Wie realistisch ist die Monsterwelle?

31.01.2016

Nicht nur Verschwörungstheoretiker und Dauerpessimisten warnen zwischenzeitlich vor Crashgefahren. Selbst der IWF warnt vor Risiken für das globale Finanzsystem aufgrund der Anhäufung von wirtschaftlichen, aber auch geopolitischen Risiken.

Ähnlich sehen es Ökonomen wie Ifo-Chef Prof. Sinn oder der schweizer Vermögensverwalter Zulauf. Auch aus Davos waren warnende Stimmen zu hören. Man kann eben nicht dauerhaft Wachstum durch Schulden befeuern.

Unbestritten scheint die Aussage zu sein, dass die Weltwirtschaft zwar wächst, aber schwächelt. Damit steigen die Risiken. Die Anfälligkeit der Börsen auch. Denn so lange die Wirtschaft sehr gut wächst, können die Schulden auch gut bedient werden. Kriselt es, wird das zum Problem. Als größter Störfaktor wird die Entwicklung in China genannt. Der Umbruch von der Produktions- zur Dienstleistungsgesellschaft führt zu einer weltweiten Konjunkturverlangsamung. Als Beweis gilt der Baltic-Dry-Index für Schiffsfrachtraten, der mittlerweile auf den niedrigsten Stand seit 2009 gefallen ist, wobei hierzu auch Überkapazitäten beigetragen haben. Die globalen Wirtschaftsumsätze sind rückläufig.

Der Ölpreis, der sich gedrittelt hat, ist zwar für die Autofahrer und die Heizölrechnung ein Segen, für die Investitionsindustrie ein Horror, da die Ölfirmen ihre Ausgaben dramatisch kürzen. Der Verfall der meisten Rohstoffpreise trifft vor allem die Schwellenländer hart. Sie fallen als Stabilisator für das Wachstum ebenfalls aus. Die Sanktionen gegen Russland sind in dieser Situation auch wenig hilfreich.

Nun schwächelt neben China und den Schwellenländern auch noch die USA. Die vorlaufenden Indikatoren zeigen eher in Richtung Rezession als würde sich beschleunigtes Wachstum ankündigen. Schon gibt eine zunehmende Anzahl von Zweifler der Zinswende in Amerika. Es mehren sich die Stimmen, die bei weiterer Eintrübung der Konjunktur von einem Quantitative Easing 4 ausgehen, zumal sich die USA in einem Wahljahr befindet. Es „darf“ im November keine Wirtschaftsflaute herrschen.

Das Vertrauen in die Wirksamkeit der Notenbankmaßnahmen sinkt. Geld drucken bringt kein Wachstum, es hält nur die Zinsen „unten“. Diese Politik ist längst nicht mehr als Hilfe für die Konjunktur anzusehen, sondern für viele Länder ein Muss. Schulden können nur noch durch höhere Schulden getilgt werden. Nur so können sich etliche Staaten noch finanzieren, zumal sich der Schuldenberg seit der Krise 2007 kräftig erhöht hat. Dieser hat sich weltweit auf über 200 Billionen aufgetürmt. Sollte sich die Summe nicht sehr bald umkehren, ist das System allein durch den Zinseszinseffekt in Gefahr.

Hier spielen mal wieder die Banken eine gewichtige Rolle. In China ist die Schattenbankenwirtschaft undurchsichtig und daher nicht kontrollierbar. Die Schwellenländer haben mit US-Dollar Krediten Kapazitäten aufgebaut, die sich heute als Fehlallokation erweisen. Die gestiegene US-Währung verstärkt deren ohnehin schon großes Problem. Hinzu kommen wankende Branchen wie die Schifffahrt- und die Fracking Industrie. Sollte sich die Situation verschärfen, drohen den Banken weltweit kräftige Abschreibungen. Dabei haben viele Banken ihre Altlasten noch nicht bereinigt. In Europa behindern sie bei der Ausgabe neuer Kredite. Allein in Italien befürchtet man über 200 Mrd. faule Kredite.

Die Inflation scheint heute keine Gefahr darzustellen. Zumindest wenn man die Immobilien- und Finanzmarktpreise sowie die Geldmenge außer Acht lässt. Aber wehe, die Rohstoffpreise steigen…. . Aktuell dürfte eine wahrscheinliche Abwertung der chinesischen Währung den Preisabwärtsdruck aber noch verstärken, zumindest verlängern.

Nun wird Europa immer mehr zum Problemkind. Nachdem die Länder schon die Maßnahmen zur Verbesserung der Schuldenbilanz kontrovers diskutierten, droht durch die Flüchtlingskrise sogar das Auseinanderfallen und damit das Ende des Euros in der derzeitigen Form.

Aber auch von dem US-Dollar droht Gefahr. China will den Renminbi vom Dollar abkoppeln. Einige Ölförderländer wollen ihre Rechnungen nicht mehr ausschließlich in Dollar fakturieren und Russland will sogar eine neue Ölsorte(Richtwert) einführen, die in Rubel notiert. Die Reservewährung wankt.

Immer mehr wird auch der Politik Schwäche unterstellt. Die Wähler orientieren sich in beängstigter Form linken oder rechten Parteien zu, wenn auch teilweise nur aus Protest. Griechenland und Portugal machten den Anfang. Bei den Wahlen in Spanien gesellen sich noch „interne“ Probleme. Hollande ist unbeliebt. Selbst Angela Merkel, noch vor Wochen als mächtigste Frau der Welt gerühmt, wankt bedenklich. Hinzu erscheinen vermehrt Artikel wie „Ein Prozent der Reichen haben 50 Prozent der Vermögen“, „150 Multikonzerne verfügen über die Hälfte des zirkulierenden Kapitals“ oder es werden sogar Einkommensstatistiken dargestellt und mit 1929 verglichen. Ein gefährliches Gemisch.

Man muss sich Sorgen machen, große Sorgen, auch als Anleger. Aber man muss auch nicht den Weltuntergang ausrufen. Probleme gab es schon immer. Allerdings, wenn einige Risiken gleichzeitig eintreten, wird dies kräftige Kursrückgänge zur Folge haben. Ob sie Monster mäßig ausfällt, weiß natürlich keiner. Den Anlegern bleiben nur eine sinnvolle Diversifikation, flexibles Handeln, Qualitätsaktien mit guter Dividende, aber auch erhöhte Kassenhaltung und einen gehörigen Anteil an Edelmetallen.

_

Autor: Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter bei der I.C.M.

_