Risiken rechtzeitig ausweichen

18.07.2013

Jörg Ambrosius

**Die Versicherungswirtschaft befindet sich in einer Phase veränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen, zunehmender Dynamik der Kapitalmärkte sowie schärfer werdender Wettbewerbsverhältnisse. finanzwelt sprach hierzu mit **Jörg Ambrosius, Deutschlandchef des Finanzdienstleisters State Street.

finanzwelt: Ihre weltweite Erhebung zu den Kernproblemen der Versicherungswirtschaft fördert einige Erkenntnisse zutage. Risikomanagement und die rechtzeitige Einstellung auf neue EU-weite Regularien (Solvency II) gehören ganz entscheidend dazu. Hat Sie das in diesem Ausmaß überrascht?

Ambrosius: Es ist natürlich klar, dass Regulierungsfragen ein großes Thema für Versicherer sind – da passt es ins Bild, dass fast ein Drittel der befragten Unternehmen in der Anpassung an den sich ändernden aufsichtsrechtlichen Rahmen eine Herausforderung sehen. Und noch etwas wird deutlich: Durch den Vorstoß in neue Märkte und Anlageklassen müssen sich Versicherer, die ja traditionell ihre Kernkompetenz im Risikomanagement sehen, heute auch mit ganz neuen Formen von Risiko auseinandersetzen. Vier von fünf Unternehmen erwägen einen höheren Anteil an alternativen Vermögensanlagen in ihren Portfolios, für fast die Hälfte ist dies sogar eine Priorität auf Sicht der nächsten 12 Monate. Dabei ist ihnen durchaus bewusst, dass sie neue Kompetenzen und Risikomodelle benötigen, um in solch komplexere Anlageklassen zu investieren.

finanzwelt: Wie erleben Sie die derzeitige Stimmung in der Versicherungswirtschaft? Inwieweit wird sie Ihrer Meinung nach durch die Einführung von Solvency II beeinflusst?

Ambrosius: Die Versicherer sind erstaunlich zuversichtlich. 42 Prozent der befragten Unternehmen gehen von einer steigenden Profitabilität der Branche in den kommenden fünf Jahren aus. Die Anzahl der Optimisten unter den Befragten war doppelt so groß wie die der Pessimisten. Vorstöße wie Solvency II werden die Stimmung in der Branche zwar beeinflussen, insgesamt schaut die Assekuranz aber zuversichtlich in die Zukunft. Die Branche hat ein klares Bild von den zukünftigen Herausforderungen und ist entschlossen, diese zu meistern. Dazu gehören auch Überlegungen, durch Outsourcing Fixkosten in variable Kosten zu wandeln und dadurch flexibler zu werden.

finanzwelt: Inwiefern wird Ihrer Einsicht nach die Einführung von Solvency II das Kapitalanlageverhalten der Versicherungsunternehmen beeinflussen?

Ambrosius: Solvency II kann einen positiven Beitrag zur Stärkung des Risikomanagements in der Versicherungsbranche leis ten. Die Richtlinie bewirkt zugleich, dass sich viele Häuser verstärkt mit der Datenverwaltung und Risikoanalyse im Bereich Kapitalanlage beschäftigen. Versicherer arbeiten daran, ihr gesamtes Risikoexposure besser und schneller zu verstehen und Risiko-Rendite-Profile zu optimieren.

finanzwelt: Sie argumentieren, dass sich die Branche auch andere Vertriebs- und Kommunikationsmodelle überlegen muss, um auf die veränderten Anforderungen der Kunden zu reagieren. Was schwebt Ihnen konkret vor? Können kleinere Versicherungsunternehmen diesbezüglich mithalten?

Ambrosius: Zielkundengruppen und deren Konsumverhalten ändern sich mit der Zeit: Das bietet Anbietern die Chance, Produkte und Vertriebskanäle zu optimieren. So sind jüngere Kundengruppen meist technikaffiner, so dass viele Versicherer neue Produkte entwickeln, die über digitale Medien vertrieben werden können. Die ständige Überprüfung und Erweiterung der eigenen Produktpalette ist für knapp 30 Prozent der befragten Unternehmen rund um den Globus die entscheidende Stellschraube im Wettbewerb. Dabei haben kleinere Anbieter nicht zwingend einen Nachteil. Um sich langfristig am Markt zu behaupten, ist es ganz entscheidend, den eigenen Ansatz immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und innovativ zu bleiben.

Das Interview führte Alexander Heftrich

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