Unternehmen in Not

20.12.2022

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Eine verfehlte Stadt- und Landschaftsplanung macht den Klimawandel mit seinen Starkregen-Ereignissen nur noch schlimmer. Zerstörte Häuser – oft gegen Elementarschäden nicht richtig oder gar nicht versichert – sind die sichtbare Folge. Worüber selten gesprochen wird: Auch die Existenz ganzer Betriebe steht auf dem Spiel. Makler haben gerade gegenüber KMU viel aufzuklären.

Jeden Tag wird in Deutschland die Fläche von 90 Fußballfeldern zur Bebauung freigegeben. Bei Starkregen heißt das: Land unter. Welche Folgen das haben kann, ist in weiten Teilen Deutschland gerade in der letzten Flut in NRW und Rheinland-Pfalz erschreckend präsent geworden. Wasserwirtschaftler haben ein Zauberwort im Kampf gegen Starkregen: Schwammstadt.

Das ist die Zukunft – zumindest, wenn es nach Kay Joswig geht. Der Stratege der Berliner Wasserbetriebe wünscht sich, dass die Hauptstadt bald an viel mehr Stellen so oder so ähnlich aussieht. Denn die grünen Hausdächer und Betonmäuerchen sind ein Teil seiner Antwort auf eine zentrale Herausforderung aller Großstädte: Starkregen.

Nur schwer zu ertragen

Die zunehmende Versiegelung des Untergrunds verschärft das Problem: Statt an Ort und Stelle zu versickern, schießt das Wasser in die Gullys und lässt sie überlaufen. „Damit ist auch die beste Kanalisation überfordert“, sagt Joswig. Vor zehn Jahren sprach man bei solchen Ereignissen noch von außergewöhnlichen Ausnahmen. Doch das Bild ändert sich. Die Intervalle dazwischen sind zu kurz. „Die schrecklichen Folgen von Starkregen und Hochwasser in weiten Teilen Deutschlands berühren mich tief, sind erschütternd und in ihrem Ausmaß nur schwer zu ertragen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen. Betroffen sind nicht nur Privathaushalte – vernichtet wird auch Betriebsvermögen in Milliardenhöhe. Für so manches KMU bedeutet ein solches Starkregen-Ereignis schwerste finanzielle Konsequenzen bis hin zur Betriebsschließung. Sturm und Hagel führen nicht nur zu Sachbeschädigungen, die durch die entsprechende Gebäudeversicherung abgedeckt werden. Hier – wie auch bei Elementarschäden, beispielsweise durch Hochwasser – spielen Schäden durch Betriebsunterbrechung nach Angaben des Maklerunternehmens Ecclesia eine immer größere Rolle. Zerstört Hagelschlag die Module einer Photovoltaikanlage, schlägt der Betriebsausfall erheblich zu Buche. Denn die Kosten bleiben, der Ertrag fällt aus.

Durch die Wetterextreme kommt es nicht nur zu Sturmschäden. Die Hälfte aller Überschwemmungsschäden wird durch Starkregen verursacht, der versicherungstechnisch zu den erweiterten Elementargefahren gezählt wird und somit nur über eine Elementarschadenversicherung gedeckt werden kann. Diese Versicherungen sind aber längst nicht so weit verbreitet, wie man angesichts der zahlreichen „Jahrhunderthochwasser“ der vergangenen Jahre meinen sollte. 57 % der deutschen Wohngebäudebesitzer sind nicht dagegen versichert. Dies dürfte auch gerade für kleine Betriebe gelten. Was der GDV zu diesem Thema in den vergangenen Monaten veröffentlichte, gibt wenig Anlass zur Hoffnung. Insgesamt verzeichneten die Versicherer bei der genannten Hochwasser-Katatrophe 213.000 Schadenfälle, davon 40.000 beschädigte Kfz, 54.000 Versicherungsfälle in der Hausratversicherung, 91.000 beschädigte Wohngebäude und 28.000 Firmen, die durch die starken Regenfälle ab dem 14. Juli Sachschäden und Betriebsunterbrechungen meldeten.

Die rasche Aufeinanderfolge und Milliardenschäden machen deutlich: Deutschlands Städte und Dörfer brauchen neue Konzepte im Kampf gegen Starkregen. Wasserwirtschaftler wie Kay Joswig haben ein Zauberwort dafür: Schwammstadt. Anstatt unter den Regenfluten abzusaufen, sollen die Städte das Wasser speichern wie ein Schwamm und später langsam wieder abgeben. Darum die ummauerten Mulden im Rasen, in denen sich der Regen staut, bis er versickert. Darum die begrünten Dächer, in denen er aufgefangen und zurückgehalten wird und später langsam verdunsten kann. Die alten Strategien funktionieren nicht mehr. Dafür sind die Unwetter zu heftig. Die Schwammstadt ist eine radikale Abkehr von der Strategie, die jahrzehntelang in der Wasserwirtschaft vorherrschte. „Früher hat man versucht, Starkregen so schnell wie möglich über die Kanalisation abzuleiten“, sagt Wolfgang Günthert. Er ist Professor am Institut für Wasserwesen der Universität der Bundeswehr und ein renommierter Experte auf seinem Gebiet. „Heute hat man erkannt, dass das angesichts der Regenmengen, die bei besonders heftigen Unwettern vom Himmel fallen, nur mit gigantischem Aufwand möglich wäre. Wenn überhaupt.“ (hdm)