„Ruf gegen Story“

26.03.2013

Foto: © JohanSwanepoel - Fotolia.com

Wer Afrika hört, assoziiert damit oft Elend, Hunger und Krieg. Diese Vorstellung weicht einer sich positiv verändernden Realität. Denn es gibt sie, die guten Nachrichten. Viele Volkswirtschaften boomen, die Gesellschaften verändern sich. Eine neue Mittelschicht wächst langsam heran, das Unternehmertum entwickelt sich. Gleichwohl: Afrika ist noch in einem frühen Stadium des „Aufschwungs“.

+++ Februar 2013: Nigeria hat zum dritten Mal in seiner Geschichte den Afrika-Cup gewonnen. Im Endspiel setzen sich die Favoriten mit 1:0 gegen Burkina Faso durch. +++ Januar 2013: Nach einem Putsch des Militärs und der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Nordens steht das Land seit Jahresbeginn in einer schweren politischen Krise. +++ Dezember 2012: 2012 war ein Schreckensjahr für den Tierschutz in Afrika, berichtet die Naturschutzorganisation WWF: Nie zuvor fielen so viele Nashörner und Elefanten kriminellen Jägern zum Opfer. +++

So vielschichtig die Nachrichten zum Schwarzen Kontinent sind, so differenziert erscheint Afrika dem potenziellen Investor. Auf dem Schwarzen Kontinent ist sicherlich noch nicht alles zum Besten gestellt – dies steht außer Frage. Aber die Vorzeichen sind stellenweise gar nicht so schlecht – die Ampel steht zumindest nicht überall auf „rot“. Das mittelfristige Wachstumspotenzial in Subsahara-Afrika dürfte in den kommenden Jahren bei jährlich rund 6 % liegen, heißt es in einer Studie der Commerzbank –mit Potenzial nach oben.

**

finanzwelt befragte im Gespräch Experten der Branche:**

  • Sebastian Kahlfeld, Experte für Emerging Markets bei DWS Investments und Fondsmanager des DWS Invest Africa
  • Volker Schilling, Vorstand Greiff Capital Management AG
  • Jens Schleuniger, Managing Director bei der VCHVV und Fondsmanager des VCH Africa

finanzwelt: Im vergangenen Jahr gehörten die Börsen des Schwarzen Kontinents zu den großen Stars am Aktienmarkt. Welche Treiber machen Sie für diese Entwicklung verantwortlich?

Kahlfeld: Eine Milliarde Menschen leben in Afrika in 54 Ländern. Allein schon diese Zahl macht deutlich, dass wir genauer und differenzierter auf die Entwicklung der einzelnen Märkte hinschauen müssen. Wie schaut es beispielsweise mit der Liquidität in diesen Märkten aus, lässt sich von einem nachhaltigen Wachstumsschub sprechen? Dies sind Fragen, auf die wir eine passende Antwort geben müssen. Sicherlich, um den Bogen zu spannen, kam im vergangenen Jahr neben der großen makroökonomischen Story (Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum) ein weiterer Treiber hinzu. Die Bondrenditen weltweit sind unter Druck geraten und Investoren sind auf der Suche nach Ertrag – ein weiterer Pluspunkt für afrikanische Aktien.

Schleuniger: In den vergangenen Jahren hat sich in der Analyse zum Schwarzen Kontinent und den tatsächlichen Fortschritten vieles in die richtige Richtung bewegt. Der Weltinvestitionsbericht zeigt einen raschen Anstieg von FDI-Zuflüssen (ausländische Direktinvestitionen) nach Subsahara-Afrika von 29,5 Mrd. USD im Jahr 2010 auf 36,9 Mrd. USD im Jahr 2011 – dies entspricht einem überproportionalen Anstieg von 25 %. Insbesondere Nigeria sticht hier als attraktiver „place to be“ hervor. Die Binnennachfrage wächst stark und vereinzelt gibt es auch positive Signale von der Inflationsseite. Dennoch ist Afrika bei vielen Investoren ein weißer Fleck auf der Landkarte.

Schilling: Ein wesentlicher Treiber sind die vorhandenden Rohstoffe. Der Kontinent verfügt über weltweit begehrte Rohstoffe wie Öl und Erdgas, Gold und Industriemetalle – ein enormes Potenzial, das durch die imposante Entwicklung der asiatischen Märkte (China) immer stärker nachgefragt wird. Trotz der großen Chancen des Kontinents dürfen die Risiken durch regionale politische Konflikte nicht aus den Augen verloren werden. Mit Ausnahme von Südafrika sind die afrikanischen Aktienmärkte sehr gering kapitalisiert, entsprechend hoch kann auch die Volatilität sein.

finanzwelt: Die Gunst der Investoren scheint sich vermehrt um Länder wie Nigeria und Kenia zu drehen; von Südafrika wendet man sich eher ab. Täuscht der Eindruck?

