So gehen Anlageprofis mit der „Sell-in-May“-Regel um

09.05.2016

Andreas Kern

Nachdem der April seinem Ruf als einer der besten Börsenmonate wieder einmal gerecht geworden ist, rückt nun die alte Börsenweisheit „Sell in May and go away, but remember to come back in September“ in den Fokus der Marktteilnehmer.

Hinter dieser Regel verbirgt sich die Erkenntnis, dass sich die Kurse an den Aktienmärkten in den Sommermonaten im langjährigen Durchschnitt wesentlich schlechter entwickeln als im restlichen Jahr. Wird das auch 2016 wieder der Fall sein oder kommt es diesmal zu der berühmten Ausnahme von der Regel? Die auf wikifolio.com aktiven Vermögensverwalter haben zu dieser viel diskutierten Statistik eine klare Meinung: Auffälligkeiten bei den Kursverläufen werden registriert, aber aktuelle Investitionsentscheidungen werden daraus nicht abgeleitet. Saisonale Strategien sind nur langfristig sinnvoll Den wohl wichtigsten Grund, Börsenweisheiten bei Anlageentscheidungen nicht grundsätzlich zu vertrauen, erläutert Gottfried Urban, Vorstand des renommierten Vermögensverwalters Bayerische Vermögen AG: „Es gibt tatsächlich Weisheiten, die man sich gut merken sollte und die für jeden einfach nachvollziehbar und verständlich sind. Das gilt aber nicht für alle. So ist seiner Ansicht nach auch bei der „Sell-in-May“-Regel Vorsicht geboten: „Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Monate Juni bis August schlechter laufen als die übrigen Monate aufgrund der historischen Kursmuster hoch ist: Wenn das zwei oder drei Jahre nacheinander nicht funktioniert, kann das teuer werden.“ Wer sich dieser Saisonstrategie verschrieben hat, so Gottfried Urban, der müsse sie über zehn Jahre und mehr durchhalten. Im Übrigen wäre es historisch gesehen besser, nur den August und September auszulassen und für den Rest des Jahres investiert zu sein. Es müsste also eher heißen: „Verkaufe Ende Juli und kaufe Anfang Oktober wieder ein.“ In diesem Jahr könnte aber auch das die falsche Strategie sein, analysiert der Anlageprofi: „Die Stimmung an den Märkten hängt nach wie vor in einem Tief. In Verbindung mit der Geldpolitik werden wir positive Überraschungen erleben. 2016 ist kein typisches Börsenjahr. Normalerweise sind die kalten Monate die guten Börsenmonate. Wenn das in diesem Jahr die Ausnahme ist, könnten Sommer und Herbst entgegen der Regel sehr gut werden.“ Brexit-Abstimmung als potenzieller Risikofaktor Stephan Albrech, Vorstand bei Albrech & Cie Vermögensverwaltung AG, schätzt die aktuelle Lage nicht ganz so optimistisch ein. Er begründet das aber nicht mit saisonalen Einflüssen, sondern anstehenden politischen Entscheidungen: „Wir bereiten uns darauf vor, dass durch die im Juni anstehende Brexit-Abstimmung die Börsenweisheit ‚sell in may and go away‘ in diesem Jahr tatsächlich zutreffen könnte. Grundsätzlich halten wir aber weniger von den immer wieder gerne zitierten Börsenregeln.“ Es gäbe tatsächlich saisonale Effekte wie zum Beispiel ein schwaches Handelsvolumen in den Sommermonaten oder einen zeitweisen Rückzug der Anleger nach Dividendenzahlungen, so Albrech. „Wir orientieren uns jedoch generell an den fundamentalen Rahmenbedingungen und treffen danach unsere Investmententscheidungen. Seit Herbst 2013 stellen institutionelle Finanzmarktexperten ihre Handelsstrategien auf wikifolio.com einem breiten Anlegerpublikum zur Verfügung. Bereits knapp zehn Prozent der deutschen Vermögensverwalter nutzen die Transparenz der Plattform, um neue Kundengruppen zu erreichen. Sie haben bislang 87 wikifolios veröffentlicht. 78 Prozent der von Vermögensverwaltern in investierbaren wikifolios geführten Strategien haben 2014 einen höheren Ertrag erzielt als die Benchmark (DAX). www.wikifolio.com