Vorsorge und Konsum – gibt es Gemeinsamkeiten?

26.11.2015

Jeder zweite Arbeitsplatz in der Verwaltung kann aus Kostengründen entfallen und jeder Fünfte im Vertrieb. Einige Branchen gehen den Weg in die Zukunft mit viel Herz für die Wünsche der Kunden.

2015-11-27 (fw/db) Was können die Assekuranz und die Banken als Finanzdienstleister von den Herstellern „greifbarer“ Konsumgüter lernen? Erstens haben die großen Konsumgüterhersteller die Krisen der Vergangenheit gemeistert. Zweitens reagieren sie mit angemessenen Strategien auf Preisdruck, Verdrängungswettbewerb und die zunehmende Digitalisierung. Das ist das Ergebnis der aktuellen Bain-Studie „Mit starken Marken gewinnen“.

Durch straffe Kostenkontrolle, mutige Fusionen und nachhaltige Eroberung neuer Märkte in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Konsumgüterbranche zukunftsfähig aufgestellt. Sie verteidigte ihre hohen Gewinnmargen und konnte diese zuletzt sogar auf bis zu 15 Prozent steigern. Mindestens ebenso vorausschauend und agil müssen die Konsumgüterhersteller aber auch in Zukunft handeln, denn die Anforderungen bleiben hoch.

„Fast jedes zweite Unternehmen, das vor 15 Jahren noch in den Top 20 der höchst bewerteten Konsumgüterhersteller war, ist heute aus diesem Leitindex verschwunden und diese Auslese wird sich fortsetzen“, sagt Miltiadis Athanassiou, Partner bei Bain & Company und Leiter der Praxisgruppe Konsumgüter und Handel im deutschsprachigen Raum.

Nachhaltige Wachstumsstrategie lohnt sich

Wer zu den Gewinnern von morgen gehören möchte, muss die Erfolgsrezepte der Vergangenheit weiterentwickeln, seine Ressourcen auf Top-Marken konzentrieren, die komplexen Lieferketten optimieren, zukunftsweisende Möglichkeiten, die die Digitalisierung eröffnet, antizipieren und in die Agilität seiner Mitarbeiterstrukturen investieren.

Die Top-Marken strahlen lassen

Die klassische Erfolgsformel ist die richtige Preisstrategie. In welchen Märkten lässt sich die Gewinnmarge der Top-Produkte durch höhere Preise steigern? Und wo muss der Preis sinken, um keine Marktanteile an die Konkurrenz zu verlieren? Viele Unternehmen unterschätzen, wie wichtig eine hohe Marktdurchdringung ist, um langfristig eine Top-Marke zu etablieren. Laut Bain-Studie gelingt es beispielsweise US-Unternehmen nur in 30 Prozent der untersuchten Kategorien, den Status ihrer drei Top-Marken zu verteidigen. Drei Kriterien erfolgskritisch: die Marke im Gedächtnis der Verbraucher zu verankern, die Kunden am richtigen Ort zur richtigen Zeit anzusprechen und die Ressourcen auf die Produkte mit dem größten Potenzial zu konzentrieren. Es ist für einen Markenhersteller kontraproduktiv, jährlich ein Dutzend Innovationen auf den Markt zu bringen, wenn der Kunde nur ein oder zwei davon pro Jahr kauft, und gleichzeitig traditionsreiche Top-Marken mangels Marketingbudget zu vernachlässigen.

Kosten senken – und zwar immer wieder

Die meisten Unternehmen haben bereits massiv gespart. Doch diese Anstrengungen reichen nicht aus. Denn viele einst gestrichene Ausgabenposten schleichen sich im Lauf der Jahre wieder in die Geschäftspläne. Nicht zuletzt wegen des zunehmenden Drucks seitens der Investoren fahren die bestgeführten Konsumgüterhersteller daher eine Kostendoppelstrategie. Sie prüfen jedes Jahr sowohl die Struktur ihrer Investitionen als auch deren Effektivität. Dadurch hat ein globaler Anbieter aus den USA entdeckt, dass mehr als die Hälfte seines über dem Branchenschnitt liegenden Marketingbudgets in ineffizienten Kampagnen versickert. Durch die Fokussierung auf weniger und höherwertigere Werbung sparte dieser Konzern viel Geld und konnte sich weitreichendere Marketingaktionen leisten.