Kahlfeld: In der Tat wird Subsahara-Afrika, Länder südlich der Sahara (exklusive Südafrika), von vielen Experten als besonders chancenreich eingestuft. Die Verschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt ist niedrig, die massiven Investitionszuflüsse werden für Infrastrukturprojekte, den Technologietransfer und die Schaffung von Arbeitsplätzen eingesetzt. Beispiel Nigeria: Die nigerianische Kreditkrise bewirkte eine Konsolidierung und Gesundung der Wirtschaft mit der Konsequenz, dass das Land heutzutage zwar noch immer vom Erdöl abhängig ist, allerdings die Regierung deutlich offensiver Probleme wie Korruption und wirtschaftliche Fehlentwicklungen angeht – ein mehr als überfälliger Aspekt.

Schleuniger: Nigeria ist ein gutes Beispiel für die Fortschrittsaktivitäten vor Ort. Hier zeigt sich exemplarisch der künftige Erfolg Afrikas. Sicherlich sind Rohstoffe von zentraler Bedeutung, doch der Aufschwung wird auch getragen von den positiven Signalen in anderen Bereichen. Eine breitere Mittelschicht, die konsumiert und wichtige Dienstleistungen wie Telekommunikation und Finanzdienstleistungen nachfragt, ist zu einer wichtigen Wachstumssäule geworden. 2013 soll das nigerianische Bruttoinlandsprodukt wiederum um knapp 7 % wachsen.

finanzwelt: Mehr als zwei Jahre ist es jetzt her, seit die große Umwälzung in der arabischen Welt begonnen hat. Politische Stabilität ist aber eher ein Fremdwort geworden, das sich auch auf die Investitionsfreudigkeit auswirken kann.

Schilling: Die sich verschärfenden Demokratie- und Wirtschaftskrisen in Nordafrika, aber auch in Subsahara, verdeutlichen, dass das politische Risiko auch mittelfristig schwer zu kalkulieren und quasi systemimmanent ist. Der wirtschaftliche Entwicklungspfad muss nicht zwangsläufig mit der Etablierung demokratischer Strukturen einhergehen.

Schleuniger: Chancen stehen Risiken gegenüber, und generell gilt wiederum „Afrika ist nicht gleich Afrika“. Dies schlägt sich auch in der gelebten Unternehmensführung (Corporate Governance) nieder, die wir als wichtig erachten. Wir dürfen allerdings nicht den Fehlermachen, unsere westlichen Standards als Maß der Dinge zu nehmen. Konzentrieren wir uns auf die Gruppe der Schwellenländer, so stellen wir vereinzelt deutliche Fortschritte in der Art und Weise, wie Unternehmen in Afrika geführt werden, fest. Die Corporate Governance in Ländern wie Südafrika, Kenia, Ägypten oder auch Nigeria hält durchaus dem Vergleich mit Firmen aus Brasilien, Indien, China oder Russland stand. Nigerianische Finanzinstitute mit einer schlechten Corporate Governance waren konsequenterweise auch diejenigen Finanzinstitute, die während der Finanzkrise 2008/2009 von der Zentralbank gerettet werden mussten.

Kahlfeld: Dieser Aspekt nimmt zweifellos mehr an Wichtigkeit und Relevanz ein. Gleichwohl, wie eben schon angerissen, ist es ein gradueller Prozess – Verbesserungen können wir nicht von heute auf morgen erwarten.

finanzwelt: Lassen sie uns wieder zu den Gründen für ein Investment reden – Schwellenländer sind in aller Munde, aber nur die wenigsten lassen ihr Geld dort. Wo positionieren Sie in diesem Kontext Afrika?

Schilling: Der demografische Faktor ist ein weiteres As im Ärmel, das für den Schwarzen Kontinent spricht. Die Größe dieser Volkswirtschaften wird wegen des Bevölkerungswachstums enorm ansteigen und es werden interessante Zielmärkte entstehen. Laut einer Statistik der Stiftung Weltbevölkerung sind 41 % der Menschen unter 15 Jahre alt. Investoren sehen hier augenscheinlich die Vorteile des Schwarzen Kontinents gegenüber Ländern wie China, ganz zu schweigen von der westlichen Welt.

