Was passiert nach dem 7. Mai?

21.04.2017

Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International in Deutschland / Foto: © Fidelity International

Nach den jüngsten Umfragen, denen zufolge Jean-Luc Mélenchon in der Wählergunst deutlich zugelegt hat, ist die Nervosität der Märkte im Zusammenhang mit den Wahlen in Frankreich gestiegen. Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International in Deutschland, liefert seine Markteinschätzungen für zwei mögliche Szenarien:

Szenario 1: Möglicher Macron-Sieg beflügelt Europas Aktienmärkte

Wir halten es immer noch für am wahrscheinlichsten, dass Marine Le Pen von der extremen Rechten und der eher gemäßigte Emmanuel Macron in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen gegeneinander antreten werden. Bei einer solchen Konstellation dürfte Macron den Sieg davontragen – in Umfragen liegt er regelmäßig weit vor Le Pen, wenn gefragt wird, wem von beiden die Franzosen im zweiten Wahlgang ihre Stimme geben würden. Denn das System der zwei Wahlgänge stellt für die Kandidatin des Front National eine beträchtliche Hürde dar. Bei französischen Präsidentschaftswahlen liegt die Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang erfahrungsgemäß bei rund 80 Prozent. Das begünstigt den Kandidaten des sogenannten Medianwählers – also den Wähler, der genau in der Mitte der Gesellschaft steht. Das macht es unwahrscheinlich, dass Le Pen in letzter Minute großen Zulauf von Wählern erhält, die bei früheren Wahlen zu Hause geblieben waren. Das alles senkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Umfragen weit neben der Realität liegen und am Ende ein unerwarteter Ausgang steht, wie bei den US-Präsidentschaftswahlen und dem Brexit-Referendum. Ein Sieg Macrons ist positiv für die Börsen. Der Euro sollte steigen und der Renditeabstand zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen schrumpfen. Bisher haben französische Anleihen die Nervosität der Marktteilnehmer am meisten zu spüren bekommen, während der französische Aktienmarkt (CAC 40) von der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage profitiert und seit Jahresbeginn sogar um rund 10 Prozent zugelegt hat. Wir halten es dann auch für denkbar, dass die Kurse an den europäischen Aktienmärkten, ausgelöst durch eine Neubewertung vermeintlicher politischer Risiken durch die Marktteilnehmer, steigen. Insgesamt bin ich sehr zuversichtlich für europäische Aktien. Denn diese sind, gemessen an der fundamentalen Lage in Europa, den in der Breite positiven konjunkturellen Frühindikatoren sowie den gestiegenen Gewinnerwartungen der Unternehmen, derzeit unterbewertet. Im Vergleich dazu sind US-Aktien gegenwärtig um rund 20 Prozent höher bewertet.

Anleger sollten jedoch ihr Risiko diversifizieren, etwa über den Ausbau von Positionen in Anleihemärkten, die ein höheres Beta aufweisen und damit stärker mit dem Gesamtmarkt korrelieren. Beispiele dafür sind etwa „Hybrid“-Papiere – also Anleihen mit aktienähnlichen Eigenschaften – und Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern. Daneben könnte Gold höher gewichtet werden oder eine Long-Position im Yen aufgebaut werden. Die japanische Währung gilt gemeinhin als sicherer Hafen.

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