„Taktische Chancen aus der gesicherten Defensive“: Weltwirtschaft und Finanzmärkte 2016

13.12.2015

Die Weltwirtschaft bleibt vorerst fragil. Wichtige Stützen der globalen Konjunktur zeigen sich derzeit in keiner guten Verfassung. Auch wenn sich die wirtschaftliche Dynamik Chinas auf niedrigem Niveau stabilisieren könnte, verschwinden die strukturellen Schwierigkeiten der Schwellenländer nicht über Nacht.

Dass die Wirtschaft in den USA weiterhin robust wächst, ist ebenfalls keinesfalls ausgemacht. „Die langjährigen Wachstumstreiber fallen als Impulsgeber für 2016 damit weitgehend aus, und das anhaltend magere Wachstum im Euroraum bietet keine hinreichende Kompensation“, fasst Axel Angermann, Chef-Volkswirt von FERI, die Beurteilung der konjunkturellen Lage zusammen.

Weil von der Konjunkturseite kaum Rückenwind für die Aktienmärkte zu erwarten ist, steht weiterhin die Politik der Notenbanken im Fokus der Aufmerksamkeit. Dank offener Geldschleusen könnte es an den Börsen erst einmal eine ganze Weile freundlich bleiben. Im Hintergrund bauen sich allerdings immer mehr Risiken auf: Trotz extrem niedriger Zinsen und massiven Anleihekäufen ist es den Notenbanken bislang nicht gelungen, ihre Ziele zu erreichen. „Mittlerweile steht die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik auf dem Spiel. Das Versprechen der Notenbanken, globale Strukturkrisen durch monetäre Aufputschmittel zu lösen, kann nicht gehalten werden“, sagt Dr. Heinz-Werner Rapp, Chief Investment Officer der FERI Gruppe. Verlieren die Marktteilnehmer den Glauben an die Notenbanken, könnte es 2016 auch zu einem Absturz der Finanzmärkte kommen. „Anleger sollten 2016 das blinde Vertrauen in die Notenbanken kritisch hinterfragen und auf negative Überraschungen vorbereitet sein“, fasst Rapp das Szenario zusammen.

Die FERI-Anlagestrategie bleibt zu Beginn des Jahres 2016 leicht defensiv und trägt damit den gesamtwirtschaftlichen, politischen und Zinsrisiken Rechnung. Aus der gesicherten Defensive sei man jederzeit in der Lage, taktisch auf Chancen zu reagieren. „Wir behalten die weitere Entwicklung in China genau im Blick. Eine sichtbare Erholung dort im Jahresverlauf würde positives Potential für diverse Märkte mit China-Sensitivität eröffnen“, erklärt Rapp. Wichtig sei auch, die Folgen der Zinswende in den USA richtig einzuschätzen. „Die Ankündigung der FED, die Zinsen zu erhöhen, soll den Märkten signalisieren, dass die Stärke der US-Wirtschaft hinreichend ist und auch die anderen Ziele der FED in Reichweite sind. Doch derzeit ist ein solches Signal nicht wirklich glaubwürdig. Für eine echte Zinswende müssten 2016 weitere Zinsschritte schnell aufeinander folgen. Damit rechnen wir nicht“, formuliert Angermann die Einschätzung der Geldpolitik in den USA.

Investoren müssen sich im Jahr 2016 auch auf neue Einfluss- und Störfaktoren einstellen. Insbesondere politische Themen werden eine größere Rolle spielen. Die Gefahr einer weiteren Eskalation der Konflikte im mittleren Osten und die Bedrohung durch grenzüberschreitenden Terrorismus müssen im Blick behalten werden. In den USA läuft 2016 der Präsidentschaftswahlkampf mit derzeit noch ungewissem Ausgang. In Europa würde ein Votum der Briten für ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU zu erheblicher Unsicherheit führen. Ein solcher „Brexit“ würde nach Ansicht von FERI nicht nur den Wirtschaftsstandort Großbritannien treffen, sondern auch die Statik der gesamten EU in Mitleidenschaft ziehen. Der politische Rechtsruck in Frankreich dürfte sich auf die notwendige Anpassung des institutionellen Gefüges in der EU und im Euroraum ebenfalls negativ auswirken. „Die Wahrscheinlichkeit, dass Frankreich endlich dringend notwendige Strukturreformen vorantreibt, ist dadurch nicht größer geworden – genau das wäre aber eine Grundvoraussetzung für die politische Weiterentwicklung der Währungsunion und damit auch für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung im Euroraum“, führt Angermann die FERI-Position aus. „Diese ungewöhnliche Häufung geopolitischer Aspekte schafft 2016 zusätzliches Potential für negative Überraschungseffekte an den Finanzmärkten“, betont Rapp.

Autor: fasst Axel Angermann, Chef-Volkswirt von FERI