Regen oder Sonnenschein?

14.04.2016

Foto. © Patrizia Tilly – Fotolia.com

Beinahe paradox klingt es, wenn Bausparkassen derzeit verstärkt Neugeschäft einsammeln und dennoch unter erheblichen Anforderungen leiden. Um sich gegen den lockeren geldpolitischen Kurs der Notenbanken zur Wehr zu setzen, bleiben am Ende unpopuläre Maßnahmen und das Hoffen auf ein novelliertes Bausparkassengesetz.

Immobilien boomen derzeit ebenso wie Kreditvergabe. Folgerichtig zieht es gerade etliche Verbraucher zu den Bausparkassen, die sich mit entsprechenden Wohn-Riester- oder klassischen Bausparkassenverträgen das aktuelle Zinsumfeld für die Zukunft sichern möchten. Im Ergebnis können sich die meisten der 21 Bausparkassen und deren angeschlossene Vertriebskanäle kaum über fehlendes Neugeschäft beklagen. „Die Landesbausparkassen haben mit 36 Mrd. Euro Bausparsumme das Vorjahresresultat leicht übertroffen und damit das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt“, informiert Dr. Ivonn Kappel, Pressesprecherin Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen im Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Desgleichen konstatieren private Bausparkassen 1,7 Millionen neue Verträge – ein Zuwachs gegenüber 2014 von 1,8 %. Die dazugehörige Bausparsumme stieg dort um 6,4 % auf 63,3 Mrd. Euro. Im Ergebnis kommen die Bausparkassen gesamt auf inzwischen etwa 30 Millionen Verträge bei entsprechender Bausparsumme von circa 900 Mrd. Euro beziehungsweise Einlagen von über 150 Mrd. Euro. Hierbei durften die Bausparkassen in der Vergangenheit das Geld ihrer Kunden nur in einem engen Rahmen anlegen. Unter der Prämisse „Sicherheit ist oberstes Gebot“ waren etwa Aktien tabu. Investiert wurde insbesondere in festverzinsliche Wertpapiere, wie Staatsanleihen oder Pfandbriefe. Und eben hier drückt bekanntermaßen aufgrund der anhaltenden EZB-Nullzinspolitik der Schuh. Ertragslage wird doppelt belastet. ++Einerseits werden vielfach abrufbare Darlehen durch Kunden nicht in Anspruch genommen, da Hypothekendarlehen so günstig wie nie zuvor über Banken zu erhalten sind. Dr. Franz Wirnhier, Vorstandsvorsitzender der Bayerischen Landesbausparkasse, kritisiert dabei scharf die EZB-Politik, „die das klassische Bankgeschäft austrocknet“. Sie habe Bausparverträgen, die heute in die Zuteilung kommen, die Geschäftsgrundlage entzogen. Dr. Wirnhier weiter: „Die Bausparkassen haben mit ihrer Produktpolitik und ihren Steuerungsinstrumenten in der Vergangenheit auch deutliche Schwankungen auf den Kapitalmärkten gut bewältigen können. Die Zinsentwicklung ist aber mittlerweile nicht mehr marktgetrieben; sie ist von der Politik bestimmt.“ So führt das niedrige Zinsumfeld weiterhin zur Anlageproblematik bei Bausparkassen bei, indem etwa entsprechende Zinsergebnisse nicht mehr über klassische Geldparkvehikel eingefahren werden können. Gelder, die ansonsten unter anderem dafür benötigt werden, um bestehende Altverträge abzufedern.

Kostenreduktion ist angesagt.

Strikt nach dem Motto „Wir schaffen das“, sahen sich Bausparkassen infolgedessen gezwungen, teilweise unpopuläre Maßnahmen zur Kostensenkung durchzuführen. Bereits 2015 wurden circa 200.000 hochverzinsten Altverträgen gekündigt, die seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif waren, da hier nach Ansicht der Gesellschaften das Erreichen eines Bauspardarlehens erkennbar nicht mehr im Vordergrund stand. „Es handelt sich um Verträge, die im Schnitt 22, 23 Jahre alt sind. Für solche überlangen Sparphasen waren sie nie gedacht“, so Andreas J. Zehnder, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Privaten Bausparkassen, der zudem betont: „Wir verstehen, dass die betroffenen Kunden oft den Wunsch haben, weiter zu sparen. Wir bitten diese Kunden aber auch um Verständnis dafür, dass die Bausparkassen der Nullzinspolitik der EZB entgegensteuern müssen, um kritische Situationen in der Zukunft zu vermeiden. Niemand hat diese Nullzinspolitik vorhersehen können.“

Derweil drehen viele Bausparkassen an der Kostenschraube.

