Tax Compliance für Finanzberater

18.01.2022

Steuerberater Matthias Gehlen, WWS Wirtz, Walter, Schmitz GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft / Foto: © Matthias Gehlen

Die korrekte Erfüllung sämtlicher steuerlicher Pflichten im Unternehmen ist Teil der allgemeinen Compliance. Ein Tax Compliance Management-System kann daher Unternehmer und Geschäftsleiter vor dem Vorwurf eines bewussten oder leichtfertigen steuerlichen Fehlverhaltens schützen.

Es ist nicht so, als würden die Zeiten für Unternehmer einfacher werden, im Gegenteil. Unternehmen beklagen seit vielen Jahren eine stetig zunehmende Regulierungswut, die inzwischen jeden Unternehmensbereich durchdringt. Das betrifft Vermögensverwalter und Finanzberater genauso wie jeden anderen Unternehmer. Auch sie müssen mit den grundverschiedenen steuerlichen Pflichten über alle Steuerarten hinweg umgehen und dürfen sich nichts zu Schulden kommen lassen, wollen sie sich keinen möglicherweise gravierenden, strafrechtlich relevanten Regelverstößen im Sinne der steuerlichen Compliance aussetzen.

Denn das Risiko dafür steigt kontinuierlich und ruft damit auch das Schreckgespenst des persönlichen Haftungsrisikos für Unternehmer und Geschäftsleiter hervor. Verschärfte rechtliche Rahmenbedingungen durch Gesetzgebung und Rechtsprechung, eine immer restriktivere Vorgehensweise der Finanzverwaltung, die voranschreitende Digitalisierung sowie steigende Dokumentationserfordernisse in Bezug auf steuerliche Prozesse stellen die gesetzlichen Vertreter eines Unternehmens vor große Herausforderungen.

Weder Unwissen noch Rechenfehler schützen vor Strafe

Das gilt beispielsweise für möglicherweise gravierende, strafrechtlich relevante Regelverstöße im Sinne des steuerlichen Wohlverhaltens, also der Tax Compliance. Der Gesetzgeber zeigt regelmäßig, dass er Verstöße gegen die Abgabenordnung in jederlei Hinsicht drastisch sanktioniert, auch wenn diese Fehler unabsichtlich durch Kommunikationslücken und Handhabungsfehler passiert sind.

Weder Unwissen noch Rechenfehler schützen vor Strafe. Mitunter eingeleitete Verfahren gründen jedoch nicht nur auf Vorschriften des Steuerstrafrechts und der steuer- und zivilrechtlichen Haftung. Vielmehr stellt auch die Vermeidung des Vorwurfs der Aufsichtspflichtverletzung im Sinne von § 130 OWiG ein zentrales Problemfeld dar. Eine explizite Entschärfung für diese zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiken wurde vor einigen Jahren unter der Überschrift „Zu § 153 AO – Berichtigung von Erklärungen“ als Ergänzung zur Abgabenordnung eingeführt. Danach kann ein sogenanntes Tax Compliance Management-System (kurz: Tax CMS) produktive Wirkung entfalten.

Verfahren auf der Grundlage steuerlicher Vorschriften und der zivilrechtlichen Haftung

Der Hintergrund: Die korrekte Erfüllung steuerlicher Pflichten wird als Teil der allgemeinen Compliance verstanden. Die Neigung von Betriebsprüfern, mitunter bereits geringfügige Fehler beim umsatzsteuerlichen Handling und der Deklaration an die Straf- und Bußgeldstelle weiterzugeben, erhöht das Risiko, dass Ordnungswidrigkeits- oder gar Steuerstrafverfahren eingeleitet werden. Dabei drohen weitreichende Verfahren auf der Grundlage steuerlicher Vorschriften und der zivilrechtlichen Haftung.

Der 2016 hinzugefügte Passus im Anwendungserlass zur Abgabenordnung nun besagt, dass ein innerbetriebliches Kontrollsystem (IKS) in Form eines Tax CMS zur Erfüllung von steuerlichen Pflichten ein Unternehmen und dessen Organe und Führungskräfte vor dem Vorwurf (und den möglicherweise daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen) eines bewussten oder leichtfertigen steuerlichen Fehlverhaltens schützen kann.

Das bedeutet konkret in der Praxis: Passiert im Unternehmen eines Vermögensverwalters oder Finanzberaters ein steuerlicher Fehler und fällt dieser bei einer Betriebsprüfung auf, muss durch ein erwiesenes und funktionsfähiges Tax Compliance Management-System natürlich der entstandene Steuerschaden ausgeglichen werden. Aber eben nicht mehr: Es kommt durch die starke Indizwirkung des eingerichteten Tax CMS regelmäßig nicht zu weiteren Untersuchungen oder sogar Verfolgungen durch die Behörden. Damit entsteht aus dem Steuerschaden aufgrund der Schutzfunktion des Tax Compliance Management-Systems kein persönlicher Haftungsschaden für die Unternehmensleitung.

Vielzahl von fiskalischen Sachverhalten überwachen

Aber wie muss ein Tax CMS nun aussehen, um in der Praxis Bestand zu haben? Das System implementiert Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen zur organisatorischen Umsetzung und Einhaltung aller steuerlichen Pflichten. Dabei muss das Tax CMS den Bedürfnissen eines Unternehmens genügen und sollte vor dem Hintergrund der individuellen steuerlichen Risikobereiche angepasst und ergänzt werden.

Dies sichert Unternehmen ab, die aufgrund der Dynamik in der steuerlichen Gesetzgebung und der Internationalisierung vieler Sachverhalte eine Vielzahl von fiskalischen Sachverhalten überwachen müssen. Dazu gehören unter anderem die Erfassung und Bewertung aller steuerlichen Risiken hinsichtlich der steuerlichen Ziele des Unternehmens genauso wie die der Unternehmensgröße angemessene Strukturierung aller steuerlichen Anforderungen, die adäquate Dokumentation und Übernahme von Aufgaben, Verantwortlichkeiten sowie die zeitnahe Identifikation steuerlicher Anpassungen und die entsprechende Implementierung neuer Prozessschritte zur Erfüllung dieser Vorgaben. Wichtig sind dabei auch die Optimierung von Kontrollen, Handlungsanweisungen, die Erstellung individueller Arbeitshilfen, die entsprechende Dokumentation und die Mitarbeiterfortbildung.

Gastbeitrag von Matthias Gehlen, Steuerberater bei WWS, Wirtz, Walter, Schmitz GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft