Was Vermögensverwalter von der Wahl Trumps erwarten

11.11.2016

Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG / Foto: © wikifolio

Mit der Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten hatte im Vorfeld kaum jemand ernsthaft gerechnet. Noch überraschender war die Reaktion an den Börsen. Zwar kam es zunächst zu den von fast allen Experten prognostizierten Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten. Als aber das Ergebnis offiziell feststand, drehten die Notierungen dynamisch nach oben. Der Wahlsieg des Republikaners wurde von massiven Aktienkäufen begleitet.

Einer der am ehesten nachvollziehbaren Gründe für diese Rally ist, dass viele institutionelle Anleger ihre im Vorfeld aufgebauten Absicherungen für einen möglichen Crash nach dem Wahlausgang wieder aufgelöst haben. Genau dieses Hedging hatte schließlich im Vorfeld auch für einen knackigen Kursrutsch gesorgt. Die bei wikifolio.com aktiven Vermögensverwalter sind zum Teil ähnlich vorgegangen. Damit lagen sie goldrichtig. Ob es nach den dramatischen politischen Veränderungen auch 2016 wieder zu der „traditionellen“ Jahresendrally kommt, wird unter den Anlageprofis kontrovers diskutiert.

Privalor: Anlagealternativen fehlen unverändert

Peter Kugel von der Privalor AG zeigt sich optimistisch und geht davon aus, dass die Kurse bis zum Jahresende unter starken Schwankungen steigen. Für den DAX erwartet er 2016 einen Schlussstand von etwa 11.200 Punkten. Bezogen auf den Wahlausgang betont er, dass dieser Unsicherheitsfaktor nun endlich verschwunden ist. Anleger haben für die nächsten vier Jahre wieder eine feste Planungsgrundlage.

Davon abgesehen dürften aufgrund des anhaltenden Niedrigzinsumfelds zunehmend Umschichtungen von Zinsanlagen in Aktien vorgenommen werden. Selbst dann, wenn die Zinsen in den USA leicht angehoben werden. Größere Bremswirkung durch die Notenbanken fürchtet Kugel nicht: „Wir erwarten, dass die weitere Zinspolitik der Fed zurückhaltend bleibt und die europäische Notenbank weiter massiv an der expansiven Geldpolitik festhält.“ Ein weiterer Grund für eine mittelfristig steigende Nachfrage nach Aktien sieht Kugel in der laufenden Berichtssaison. Hier übertreffen derzeit die Unternehmen weitgehend die Erwartungen der Analysten.

Acatis Investment: US-Handelspartner bekommen Probleme

Hendrik Leber von der Acatis Investment GmbH beurteilt die Aussichten unter dem schwer einzuschätzenden, neuen US-Präsidenten zumindest mittelfristig eher skeptisch: „Die Situation ist ähnlich wie bei der Brexit-Entscheidung: Zunächst hohe Verunsicherung, aber erstmal kein sichtbarer Schaden. Auf den ersten Blick also eine positive Wirkung auf die US-Wirtschaft. Wegen der Größe der US-Wirtschaft könnten jedoch langfristig negative Auswirkungen auf Handelspartner der USA wie China, Japan, Deutschland entstehen. Diese werden erst später sichtbar, vielleicht in der zweiten Hälfte der Amtsperiode.“

Leber schätzt, dass die Kursaussichten ab 2017 global betrachtet ebenfalls negativ aussehen. Denn zu befürchtende größere Störungen des ökonomischen Friedens wären mit hohen Kosten für alle Beteiligten verbunden.

Hinkel & Cie. Vermögensverwaltung: Das Team um Trump ist entscheidend

Laut Marius Hoerner von der Hinkel & Cie. Vermögensverwaltung AG hängt die Entwicklung der Aktienkurse in den kommenden Wochen stark von den Erfolgen des neuen US-Präsidenten ab: „Kann Trump für die wichtigen Positionen Wirtschafts-, Finanz- und Außenpolitik interessante Kandidaten überzeugen, werden sich die Märkte erholen. Dann sind beim DAX Jahresschlusskurse im Bereich zwischen 11.300 Punkten und 11.600 Punkten wahrscheinlich. Verzichtet die Fed dazu auf die Zinserhöhung im Dezember, sind auch noch höhere Indexstände möglich. Eventuell wird dann sogar das Allzeithoch vom April 2015 bei rund 12.400 Punkten in Angriff genommen.“

Sollte Trump nicht in der Lage sein, geeignete Kandidaten zu präsentieren, werden die Märkte nach Ansicht des Vermögensverwalters schnell drehen und sich so entwickeln, wie es die Pessimisten im Vorfeld erwartet haben. Von Entwarnung kann seiner Meinung nach wegen der politischen Risiken jedenfalls noch keine Rede sein: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Märkte in den nächsten Tagen - wie direkt nach der Wahl - über Nacht noch mal fünf Prozent verlieren. Nur mit dem Unterschied, dass sie sich dann mit Sicherheit nicht im Laufe des Tages wieder erholen.“

Kolumne von Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifoli Financial Technlogies AG