Technologiewerte: Überhitzungsgefahr?

10.08.2018

Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG / Foto: © Martina Draper

Die Hightech-Aktien glänzen in diesem Jahr erneut durch eine besonders starke Performance. TecDAX und Nasdaq 100 haben die Standard-Indizes weiter abhängen können. Beide Börsenbarometer liegen aktuell mit rund 15 Prozent im Plus und stehen kurz vor neuen Allzeithochs. Droht die Überhitzung?

Vom Allzeithoch ist zum Beispiel der DAX noch ein ganzes Stück entfernt. Im bisherigen Jahresverlauf notiert der deutsche Leitindex sogar knapp im Minus. Die Musik spielt woanders. Besonders eindrucksvoll ist die langfristige Entwicklung an der amerikanischen Hightech-Börse. Der Nasdaq 100 ist seit dem Einbruch 2008 jedes (!) Jahr gestiegen. In diesem Zeitraum haben sich die Kurse mehr als versiebenfacht, was einer jährlichen Durchschnittsrendite von mehr als 20 Prozent entspricht.

Starke Fokussierung auf „FAANG“ und „BAT“

Trotz, oder gerade wegen des langjährigen Höhenflugs, scheint die Euphorie der Anleger keine Grenzen zu kennen. Stärkere Rückschläge, wie es sie zuletzt vor allem bei der Facebook-Aktie gegeben hatte, werden umgehend zum Einstieg genutzt. Diese Strategie war in den vergangenen Jahren schließlich meist erfolgreich und der Mensch ist bekanntermaßen ein Gewohnheitstier. Ganz ungefährlich ist diese Entwicklung allerdings nicht. An der Börse passiert nämlich selten das, wovon die Mehrheit ausgeht.

Interessant ist vor diesem Hintergrund ein Ergebnis der jüngsten Fondsmanager-Umfrage von Bank of America/Merrill Lynch. Über 50 Prozent der Anlageprofis nennen bei der Frage nach dem „am meisten überlaufenen Trade“ die Spekulation auf steigende Kurse bei den „FAANG“- und „BAT“-Aktien. Das sind die gängigen Abkürzungen für Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Alphabet (Google) sowie Baidu, Alibaba und Tencent. Die Redakteure von „Wellenreiter Invest“ weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „praktisch alle Fondsmanager in diesem Sektor mit einem hohen Anteil investiert sind“, was bei einer Trendwende erheblichen „Schaden in den Portfolios anrichten würde“.

Chancen bei kleineren Hightech-Werten

Der wikifolio-Trader Vincent Soltau teilt diese Sorge nur ansatzweise: „Prinzipiell bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass der Tech-Sektor weiter überproportional an der Börse performt, würde hier aber nicht die großen „FAANG“-Aktien als Maßstab nehmen, da sie mir (bis auf Apple) von den Fundamentaldaten zu hoch bewertet sind bzw. diese in Zukunft nicht mehr rechtfertigen können“. Stattdessen favorisiert er „Tech-Nebenwerte aus gerade erst am Anfang stehenden Boombranchen mit hohem Wachstumspotenzial wie Cloud Services, Big Data (autonomes Fahren) oder Greentech.

Marius Rimmelin, der eines der bei Investoren beliebtesten wikifolios betreut, sieht kurz- bis mittelfristig auch die Gefahr, „dass einige heiß gelaufene Werte stärker in Mitleidenschaft gezogen werden könnten“. An eine generelle Trendwende mag er aber nicht glauben: „Da gerade die Tech-Werte immer wieder mit neuen Gewinnsteigerungen überraschen, wäre es verschenktes Potential nicht investiert zu sein“.

„Überholte Technologien verwendet kein Mensch“

Die ebenfalls bei wikifolio.com sehr aktive Ramona Seitenglanz sieht zwar eine gewisse Überhitzungsgefahr („jeder 9. Dollar, der in der Wallstreet investiert wurde, steckt in einer der fünf großen Technologieaktien“), bewertet die Aussichten des Sektors allgemein aber weiter positiv. Dabei verweist sie vor allem auf die Zukunftschancen neuer Technologien wie die Künstliche Intelligenz im Zusammenhang mit der Steuerung und Vernetzung von Robotern oder die Blockchain-Technologie.

Das spiegelt sich ihrer Meinung nach auch an den Aktienkursen wider: „Überholte Technologien verwendet kein Mensch und damit werden auch die entsprechenden Aktien uninteressant. Das kann sehr schnell gehen, wie man bei Blackberry und Nokia gesehen hat“. Im Gegenzug komme man an den Großkonzernen Google, Microsoft, Amazon und Co. kaum vorbei, „da viele erfolgreiche kleinere Unternehmen, noch bevor sie an die Börse kommen, bereits von diesen Big Playern aufgekauft werden“.

Kolumne von Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG