Wenn ein DAX-ETF nur Japan-Aktien kauft

14.01.2016

Michael Reuss

Anleger sollten genau prüfen, ob der Index auch das enthält, was sie von ihm erwarten.

Anleger können mit Indexfonds (ETFs) kostengünstig ganze Märkte oder Indizes mit einem einzigen Produkt kaufen. Doch was sich einfach anhört, ist im Detail reichlich kompliziert. Denn: Index ist längst nicht gleich Index und nicht immer ist im ETF drin, was draufsteht.

Teilweise unterscheiden sich die Indizes in ihrer Bauweise erheblich. Grob gesagt gewichten die Indizes entweder die Kurse der enthaltenen Aktien, zum Beispiel entsprechend der Marktkapitalisierung der Unternehmen, oder sie addieren deren Kurse. Indizes, bei denen die Kurse schlicht addiert werden – wie beim Nikkei 225 oder beim Dow Jones Industrial Average – verzerren tendenziell das Bild vom Börsengeschehen.

So bringt das Unternehmen Fast Retailing im japanischen Nikkei 225 mit über neun Prozent das größte Gewicht auf die Indexwaage. Wenn der Kurs dieser hochpreisigen Aktie um ein Prozent steigt, verändert dies den Index viel stärker als ein einprozentiger Kurszuwachs bei einer Aktie mit niedrigem Kursniveau. Im breiter angelegten Topix-Index, der die Aktien nach der Marktkapitalisierung der Unternehmen gewichtet, kommt der Einzelhändler indes nur auf 0,4 Prozent. Sollte es bei Fast Retailing zu einem Aktiensplit von eins zu zwei kommen, würde sich das Indexgewicht im Nikkei auf rund 4,5 Prozentpunkte halbieren, während im Topix quasi alles beim Alten bliebe.

Ähnlich sieht es beim Dow Jones aus. Im Dow Jones hat – anders als bei der S&PIndexfamilie – nicht Apple das höchste Gewicht, sondern die Investmentbank Goldman Sachs.

Bei den DAX-Unternehmen wiederum werden nur handelbare Aktien berücksichtigt. Das heißt: Um die für den Index relevante Marktkapitalisierung zu berechnen, wird der Aktienkurs mit der Zahl der zum Handel zugelassenen Aktien multipliziert.

Von Bedeutung ist auch, ob der im ETF abgebildete Index ein Performance- oder ein Kurs-Index ist. Im ersten Fall werden alle Dividenden in den Index reinvestiert, was sich direkt im ETF widerspiegelt. Bei Preisindizes werden die Dividenden hingegen ausgeschüttet, meist vier Mal im Jahr. Das bedeutet aber nicht, dass die Fondsbesitzer leer ausgehen, denn die ETFs sind gesetzlich verpflichtet, erhaltene Dividenden an die Anteilseigner weiterzugeben – auch dann, wenn es sich um einen reinen Kurs-Index handelt. Da ein ETF auf einen Preisindex für die Ausschüttung Barmittel halten muss, kann es jedoch sein, dass er der Benchmark in einer Hausse etwas hinterher hinkt.

Nicht genug damit, dass schon die Indexanbieter wie Dow Jones und DAX jeweils eigene Wege gehen – auch die ETF-Anbieter verwenden verschiedene Methoden für ihre Indexfonds: etwa die volle und die synthetische Replikation. Im ersten Fall werden alle Aktien genau in dem Verhältnis gekauft, wie sie der Index enthält – das ist wohl das, was Anleger spontan erwarten würden. Im zweiten Fall können die Indizes über eine komplizierte Konstruktion mit Derivaten nachgebildet werden, ohne dass der ETF die im Index enthaltenen Aktien überhaupt kaufen muss. So könnte etwa ein synthetisch replizierter ETF auf den DAX theoretisch nur Japan-Aktien im Portfolio haben, ohne dass es der Anleger weiß.

Fazit: Die Idee hinter den ETFs, komplizierte Dinge zu vereinfachen, ist lobenswert, doch die Realität birgt einige Fallstricke. Anleger sollten daher genau prüfen, wie sowohl die Indizes als auch die ETFs beschaffen sind, in die sie investieren wollen.

_Autor: Michael Reuss, geschäftsführender Gesellschafter Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung GmbH

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