Schleuniger: Die Fakten sprechen eine eindeutige Sprache und wir sind rückblickend auf einem guten Weg. Afrika ist mitunter der einzige Schwellenländermarkt, der noch nicht so erschlossen ist im Vergleich zu den anderen. Gleichwohl, deswegen ist für uns alle ein langer Atem existentiell, eilt dem Kontinent der Ruf des „Negativen“ immer noch voraus. Diese fälschliche Annahme bei den institutionellen Investoren gilt es entgegenzuwirken.

finanzwelt: Was ist zu tun, um dem Kontinent mehr Aufmerksamkeit zu schenken – die Story passt doch.

Schilling: „Ruf gegen Story“ – das macht die Anlageregion Afrika derzeit (noch) aus. Mangelnde Transparenz und einer erhöhten Volatilität stehen ein enormes Chancenpotenzial gegenüber. Mittlerweile gibt es 25 Afrikafonds, ganz klar Ausdruck des gestiegenen Interesses und Bedürfnisses bei den Investoren.

Kahlfeld: Speziell diese Vielfaltmacht auch den Charme aus. Es gibt kein standardisiertes Afrika-Produkt, das typischerweise herangezogen oder empfohlen wird. Für den Anleger bedeutet dies im Umkehrschluss, sich genau darüber zu informieren, worin der Fonds investiert.

Fazit. Der langfristige Trend, flankiert durch mehr Rechtssicherheit, dem Kampf gegen Korruption und die Etablierung marktwirtschaftlicher Prinzipien, spricht für Afrika und wird auch die internationalen Investoren, die momentan noch abwartend an der Außenlinie stehen, von der Wertigkeit des Kontinents als Ganzem überzeugen. Neben Rohstoffunternehmen profitieren in Folge auch Finanztitel durch die Finanzierung der Infrastrukturmaßnahmen und schließlich Konsumwerte. Für langfristig denkende Investoren sind Schwellenländer, zu denen auch manche afrikanische Staaten gehören, ein absolutes Muss.

Afrika fängt an zu konsumieren

Der Südafrikaner Nick Price, für Fidelity Emerging Markets Fund und den Fidelity Emerging Europe, Middle East and Africa (EMEA) Fund verantwortlich, kommentiert seine Haltung zum Schwarzen Kontinent.

„Der Konsum in den Schwellenländern wird zunehmend ein großer Wachstumstreiber der Weltwirtschaft. Afrika macht hier keine Ausnahme. Dabei steht der Kontinent, anders als die etablierten Schwellenländer, erst am Anfang seiner Konsumstory. Die Länder Subsahara-Afrikas starten von einem sehr niedrigen Niveau. Nehmen wir das Beispiel Nigeria:

Im Jahr 2000 hatte das Land Nigeria 110 Millionen Einwohner mit einem jährlichen durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von 400 US-Dollar. Im vergangenen Jahr lebten in Nigeria bereits 160 Millionen Menschen und das jährliche Einkommen pro Kopf hat sich vervierfacht – auf 1.600 US-Dollar. In vielen anderen afrikanischen Staaten sieht die Entwicklung ähnlich aus. Ein Großteil des steigenden Einkommens der neuen Mittelschicht wird für Konsum ausgegeben. Das treibt die Kurse: Bestimmte Aktien aus der Konsumbranche, beispielsweise von Brauereien, sind in den letzten Jahren jährlich zwischen 50 und 60 % gestiegen.

Aufgrund des niedrigen Ausgangsniveaus kaufen Afrikaner vor allem Basiskonsumgüter wie Getränke und Nahrungsmittel. Das macht aus Investorensicht beispielsweise Brauereien sehr interessant. Bisher haben die Menschen in Afrika eher selbstgebrautes Bier konsumiert, mittlerweile steigt jedoch die Nachfrage nach Markenbier deutlich. Dabei besitzt der Markt noch viel Potenzial, denn der Bierkonsum liegt pro Kopf und Jahr bei rund acht Litern. Tendenz stark steigend. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der jährliche Bierkonsum bei 80 Litern pro Kopf. Von der steigenden Nachfrage der Afrikaner nach Bier profitieren vor allem SAB Miller oder die Nigerian Breweries. Aber auch Shoprite, ein Handelskonzern ähnlich der Metro Group, ist Nutznießer der steigenden Konsumlaune auf dem Kontinent. Der Gewinn je Aktie von Shoprite hat sich in den letzten Jahren beispielsweise verdoppelt. Darüber hinaus ist der Konzern bereits in 16 afrikanischen Ländern präsent. Shoprite profitiert dabei von der mangelnden Konkurrenz auf diesem Markt.“

Das Gespräch führte Alexander Heftrich

Expertengespräch Afrika - Printausgabe 02/2013