Umbau und Erneuerung im Vertrieb und Vertriebswegen

Dieser Aufgabe sollten sich alle Vertreter der Branche regelmäßig stellen. Musterrechnungen zeigen, dass eine rundum erneuerte Lieferkette nicht nur spürbar die Kosten reduziert – oft um mehrere Prozentpunkte –, sondern gleichzeitig auch profitables Wachstum ermöglicht. Insbesondere zwei Fragen sind ein zweckmäßiger Selbsttest für jeden Konsumgüterhersteller: Verschafft mir die bestehende Lieferkette einen messbaren Wettbewerbsvorteil? Werden die wachstumsträchtigen Produkte an optimierten Standorten mit State-of-the-Art-Technologie gefertigt?

Ressourcen zukunftsfest machen

Selbst radikale technologische Innovationen werden Verbrauchsgüter wie Zahnpasta oder Bier nicht von heute auf morgen fundamental verändern. Allerdings werden sie das Geschäftsmodell der Konsumgüterhersteller in ein neues Zeitalter transformieren. Treiber dieser Entwicklung ist Big Data, sprich: die Nutzung gewaltiger Datenmengen. Die Unternehmen arbeiten bereits intensiv daran, Produkte und Wertschöpfungsketten zu verbessern. Digitale Vorabanalysen reduzieren Entwicklungskosten, optimieren Lieferrouten, Regalkapazitäten sowie Vorratsmanagement in Echtzeit und zeigen auf, wie sich die Verbraucher am effizientesten kontaktieren lassen. Noch ist der Onlinemarktanteil der meisten Verbrauchsgüter gering. Dies aber gilt nicht für alle Kategorien. So hat ein großer Lebensmittelhersteller herausgefunden, dass der Internethandel in einem bestimmten Produktsegment rasant wachsen wird. Allerdings war er auf diese explosionsartige Entwicklung nicht vorbereitet. Das Unternehmen bündelte alle Kräfte, um unter anderem Onlinekaufprozess und die Auffindbarkeit über Suchmaschinenoptimierung zu verbessern.

Aufbau agiler Teams mit persönlichem Kundenkontakt

Je schneller sich Märkte verändern, desto flexibler müssen die Unternehmen darauf reagieren können. Das bedeutet eine grundlegende Korrektur des bislang dominierenden Langfristansatzes. Statt wie bisher die Produktspezifikationen lange vor dem Markteintritt verbindlich festzulegen, müssen die Konzerne nun bereit sein, fortlaufend Änderungen vorzunehmen. Dies kann zum Beispiel mithilfe des Kundenfeedbacks erfolgen. Die Voraussetzung: Kleine, interdisziplinäre Abteilungen ersetzen die großen, unbeweglichen Produktentwicklungseinheiten. Diese agilen Einsatzteams suchen permanent den Kontakt zu Kunden wie Konsumenten – nicht nur am Anfang und am Ende der Produktentwicklung. Auf diese Weise kommen die Produkte nicht nur schneller auf den Markt, sondern haben auch eine deutlich größere Chance, den Kundengeschmack zu treffen.

So bleiben die Marken der Spezialisten stark

Konsumgüterhersteller rüsten sich für diese komplexen Herausforderungen, indem sie die Kosten im Blick behalten, Preise je nach Markterfordernis differenzieren, Lieferketten umbauen, das Marketing auf Top-Leistungen konzentrieren und gleichzeitig in die Hochleistungsdatenanalyse sowie agile Mitarbeiterteams investieren.

„Die Gewinner von morgen müssen ihre Arbeitsprozesse ständig überprüfen, um die richtigen Strategien für die neuen und sich schnell wandelnden Märkte zu entwickeln. Dann werden die großen Marken auch langfristig Erfolg haben“, rät Bain-Experte Athanassiou.

finanzwelt-Fazit: Obwohl die Studie eine andere Branche untersucht hat lässt sich für Banken und Versicherer eine Menge ableiten. Erstens sind nicht diejenigen welche Vertrieb und Vertriebswege verwalten oder verantworten wichtig, sondern diejenigen die den täglichen Kontakt zu Kunden haben. Zweitens ist die Digitalisierung eine Chance Kunden kennenzulernen, zu beobachten und zuzuhören. Drittens eine Marke ist nicht nur der Firmenname sondern die beste Leistung, Nutzen oder Mehrwert des Hauses. Letzteres können vor allem die Mitarbeiter sein, die von den Kunden als wichtige Partner wertgeschätzt werden und denen Kunden nachhaltig vertrauen.

Dietmar Braun