Quo Vadis Italien?

28.02.2018

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Italien zählt seit Jahren zu den großen Sorgenkindern der Eurozone. Ob die anstehende Parlamentswahl daran etwas ändert, bleibt fraglich.

Am Sonntag blick Europa gebannt nach Süden: An diesem Tag wählen ca. 40 Mio. Italiener ein neues Parlament. Die wirtschaftliche Situation der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone war zuletzt gut. So wuchs das BIP im vergangenen Jahr um 1,5 % und die Industrieproduktion und die Kapazitätsauslastungen nahmen zu. Außerdem deuten die Frühindikatoren darauf hin, dass die italienische Wirtschaft auch in diesem Jahr stark wachsen dürfte und die Arbeitslosigkeit zurückgehen dürfte. „Die jüngsten Entwicklungen sind definitiv ermutigend, aber der Gesamtzustand der italienischen Wirtschaft bleibt unbefriedigend. Aktuell liegt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) immer noch mehr als 5 % unter dem Höchststand kurz vor der Finanzkrise und die Arbeitslosenquote liegt mit knapp unter 11 % weit entfernt von dem 2007 erreichten Tiefstand von 6 %“, warnt Yves Longchamp dennoch vor zu großem Optimismus. Als Grund dafür macht der Head of Research bei Ethena die geringe Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Wirtschaft im Vergleich zu anderen europäischen Ländern aus. „Tatsächlich ist Italiens Wettbewerbsfähigkeit heute die gleiche wie vor 20 Jahren, während wir in den anderen großen europäischen Volkswirtschaften, also Frankreich, Spanien und Deutschland, klare Verbesserungen beobachten konnten.“

Reformen sind nötig

Ein Indiz für die schwache Wettbewerbsfähigkeit Italiens ist der Mailänder Aktienindex, der seit dem Beginn der Finanzkrise hinter anderen europäischen Indizes zurückgeblieben ist. „Seit dem Börsentief im März 2009 ist der FTSE MIB Index um 57 % gestiegen“, erläutert Longchamp. „Im selben Zeitraum hat sich der französische CAC 40 verdoppelt und der DAX ist um unglaubliche 230 % gestiegen.“ Falls am 4. März, am Wahlabend, die politische Zukunft klarer werden sollte, könne das den politischen Diskont des italienischen Aktienmarktes minimieren. „Das würde aller Wahrscheinlichkeit nach die Aktienkurse erheblich ankurbeln.“

Das beste politische Szenario nach der Wahl sei, dass die neu gewählte Regierung Italien wieder auf den Weg zum Wohlstand zurückführe. „Die Divergenz zwischen den ermutigenden Entwicklungen und der nach wie vor schlechten Wirtschaftslage verdeutlicht den strukturellen Charakter des italienischen Problems“, so Longchamp. Es seien deshalb Reformen nötig, um diese Strukturen zur verändern. Genau hier liege aber das Problem, denn dafür sei eine starke Regierung nötig, die von einer breiten Unterstützung der Bürger getragen werde. „In Italien, wie in jedem anderen Land auch, wäre das ideale politische Szenario eine reformorientierte Regierung mit einer starken Mehrheit.“ Jedoch ist hier wohl eher der Wunsch Vater des Gedanken: Aktuell ist in Rom die bereits die 64. Regierung seit 1945 im Amt und kein Ministerpräsident hat sich bislang eine volle Legislaturperiode an der Macht gehalten. Somit ist Italien ein Inbegriff politischer Instabilität.

Wirtschaftlicher Flickenteppich problematisch für Europa

Die Zinsdifferenz zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihe-Renditen ist im Januar gesunken und hat sich während der Aktienmarktkorrektur im Februar kaum verändert. „Das signalisiert, dass Anleger keine Angst vor einem Auseinanderbrechen des Euro oder einer erneuten Schuldenkrise haben“, erklärt Longchamp. „Die Kombination einer sehr aktiven und vertrauenswürdigen Europäischen Zentralbank (EZB), guten europäischen Wirtschaftsdaten und einer niedrigen Inflation haben das Vertrauen in das System der Eurozone wiederhergestellt und verstärkt. Das ist eine bemerkenswerte Tatsache, da die Eurozone ein Flickenteppich von Volkswirtschaften bleibt, die alle sehr unterschiedlich sind und deren Unterschiede nicht durch eine Fiskalunion ausgeglichen werden.“

„Vor diesem Hintergrund glauben wir, dass jede Änderung des günstigen Zusammenspiels dieser Faktoren zu erneuter Volatilität führen würde“, so Longchamp weiter. Die EZB werde im Laufe des Jahres weniger aktiv werden, da die Tage des Quantitative Easing gezählt seien. „Ein paar schlechte Wirtschaftsdaten könnten sich so negativ auf den Konjunkturzyklus auswirken, dass die fundamentalen Schwächen einiger Länder wieder deutlicher sichtbar würden.“ Zudem würde eine Rückkehr der Inflation, die derzeit im Mittelpunkt des Interesses stehe, die EZB zwingen, die Zinsen früher und schneller als erwartet anzuheben. „Das könnte für hoch verschuldete Länder wieder problematisch werden.“

Longchamp stimmt EZB-Präsident Mario Draghi zu, dass die Umsetzung von Strukturreformen in den Ländern der Eurozone intensiviert werden müssten, um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen, die strukturelle Arbeitslosigkeit zu reduzieren und die Produktivität und das Wachstumspotenzial der Eurozone zu steigern: „Wenn die Wirtschaftsreformen nicht schnell genug umgesetzt werden, um ein dichtes Flickwerk mit nahezu unsichtbaren Nähten - also eine homogene Region - zu schaffen und eine paneuropäische Finanzpolitik einzuführen, bleibt die Eurozone ein fundamental fragiles Konstrukt.“ (ahu)

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