Stehen Lokalwährungsanleihen aus Emerging Markets vor einem Comeback?

22.05.2016

Kommer van Trigt

Bei Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern war lange Zeit Vorsicht angeraten. Doch mittlerweile beurteilt der Investmentmanager Robeco das Segment optimistischer: attraktive Bewertungen, erste Anzeichen, dass per Saldo wieder Mittel in die Anlageklasse fließen, und verbesserte Fundamentaldaten in der letzten Zeit.

Schon seit Jahren stehen Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern massiv unter Druck. Die Wachstumsverlangsamung in China wurde in den oft stark von den Rohstoffpreisen abhängigen Emerging Markets am stärksten spürbar. Eine sich abzeichnende Serie von Zinserhöhungen durch die US-Notenbank Fed wirkte ebenfalls belastend auf diese Länder, vor allem auf ihre Wechselkurse gegenüber dem US-Dollar. Mehrere Jahre mit unterdurchschnittlicher Performance verhalfen der Anlageklasse zu einem immer attraktiveren Bewertungsniveau. Doch kontinuierliche Mittelabflüsse verbunden mit sich verschlechternden Fundamentaldaten hielten uns davon ab, uns wieder in diesem Marktsegment zu positionieren. Was hat sich nun geändert? Zurückhaltung bei US-Zinserhöhungen, weniger Sorgen um harte Landung in China Erstens ist die Fed in Bezug auf weitere Zinserhöhungen viel zurückhaltender geworden. Sie hat ihre Wachstumsprognose nach unten korrigiert und betont die globalen Risiken, denen ihr Wachstums- und Inflationsausblick ausgesetzt ist. Das heißt: Weitere Zinserhöhungen wird es – wenn überhaupt – nur in sehr kleinen Schritten geben. Dies dürfte die kräftige Aufwertung des US-Dollars gegenüber Schwellenländerwährungen beenden und Anleger möglicherweise an den Markt zurückbringen. Zweitens haben die Befürchtungen über eine unmittelbar bevorstehende harte Landung in China nachgelassen, da die Pekinger Regierung ihren Fokus von einer Neuausrichtung der Wirtschaft wieder auf die Wachstumsförderung gerichtet hat. Diese Kursänderung hat zu einer deutlichen Erholung des chinesischen Immobilienmarkts beigetragen; parallel dazu ist auch die Nachfrage nach Rohstoffen wieder gestiegen. Zudem hat sich das Risiko einer einmaligen, starken Abwertung des Renminbi abgeschwächt. Der Grund: Es fließen zwar weiter Mittel ab, aber mit moderaterem Tempo. Tatsächlich verfolgt Chinas Notenbank (PBOC) eine Politik, mit der die geldpolitischen Rahmenbedingungen gelockert und gleichzeitig gegen „Spekulanten” vorgegangen werden soll, die den Renminbi für Leerverkäufe verwenden. Nachholpotenzial bei Anlegern Zudem sehen wir erste Anzeichen dafür, dass Notenbanken – vor allem in lateinamerikanischen Ländern wie Kolumbien, Peru und Mexiko – eine umsichtige makroökonomische Politik betreiben und ihre Leitzinsen erhöhen, um einer zunehmenden Inflation infolge steigender Importpreise entgegenzuwirken – auch wenn dadurch das Wirtschaftswachstum gebremst wird. Und schließlich machen Umfragen unter Anlegern deutlich, dass diese in Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern nach jahrelanger unterdurchschnittlicher Performance und nach Mittelabflüssen unterinvestiert sind. Mittlerweile jedoch existieren erste Hinweise, dass inzwischen per Saldo wieder Geld in diese Anlageklasse fließt. Von einem technischen Standpunkt aus betrachtet, ist dies ermutigend. Trotz dieser positiven Signale, die allesamt für ein Investment in die Anlageklasse sprechen, sind wir uns der weiterhin bestehenden erheblichen Risiken bewusst. In erster Linie betrifft dies China: Die PBOC geht zwar effektiv mit den kurzfristigen Herausforderungen infolge der Wachstumsverlangsamung um. Die beiden großen Probleme – hohe Verschuldung der Unternehmen und anhaltende Überkapazitäten staatseigener Unternehmen – sind jedoch noch ungelöst, und durch die Kreditpolitik der Regierung nimmt die Verschuldung in der Wirtschaft weiter zu. Die Bewältigung dieser Probleme dürfte mit schmerzhaften strukturellen Veränderungen einhergehen. Eine weitere Risikoquelle ist die Anfälligkeit der Schwellenländer für externe Schocks. Dazu zählt insbesondere ein plötzlich erneut an Stärke gewinnender US-Dollar, falls die Fed früher als von den Märkten erwartet zu einer weiteren Zinserhöhung gezwungen wird. Für Kommer van Trigt und sein Team sind zudem drei weitere Themen aktuell von zentraler Bedeutung: 1. Das Wachstum hängt vom Konsum ab Die globalen makroökonomischen Rahmenbedingungen sind fragil. Das Wirtschaftswachstum hängt weitgehend von der Konsumbereitschaft der Verbraucher ab; denn die öffentliche Hand und der Unternehmenssektor sind kaum zu mehr Ausgaben bereit, und die Lagerbestände sind bereits hoch. Ohne Signale, die auf Lohn- und Gehaltssteigerungen sowie eine Erhöhung der Sparquote hinweisen, sind steigende Verbrauchsausgaben allerdings unwahrscheinlich. Deshalb bleiben wir bei unserem Szenario mit langsamem Wachstum und niedriger Inflation. In diesem Umfeld erscheint eine baldige Verkaufswelle am Rentenmarkt unwahrscheinlich. Das Zinsänderungsrisiko in den Portfolios ist tendenziell auf länger laufende Anleihen konzentriert. 2. Bei Unternehmensanleihen besser selektiv vorgehen: Der Schwerpunkt bleibt bei Europa und nachrangigen Papieren aus dem Finanzsektor Die US-Wirtschaft befindet sich in einem weiter fortgeschrittenen Stadium als die europäische. Dies zeigt sich auch in höheren bilanziellen Risiken für US-Unternehmen. In Europa sieht die Lage noch etwas anders aus, auch wenn Unternehmen das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank vielleicht nutzen werden, um mehr Fremdkapital aufzunehmen. Nachrangige Papiere aus dem Finanzsektor sind nach wie vor unsere Favoriten. Strengere Regulierungsvorschriften führen zu mehr Transparenz und bewirken, dass in dem Sektor weniger Risiken eingegangen werden. Aus Sicht von Anleiheinhabern ist diese Entwicklung zu begrüßen. Die Auswahl der Emittenten in der Kategorie ist nach wie vor von zentraler Bedeutung. Wir bevorzugen Banken, die bereits solide Eigenkapitalquoten aufweisen, und solche, deren Eigenkapitalausstattung erkennbar besser wird. 3. Wachsende Vorsicht gegenüber Staatsanleihen aus EU-Peripherieländern Für Staatsanleihen aus den EU-Peripherieländern erwarten wir eine unterdurchschnittliche Performance. Das Bewertungsniveau wirkt angesichts der sich verschlechternden Fundamentaldaten angespannt. Zudem nimmt die politische Unsicherheit zu, wie ein Blick nach Spanien und Irland zeigt. Griechenlands politische Führung und die Minderheitsregierung in Portugal stellen die Forderungen staatlicher und supranationaler Geldgeber öffentlich in Frage. Bei der Positionierung an diesen Märkten stehen langlaufende Anleihen immer noch im Vordergrund.

Autor: Kommer van Trigt Leiter des Global Fixed Income Macro Teams bei Robeco