Nicht mehr zeitgemäße Produkte wurden vom Markt genommen beziehungsweise renoviert. „Die BHW Bausparkasse hat sehr früh erkannt, dass die Zinsen niedrig bleiben werden, und darauf reagiert. Wir haben unsere Produkte angepasst und konsequent damit begonnen, neue Geschäftsfelder – wie energetische Sanierung und Modernisierung – zu erschließen und auszubauen“, so Dr. Jörg Koschate, Generalbevollmächtigter der BHW Bausparkasse. Auch in Mainz wurde reagiert: „Wir haben wirtschaftlich unbedeutende oder unseren Ertrag belastende Nischenprodukte aus dem Programm genommen. Unsere Bauspar- und Finanzierungsprodukte sind in jeder Hinsicht marktgerecht“, heißt es von André Dinzler, Pressesprecher der Bausparkasse Mainz.

Sparkurs auch im Innendienst.

Bereits im letzten Jahr wurden zur Zukunftssicherung zudem richtungsweisende Sparkurse bei einzelnen Landesbausparkassen sowie privaten Bausparkassen in Gang gesetzt: Verwaltungskostenreduzierung, Stellenabbau, Filialschließungen und Synergieeffekte, wie etwa der eines gemeinsamen IT-Systems innerhalb der LBS-Gruppe, lauten die Mechanismen, die auf Kostenseite positiv greifen sollen. Der Vertrieb scheint hiervon nach Aussage der Bausparkassen nicht betroffen, eher im Gegenteil: Speziell die privaten Bausparkassen möchten Vertriebswege und damit natürlich auch Makler- und Kooperationsvertriebe hinzugewinnen.

Bundesregierung hilft.

Einhergehend mit der Gesamtproblematik können Bausparkassen in 2016 zusätzlich ihr Geschäftsfeld erweitern und ihre Angebote und Tarife flexibler gestalten. Die entsprechende Novellierung des Bausparkassengesetzes ist am 29. Dezember 2015 in Kraft getreten. Den Anbietern ist es unter anderem künftig erlaubt, Bausparguthaben für die Vergabe nicht bausparunterlegter Baudarlehen zu nutzen. Somit können Bausparkassen nun im Spiel der „klassischen“ Baufinanzierer mitspielen, wenn sie denn wollen. Eine Maßnahme, die auf der Finanzierungsseite helfen könnte, das Zinsergebnis zu verbessern. Ebenso sind Beleihungen bis 100 % möglich, die bisherige Grenze von 80 % ist weggefallen. Gleichsam wird es Bausparkassen durch die Möglichkeit der Vergabe von Pfandbriefen nun ermöglicht, kostengünstige Refinanzierungsmöglichkeiten, etwa für Darlehensvergaben oder zur Finanzierung von Neutarifen, zu generieren. Last but not least erhalten Bausparkassen ab 2017 die Möglichkeit einer auf 5 % limitierten Beimischung von Aktien innerhalb ihrer Kapitalanlagen, wobei einzelne Teilnehmer gegenüber finanzwelt bereits bekundeten, hiervon aller Voraussicht nach keinen Gebrauch zu machen, um keine additiven Verlustrisiken aus Aktieninvestments einzugehen. Fazit Nun heißt es abwarten, ob und inwieweit die Bausparkassen die Rückenstärkung des Gesetzgebers nutzen. Weitere Hilfen vom Staat können die Bausparkassen mutmaßlich nicht erwarten. „Die privaten Bausparkassen werden die Chancen des neuen Gesetzes zu nutzen wissen. Vermutlich wird nicht jede gleich jedes neue Instrument anwenden. Das hängt doch sehr von der individuellen Situation ab. Aber entscheidend ist, dass sie im Bedarfsfall darauf zurückgreifen können“, so Zehnder. (mo) (Zukunft der Bausparkassen / finanzwelt 02/2016)