Warum US-Börsen weiter Kurspotenzial bieten

21.06.2016

Dr. Ulrich Stephan

Hohe Aktienrückkäufe und mögliche Währungsgewinne sprechen für US-Aktien. Besonders die Technologiebranche ist eine Überlegung wert, sagt Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.

(fw/rm) Unternehmen mit hoher Ertragskraft und relativ stabile Aktienkurse: Viele Anleger schätzen die USA als „sicheren Hafen“ in ihrem Aktienportfolio. Auch in den kommenden Monaten gibt es gute Gründe, die für ausgewählte Investments in US-Aktien sprechen.

Erster Grund: Niedrigzins stimuliert die Nachfrage

US-Aktien sind im historischen Vergleich kein Schnäppchen mehr. Aber gelten die herkömmlichen Bewertungskriterien angesichts der sehr niedrigen Zinsen noch? „Nicht zwingend“, sagt Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank: „Wenn mit Anleihen kaum mehr positive Renditen erzielt werden können, dann suchen sich Investoren andere, interessante Anlageklassen. Das stimuliert auch die Nachfrage am Aktienmarkt.“ Unternehmen im Aktienindex S&P 500 könnten im zweiten bis vierten Quartal 2016 ein kumuliertes Gewinnwachstum von rund 20 Prozent erreichen – das bedeutet weiteres Kurspotenzial für US-Aktien.

Zweiter Grund: Aktienrückkäufe auf Rekordniveau

2014 und 2015 haben US-Unternehmen insgesamt rund 1 Billion US-Dollar für Aktienrückkäufe ausgegeben. Kauft ein Unternehmen eigene Aktien auf, steigt dadurch der Gewinn je Aktie, was in der Regel zu höheren Kursen führt. Rückkäufe sind in den USA auch aus steuerlichen Gründen beliebter als Dividendenzahlungen, wenn es darum geht, die Aktionäre von der Liquidität des Unternehmens profitieren zu lassen. Angesichts von weiterhin gut gefüllten Unternehmenskassen haben Aktionäre in den USA auch 2016 die Chance auf hohe Rückkaufrenditen.

Dritter Grund: Unsicherheit in Europa

Für europäische Aktien könnte es ein unruhiger Sommer werden. Der mögliche Brexit und ungelöste strukturelle Probleme in einigen Peripheriestaaten sorgen für politische Unsicherheit, die Stimmung der Einkaufsmanager hat sich zuletzt eingetrübt. Auch der schwankungsanfällige deutsche Aktienmarkt könnte darunter leiden. Im Vergleich der Industrieländer spricht deshalb viel für den breit diversifizierten und erfahrungsgemäß weniger volatilen US-Aktienmarkt.

Vierter Grund: Comeback des US-Dollars erwartet

Im Frühjahr 2015 wurde der Höhenflug des US-Dollars jäh gestoppt, doch jetzt könnte sich der Aufschwung gegenüber dem Euro fortsetzen. Die Europäische Zentralbank wird wohl noch länger an ihrer Nullzinspolitik festhalten, ihr Inflationsziel von 2 Prozent liegt im Euroraum in weiter Ferne. Dagegen gibt es in der US-Wirtschaft Anzeichen für mehr Inflation, der Arbeitsmarkt entwickelt sich gut, und die Konjunktur dürfte im Jahresverlauf wieder mehr Fahrt aufnehmen. Selbst wenn die US-Notenbank ihren Leitzins erst im Dezember anhebt, sollten sich die Zinsunterschiede zwischen den USA und dem Euroraum vergrößern und den US-Dollar stärken. Die Deutsche Bank erwartet einen möglichen Euro-Dollar-Kurs von 1,05 zum Jahresende – damit dürfen Anleger aus dem Euroraum in den USA auf Währungsgewinne hoffen.

Fünfter Grund: Technologieaktien unterschätzt

Viele Anleger betrachten US-Technologiewerte inzwischen mit Skepsis: Die Technologiebörse Nasdaq verzeichnete zuletzt die höchsten Short-Positionen, sogenannte Wetten auf fallende Kurse, seit fünf Jahren. Deutsche-Bank-Experte Ulrich Stephan hält das für überzogen: „Ich sehe in US-Technologiewerten unterschätztes Potenzial. Sie sind im Vergleich zu anderen Marktsektoren nicht hoch bewertet und möglicherweise wird der Markt seine Short-Positionen in der Zukunft auflösen.“ Als antizyklisches Investment für Investoren mit entsprechender Risikobereitschaft können US-Technologieaktien daher interessant sein. Weniger aussichtsreich sind für Ulrich Stephan die zuletzt sehr gut gelaufenen Energieaktien – denn die Erwartungen vieler Investoren an einen weiteren Ölpreisanstieg scheinen zu hoch gegriffen. www.db.com