Sarasin: Kehrtwende in Chinas Geldpolitik

07.02.2013

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Die ganze Welt starrt gebannt auf die Schuldenkrise im Euroland und darauf, wie die Europäische Zentralbank damit umgeht. Die Geldpolitik in China genießt hingegen nurwenig Aufmerksamkeit, obwohl sich auch dort eine Veränderung anbahnt. Ein Kommentar von Dr. Alessandro Bee, Ökonom bei der Bank Sarasin & Cie AG.

(fw/ah) "In China verdichten sich die Hinweise, dass sich das Wirtschaftswachstum markant abgeflacht hat. Das chinesische Wirtschaftsvertrauen musste im November einen herben Rückschlag hinnehmen und zeigt nun an, dass eine Mehrheit der Unternehmen pessimistisch in die Zukunft blickt. Ein wichtiger Grund für die schwindende Zuversicht liegt in der Beurteilung der Exportmöglichkeiten. Das jährliche Exportwachstum Chinas ist im November deutlich zurückgegangen. Das ist ein klares Zeichen, dass auch Chinas Exporte von der globalen Durststrecke betroffen sind. Nicht nur das Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt, auch der Preisauftrieb hat sich abgeschwächt. Chinas Konsumentenpreise sind im Sommer noch mit einer Rate von über sechs Prozent gestiegen. Getrieben wurde die Inflation von einem scharfen Anstieg in den Nahrungsmittelpreisen. Eine Stabilisierung in den globalen Nahrungsmittelpreisen hat nun dazu geführt, dass auch die Inflation in den letzten beiden Monaten stark zurückgegangen ist. Die Verlangsamung in der Wirtschaftsaktivität und im Preisauftrieb dürfte sich im nächsten Jahr fortsetzen. Mit einem bescheidenen globalen Wirtschaftswachstum im Jahr 2012 werden die chinesischen Exporte weiterhin unter Druck bleiben. Gleichzeitig dürfte aber der verhaltene Wirtschaftsausblick die Rohstoffpreise im Zaum halten, so dass mit einem weiteren Rückgang der Inflation zu rechnen ist. Die chinesische Führung hat auf diese veränderte Ausgangslage reagiert. Während sie für das Jahr 2011 die Währung der Preisstabilität als oberste Priorität nannte, steht für das Jahr 2012 stabiles und robustes Wirtschaftswachstum im Mittelpunkt. Mit dieser Vorgabe aus der Politik wird die chinesische Zentralbank zu einer Kehrtwende ansetzen. Die People’s Bank of China hat denn auch vor einigen Tagen die Geldpolitik ein erstes Mal gelockert und den Reservesatz für Banken um 0,5 Prozent gesenkt, nachdem sie seit Anfang 2010 die Geldpolitik zunehmend restriktiver gehandhabt hatte. China hat sich mit graduellen Zinsanhebungen in den letzten zwei Jahren einen gewissen geldpolitischen Freiraum geschaffen, welchen das Land heute ausnutzen kann. Mit einer raschen Lockerung der Geldpolitik dürfte es China gelingen, den Abwärtstrend im Wirtschaftswachstum im Verlauf des ersten Halbjahres 2012 zu brechen. Angesichts der wachsenden Bedeutung der chinesischen Wirtschaft für die globale Konjunktur ist die geldpolitische Kehrtwende in China ein gutes Zeichen für das Jahr 2012, auch wenn dies derzeit im Strom von Negativmeldungen zur europäischen Schuldenkrise nur am Rande wahrgenommen wird."

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