb grundsätzlich die Initiative der Bundesregierung, noch vor der nächsten Bundestagswahl die betriebliche Altersversorgung zu reformieren.

Insbesondere das Ziel, Geringverdienern beim Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung zu helfen, ist ein sinnvoller Ansatz. Der VDVM begrüßt ausdrücklich, dass es gemäß dem jetzt vorliegenden Referentenentwurf zum Betriebsrentenstärkungsgesetz vom 4. November 2016 - zusätzlich zur Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG und zusätzlich zur Riester-Förderung - für Niedrigverdiener künftig einen Förderbetrag zur betrieblichen Altersversorgung geben soll. Auch der Ansatz, die Riesterrente durch steuerliche Optimierung zu stärken geht in die richtige Richtung. Im Bereich der Grundsicherung im Alter soll zukünftig ein Freibetrag von 100 EUR monatlich für Rentenleistungen aus zusätzlicher, freiwilliger Altersversorgung gewährt werden. Auch darüber hinaus wird nicht jeder Euro angerechnet. Die näheren Einzelheiten dieser Vorschläge sind noch in Ruhe überprüfen.

Wo Licht ist, ist aber bekanntlich auch Schatten. Nicht nur der VDVM hatte immer wieder davor gewarnt, das bereits heute sehr komplexe System der bAV durch einen zusätzlichen Durchführungsweg noch undurchsichtiger zu machen. Trotzdem hält die Regierung am sogenannten „Sozialpartnermodell“ fest. Es ermöglicht eine reine Beitragszusage, wenn diese – verkürzt ausgedrückt – eine tarifvertragliche Grundlage hat und die Durchführung über eine Pensionskasse, Pensionsfonds oder Direktversicherung erfolgt. Daneben gibt es viele Detailregelungen, damit der Arbeitgeber in den Genuss von „pay and forget“ kommt. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber/Arbeitnehmer können die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelung vereinbaren, wenn das Versorgungswerk zustimmt. Es ist zu bezweifeln, dass gerade kleine Firmen sich zugunsten von Geringverdienern tarifvertraglichen Regeln unterwerfen wollen. Die breite Masse der tariflich ungebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird man daher so wohl nicht erreichen!

Wenn die Arbeitgeberhaftung wirklich ein so gravierendes Hindernis ist, ließe sich mit einer kleinen Ergänzung im Gesetz sehr viel erreichen: Würde der Gesetzgeber auch diejenigen Arbeitgeber enthaften, die den Durchführungsweg nach § 3 Nr. 63 EStG wählen und die Versorgung einem Lebensversicherer überlassen, täten sich KMUs deutlich weniger schwer. Lebensversicherer unterliegen immerhin der Aufsicht der BaFin und die Versicherten sind durch Protektor vor Verlusten geschützt.

Durch das Sozialpartnermodell steigt die Komplexität des bAV erneut. Dies ist tendenziell eher abschreckend und bedeutet einen erhöhten Beratungsbedarf gerade bei nichttarifgebundenen Firmen. Die qualifizierte Beratung ist zwar das Handwerk der Versicherungsmakler des VDVM. Der Arbeitgeber und seine Mitarbeiter müssen die Materie aber auch verstehen können.

Der VDVM wird sich weiter aktiv am Gesetzgebungsverfahren beteiligen und sich für seine Vorstellungen für eine effektive Förderung der bAV stark machen.

Kolumne von Dr. Hans-Georg Jenssen, Geschäftsführender Vorstand VDVM