Weltwirtschaft im Spagat

15.07.2020

Marko Behring / © Fürst Fugger Privatbank

Die gute Nachricht zuerst: In den USA gingen zuletzt die Neuanträge auf Arbeitslosenunterstützung zurück. Die Zahl der Zahlungsempfänger sank sogar auf den niedrigsten Stand seit Mitte April. Nun die weniger gute: Gleichzeitig steigt die Zahl von Covid-19-Fällen so schnell wie nie.

Für Marko Behring, Leiter Asset Management der Fürst Fugger Privatbank, ist dieses Dilemma nicht nur ein amerikanisches Phänomen. Auch in Europa sieht er das Ankurbeln der Wirtschaft und die Entspannung am Arbeitsmarkt mit steigenden Fallzahlen einhergehen – insbesondere in den Servicebranchen, wo sich oft nur schwierig Distanz halten lässt.

„Die Politik in Europa und den USA sieht das jedoch sehr genau und hat dies auch ökonomisch auf dem Schirm“, so Behring. Und weiter: „Wir erwarten noch in diesem Monat eine Einigung in den USA, wie dort das zukünftige Corona-Hilfspaket aussehen wird.“ In den Vereinigten Staaten steht nämlich eine umfangreiche Neustrukturierung der aktuellen und zunächst bis Ende Juli befristeten Hilfspakete an.

Unter anderem wird auch über die Höhe des Arbeitslosengeldes diskutiert. Und das liegt gegenwärtig bei 600 Dollar pro Woche. Die Republikaner im Senat halten das für zu hoch. Während sie befürchten, dass die Höhe der bisherigen Arbeitslosenunterstützung Menschen davon abhält, zur Arbeit zurückzukehren, wollen die Demokraten den Arbeitslosenzuschlag bis Dezember beibehalten.

Republikaner und Demokraten im Wahlkampfmodus

„Hier kommen die amerikanischen Präsidentschaftswahlen ins Spiel“, meint Marko Behring. „Die beiden großen Parteien befinden sich mitten im Wahlkampf und keine wird daher zu sehr auf die Bremse treten. Das könnte eine schnellere Einigung möglich machen.“ Möglicherweise sollen Hilfszahlungen künftig zielgerichteter eingesetzt werden und es dürfte an der ein oder anderen Stelle etwas nachgeschärft werden. „Eine Gefahr für die Märkte sehen wir hier nicht“, betont Marko Behring.

In Europa liegt das Augenmerk auf dem EU-Sondergipfel am Freitag und Samstag. Dort wird über das 750 Mrd. schwere Hilfspaket und die Art der Finanzierung diskutiert. „Positive Impulse für die Märkte erwarten wir nur im Falle einer zügigen Einigung. Bereits im Vorfeld des Gipfels war die Uneinigkeit der Gipfelteilnehmer jedoch offensichtlich“, befindet Behring. „Ein Durchbruch erscheint da eher schwierig.“

Was bedeutet das für die Depots der Anleger?

Die meisten Marktteilnehmer haben das zweite Quartal bereits abgeschrieben, setzten aber hohe Erwartungen in die zweite Jahreshälfte. „Sollte sich der Ausblick auf das dritte Quartal eintrüben, wird auch eine V-Erholung immer fraglicher“, meint Marko Behring Das bedeutet für uns: „Wir agieren vorsichtig, und halten entsprechende Cashbestände vor, um im Falle eines stärkeren Rücksetzers handlungsfähig zu sein.“

Obwohl die chinesischen Wirtschaftsdaten Anzeichen der Normalisierung aufweisen, sieht die Fürst Fugger Privatbank China nur als Beimischung. Gegen eine höhere Gewichtung spricht der nach wie vor schwelende Handelskonflikt mit den USA sowie die innenpolitische Unsicherheit um Hongkong. (ah)