Zweigleisigkeit ist gefragt
03.03.2020
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Noch niemals war es uns möglich, so viele verschiedene Informationen in so kurzer Zeit einzuholen wie aktuell – was aber nicht automatisch gut ist. Die Digitalisierung hat auch deutliche Auswirkungen auf den Bereich der Finanzvermittlung – und wird wohl zu einer deutlich veränderten Rolle des Beraters führen.
Eine Googol ist eine Zahl mit 100 Nullen und damit sogar größer als die Summe aller Atome im Universum. Um die schiere Unendlichkeit an Informationen zu verdeutlichen, die man mittlerweile im Internet finden kann, haben sich Larry Page und Sergey Brin an dieser unglaublich großen Zahl orientiert, als sie einen Namen für ihre Suchmaschine gesucht haben. Die Nutzung von Google ist inzwischen so alltäglich geworden, dass die Internetsuchmaschine seit 2004 mit einem eigenen Verb im Duden steht. Aber nicht nur auf die Sprache, auch auf das Wirtschaftsleben hat die Suchmaschine inzwischen deutlichen Einfluss. „Die wachsende Digitalisierung hat das Verhalten der Verbraucher verändert. Sich vorab online zu informieren, ist für die meisten Alltag.“ erläutert Christian Glanz, Mitglied des Vorstands der Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG). Er gibt aber auch zu bedenken, dass der Mensch nicht vollkommen digital ticke und ein Mehr an Informationen auch negative Seiten habe. „Gerade bei komplexen Dingen wie Finanzanlagen oder privater Altersvorsorge bringt das Web oft mehr Verwirrung als Klarheit. Das kann fatale Folgen haben.“
Auf Hybridität kommt es an
Ebenfalls fatale Folgen hatte in den antiken griechischen Tragödien die „Hybris“, die extreme Selbstüberschätzung, an der die Protagonisten häufig scheiterten. Weit weniger mit Selbstüberschätzung hat hingegen ein Wort zu tun, das von Hybris abgleitet ist: „Hybrid“. Am häufigsten Verwendung findet dieses Wort im Bereich des Automotors, wo es seit gut zweit Jahrzehnten zahlreiche Modelle mit Hybridmotoren gibt, also die Verbindung von Verbrennungs- und Elektromotor. Aber auch im Segment der Finanzberatung spielt Hybridität eine immer wichtigere Rolle, wie Norbert Porazik erläutert. „Die Rolle des Maklers wird durch die Digitalisierung zunehmend hybrider. Einfache Produkte, wie beispielsweise Kfz-Versicherungen, vergleichen und schließen die meisten Kunden heutzutage im Internet ab. Über eine gut ausgestattete Makler-Homepage mit modernen Vergleichsrechnern können die Kunden perfekt abgeholt werden – kostengünstig sowie orts- und zeitunabhängig.“ Der geschäftsführende Gesellschafter der Fonds Finanz Maklerservice GmbH betont aber auch, dass die menschliche Komponente in der Beratung nicht zu ersetzen sei. „Gleichzeitig bleibt der Makler bei komplexen Produkten, wie z. B. der Arbeitskraftabsicherung oder der Altersvorsorge, der Ansprechpartner Nummer Eins. Denn dafür brauchen und wollen Kunden nach wie vor eine persönliche, individuelle und ganzheitliche Beratung.“ Es ist nun mal so, dass das menschliche Leben und die damit verbundenen Risiken nicht so einfach standardisierbar sind wie beispielsweise eine Kfz-Versicherung. Auch Christian Glanz erachtet trotz aller technischen Möglichkeiten einen persönlichen Ansprechpartner, der den Kunden individuell betreut und ihm in aller Ruhe die Sachverhalte erklärt, als unverzichtbar. „Es gilt das Beste aus beiden Welten optimal zu verzahnen! Bei uns sind online und offline im Vertrieb keine Gegensätze – im Gegenteil!“, so der DVAG Vorstand. Auch Norbert Porazik sieht Makler am besten aufgestellt, die mit der Zeit gehen würden und bei der persönlichen Beratung durch die Nutzung digitaler Tools die Mehrwerte der analogen und der digitalen Welt miteinander verknüpfen würden.
Dass sich durch den technischen Wandel die Rolle des Beraters ändert, bestätigt auch Oliver Pradetto. Der Geschäftsführer von blau direkt ist der Meinung, dass die Digitalisierung durchaus das Potenzial habe, den Vermittler, zumindest in gewisser Weise, zum Teil sogar vollständig zu ersetzen. „Technologie übernimmt immer mehr Funktionen des klassischen Beraters.“ Weil der Mensch jedoch ein Gefühlswesen bleibe und er auch weiterhin Menschen als Projektionsfläche für seine Emotionen brauchen würde, bleibe der Berater auch in Zukunft gefragt – wenn auch in anderer Funktion: „Die Rolle des Beraters entwickelt sich folgerichtig zunehmend hin zum Beziehungsmanager“, mutmaßt Pradetto. (ahu)