„Wenig Grund zur Freude!“

07.02.2013

„Auch im mittlerweile fünften Jahr der Krise ist Besserung nicht in Sicht!" So lautete das deprimierende Fazit des 16. „Hansa-Forums Schiffsfinanzierung" im November in Hamburg.

Angesichts zu geringer Einnahmen aus Fracht- und Charterraten, sinkender Schiffswerte und steigender Betriebskosten erwarteten die Teilnehmer eine steigende Zahl von Insolvenzen bei Ein-Schiff-Gesellschaften. Das Emissionsvolumen von Schiffsfonds ist laut Scope Analysis im Jahr 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 70 % von 370 auf 113 Mio. Euro zurückgegangen. Dies stellt einen Einbruch um rund 90 % gegenüber 2008 dar. Mitten in dieser Krise legt die Oltmann Gruppe jetzt ein weiteres antizyklisches Beteiligungsangebot auf – das insgesamt zehnte seit dem Jahr 2000. finanzwelt sprach mit André Tonn, Geschäftsführer Oltmann Gruppe, über die Zukunft der Schifffahrtsmärkte und den neuen Schiffsfonds des Unternehmens.**

finanzwelt:** In einem Schreiben an den Verband deutscher Reeder (VdR) hat Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler die Forderung zurückgewiesen, über die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Überbrückungskredite oder komplette Schiffsfinanzierungen zu gewähren. Wie bewerten Sie das?

Tonn: Wir wissen aus unseren Gesprächen mit den schiffsfinanzierenden Banken, dass es dort erhebliche Kreditvolumenprobleme gibt. Der Vorschlag des VdR zur Finanzierungsbeteiligung der KfW bei Schiffskrediten ist aus unserer Sicht ein wertvoller Baustein zur Abmilderung der Finanzierungsengpässe in der Schifffahrtskrise. Unseres Erachtens würde dadurch der Druck bei den Banken erheblich abnehmen, Schiffe vorschnell unter Wert an – vor allem ausländische – Reedereien zu verkaufen.

finanzwelt: Der Hamburger Wirtschaftssenator Frank Horch rechnet mit einer Verbesserung der Marktsituation erst 2015. Wann wird die Schiffsbranche die gegenwärtige Talsohle durchschritten haben?

Tonn: Prognosen sind stets schwierig. Die Erholung der Schifffahrtsmärkte ist von mehreren Faktoren abhängig. Wenn man aber die reinen Schifffahrtsthemen betrachtet, d. h. Überbauung und Finanzierung, scheint die Aussage, dass erst 2015 eine Erholung einsetzen wird, für die großen Schiffe durchaus plausibel. Für die kleineren Schiffe wie Container-Feeder und General-Cargo sehen wir aber eine deutlich frühere Erholung, eventuell schon ab Mitte 2013. In einigen Marktsegmenten wie Mehrzweckfrachter und Schwergutschiffe sehen wir den leichten Ratenabschwung, der nicht ansatzweisemit der Dramatik bei großen Schiffen vergleichbar ist, ebenfalls bereits 2013 wieder in eine Steigerung umschwenken.

finanzwelt: Einige Reeder gehen davon aus, dass es mittelfristig sogar wieder zu einer Tonnageknappheit kommen wird. Stimmen Sie dieser Erwartung zu?

Tonn: Auch hier ist nach einzelnen Marktsegmenten und Größenklassen zu differenzieren. Für Feederschiffe erwarten wir schon kurz- bis mittelfristig Tonnageknappheit, da die Flotte schrumpft. In anderen Segmenten wird das länger dauern, falls es überhaupt dazu kommen sollte. Bei Großcontainerschiffen ist eine Tonnageknappheit auf absehbare Zeit unwahrscheinlich.

finanzwelt: Hans-Jürgen Wömpener, Inhaber des gleichnamigen Finanzdienstleistungsunternehmens, sagte auf dem „Hansa"-Forum, dass Schiffsfonds bei Anlegern noch für vier bis fünf Jahre „verbrannt" sind. Teilen Sie diese Einschätzung?

Tonn: Schiffsfonds stehen derzeit sicherlich nicht im Fokus der Investoren, insbesondere Containerschiffsfonds, da es zahlreiche Sanierungsfälle gibt und Anleger momentan wenig Grund zur Freude haben. In aussichtsreichen Nischensegmenten wie Schwergutschiffen oder bei antizyklischen Strategien kann man Anlegern mit guten Argumenten darlegen, dass jetzt ein guter Investitionszeitpunkt ist.

finanzwelt: Sie haben im Dezember einen neuen Schiffsfonds angekündigt. Mit welchen Konzepten können Vertriebe und Anleger wieder für dieses Asset gewonnen werden?

Tonn: Unsere neueste Schiffsbeteiligung „Eigenkapitalkonzept3" ist als Ergebnis aus vielen Gesprächen mit Anlegern entstanden. Es handelt sich um einen bankenfreien Eigenkapitalfonds. Das ist der erste wichtige Punkt. Zahlreiche Anleger, insbesondere von Containerschiffsfonds, haben die Erfahrung gemacht, dass die finanzierenden Banken sich aus dem Investment zurückziehen wollen. Dies ist bei einem reinen Eigenkapitalfonds ausgeschlossen. Der zweite wichtige Punkt ist die antizyklische Investitionsstrategie: Gebrauchte Schiffe lassen sich aktuell deutlich unter ihrem Wert ankaufen, in besonderen Fällen sogar fast auf Schrottpreisniveau. In schwierigen Marktphasen bietet ein solcher antizyklischer Fonds große Chancen. Wir werden aber auch weiter klassische Schiffsfonds in aussichtsreichen Nischensegmenten anbieten.

finanzwelt: Erwarten Sie, dass sich die deutschen Banken dauerhaft aus der Schiffsfinanzierung zurückziehen werden?

Tonn: Einige Banken haben sich bereits zurückgezogen bzw. ihre Engagements reduziert, was wir bedauern. Andere Banken stehen zur Schifffahrt und bieten weiterhin Finanzierungen, darunter auch die Banken, mit denen wir kooperieren. Dennoch ist ein bankenfreies Angebot eine gute Alternative mit weniger Risiken.

finanzwelt: Wie haben Vertriebe und Anleger auf den neuen Schiffsfonds reagiert?

Tonn: Der Fonds startet in Kürze und stößt bereits jetzt auf reges Interesse, da dies ein antizyklischer Fonds ist, der von den aktuell enorm günstigen Kaufpreisen profitieren kann. Dies ist aus unserer Sicht eine Jahrhundertchance. Antizyklische Investitionen gehören zu den erfolgreichsten Anlagestrategien überhaupt. Auch der Eigenkapitalaspekt wird positiv aufgenommen, da er bei Schiffsinvestments einmalig ist und die Fremdfinanzierungsrisiken ausschaltet, die viele Anleger gern vermeiden wollen.

(Das Gespräch führte Kim Brodtmann)