Wir brauchen keine G20-Gipfel mehr!

03.12.2018

Karsten Junius, Chefökonom, Bank J. Safra Sarasin AG / Foto: © Bank J. Safra Sarasin

Die geringere Gefahr einer Eskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China rechtfertigt die aktuell wieder optimistischere Börsenstimmung. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der G20-Gipfel ansonsten ein klarer Misserfolg war. Er zeigt, dass multilaterale Politikansätze in Zeiten von „my-nation-first“ kaum eine Chance haben.

Die Aktienmärkte feiern den Ausgang des G20-Treffens mit Kursgewinnen. Zu Recht. Schliesslich haben sich die Aussichten für die Finanzmärkte und die Weltkonjunktur klar verbessert. Zudem werden viele Beobachter und vor allem die Organisatoren erleichtert sein, dass das G20-Treffen ohne Eklat zu Ende gegangen ist und Trump die Gastgeber anders als auf dem G7-Treffen in Kanada im Nachhinein nicht noch brüskiert hat. Die Latte für ein erfolgreiches Treffen hängt letztlich nicht mehr so hoch – gleich dem Familientreffen, bei dessen Ende alle erschöpft und erleichtert in ihre Sessel sinken, weil Tante Ingeborg aus Berlin und Onkel Ernst aus München sich nicht wieder in die Haare gekriegt haben und Opa Alfred keine unpassenden Witze beim Essen erzählt hat. Man kann sich seine Familie halt nicht aussuchen und auch nicht die Staatschefs anderer Länder.

Nun hört sich doch der Waffenstillstand im amerikanisch-chinesischen Handelskrieg nach einem Erfolg an. Aber ist dies ein Erfolg des G20-Gipfels? Eines Gipfels, der über etliche Monate von Sherpas der Teilnehmerländer in vielen Runden vorbereitet wurde. In Runden, in denen immer mehr Themen besprochen wurden, bei denen die Unterhändler aber offen-sichtlich kaum zu einem von ihnen einen Konsens fanden. Die Abschlusserklärung enthält daher auch kaum mehr Inhalt als die gemeinsame Geburtstagskarte für Tante Lotti. Keine gemeinsame Haltung zum Protektionismus, keine Erklärung zum Klimaschutz, kein klares Bekenntnis zur friedlichen Lösung internationaler Konflikte. Kein Wunder, dass die Konflikte einiger Teilnehmerländer in der Krim, im Jemen, beim internationalen Handel oder dem Klimaschutz ungelöst bleiben. Vielfach ist zu lesen, dass die Abschlusserklärung eh nicht so bedeutsam sei wie die bilateralen Treffen am Rande des Gipfels. Aber wozu dann die im-mensen Vorbereitungen der Unterhändler, wenn das Kommuniqué eh keine Rolle spielt? Ist es nicht vielmehr so, dass das Kommuniqué keine Rolle mehr spielt, weil die G20 als Gruppe keine Rolle für die Weltpolitik mehr spielt? Schliesslich wird gemeinsames Handeln unmöglich sein, wenn gemeinsame Formulierungen schon nicht mehr gelingen.

Warum im Namen "G20-Gipfel eigentlich eine Null zu viel ist, erfahren Sie auf Seite 2