Volatilität zwischen Ukraine-Krise und EZB-Politik

22.04.2014

Thomas Wüst

Nach dem Genfer Abkommen zur Deeskalation in dem Ukraine-Konflikt war die Vorfreude auf ein friedliches Osterfest schnell verflogen. Unterschiedliche Interpretationen der überraschenden „Einigung" sorgten schnell wieder für neue Konfliktherde. Fast zeitgleich dazu machten am Osterwochenende Spekulationen die Runde, die EZB plane ein neues Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen, sollte die Inflation weiter zurückgehen. Aus dieser Gemengelage könnte sich nun für Anleger ein sehr interessantes Szenario ergeben.

Dazu lohnt ein Blick auf den VDAX, der die erwartete Volatilität der Marktteilnehmer wiedergibt, die in einer fiktiven DAX-Option mit einer Restlaufzeit von 45 Tagen eingepreist wird. Während des bisherigen Ukraine-Konflikts ist dieser Volatilitätsindex in Phasen erhöhter Unsicherheiten sprunghaft in Richtung der 20 Prozentmarke angestiegen. Bei Anzeichen einer Deeskalation ist er dagegen wieder deutlich zurückgegangen. Bei politischen Risiken, wie dem Ukraine-Konflikt, handelt es sich um ein systematisches Risiko, das den gesamten Aktienmarkt in seiner Breite betrifft. Aus dieser Erkenntnis kann der Anleger einen wichtigen Zusammenhang ableiten: Ein Anstieg des VDAX signalisiert den Eintritt oder die Zuspitzung eines systematischen Risikos, das zumindest kurzfristig zu einer erhöhten Risikoaversion der Anleger führt.

Ganz im Unterschied dazu bewirkte die unkonventionelle US-Notenbankpolitik zunächst das Gegenteil: Mit dem Start des „Quantitative Easing III"-Programms im September 2012 ist der VDAX deutlich zurückgegangen. Erst nach der Ankündigung Ben Bernankes im Mai 2013, aus diesem Programm sukzessive auszusteigen, ist der VDAX wieder über die 20 Prozentmarke gesprungen. Aus dieser Beobachtung lässt sich für den Anleger ebenfalls ein wichtiger Zusammenhang ableiten: Eine expansive Geldpolitik der Notenbanken, die die Märkte komfortabel mit Liquidität ausstattet, begünstigt den Rückgang von Volatilität auch an den Aktienmärkten.

Wenn es nun in der Eurozone ein Anleiheaufkaufprogramm durch die EZB nach amerikanischem Vorbild gäbe, käme es zu einer interessanten Konstellation: Dreht Mario Draghi den Geldhahn weiter auf, würde dies durchaus für ein generell niedrigeres Volatilitätsniveau sprechen. Durch den fortdauernden Ukraine-Konflikt, in dem leider weitere Eskalationen nicht ausgeschlossen werden können, dürfte der VDAX dagegen immer wieder sprunghaft ansteigen. Antizyklisch-orientierte Anleger könnten sich in einem solchen Umfeld positionieren: sie könnten dann zugreifen, wenn ein systematisches Risiko, wie die Eskalation eines politischen Konflikts dafür sorgt, dass Aktienanlagen in einem insgesamt aktionärsfreundlichen geldpolitischen Umfeld vorübergehend billiger werden.

Von einer erhöhten Volatilität profitieren auch Discount-Zertifikate. Gerade in Zeiten, in denen der VDAX sprunghaft ansteigt, lohnt zusätzlich ein Blick auf Papiere mit längerer Restlaufzeit, die dem Anleger dann bei hohem Risikopuffer eine vergleichsweise attraktive Rendite bieten.

Doch Vorsicht: Noch ist nicht sicher, ob die EZB ein Staatsanleiheaufkaufprogramm in die Tat umsetzen wird. Sollten sich die Inflationsraten wieder berappeln, dann wird es ein Quantitative Easing in der Eurozone vermutlich nicht geben. Vor dem Hintergrund, dass jedoch auch künftige Ereignisse wie die Europawahl und die Präsidentschaftswahl in der Ukraine am 25. Mai 2014 zu einem erhöhten Volatilitätsniveau führen könnten, lohnt es sich aber, den VDAX im Blick zu behalten.

(Autor: Thomas Wüst, Geschäftsführer Valorvest Vermögensverwaltung)