Wie man Generative AI profitabel einsetzt

22.07.2024

Oliver Wibbe. Foto: SPS Germany GmbH

Alle wollen sie, doch nur wenige wissen sie gewinnbringend einzusetzen: Generative künstliche Intelligenz (GenAI) ist kein Selbstläufer. Um die erhofften Vorteile zu erzielen, brauchen Finanzdienstleister einen Plan für ihre neuen KI-Kollegen. Die aktuelle Diskussion über Künstliche Intelligenz in Banken geht weit über einen bloßen Hype hinaus: Mit GenAI steht der Finanzbranche ein Werkzeug zur Verfügung, das – korrekt eingesetzt – Kosten- und Prozesseffizienz verspricht. Doch um KI-Technologien profitabel zu nutzen, müssen Unternehmen ihre Prozesse neu denken. Denn profitabel bedeutet, dass die Integration von KI nicht nur in einzelnen Projekten oder zum Selbstzweck erfolgt, sondern über eine systematische Implementierung und Skalierung von KI in Geschäftsprozesse. So entstand die Formulierung „industrialisierte Nutzung von GenAI“. Was es damit auf sich hat und welche Rolle das richtige Zusammenwirken zwischen Menschen, Prozessen, Daten und Technologien dabei spielt, erklärt Oliver Wibbe, Geschäftsführer SPS Germany GmbH und Experte für die digitale Transformation von Unternehmen, im finanzwelt-Interview.

finanzwelt: Herr Wibbe, GenAI war das beherrschende Thema des vergangenen Jahres und hat auch vor dem Finanzsektor nicht Halt gemacht. Ist das lediglich ein Hype oder verändert sie bereits die Finanzbranche?

Oliver Wibbe: Die aktuelle Diskussion über GenAI in der Finanzbranche geht weit über einen bloßen Hype hinaus. Mit der GenAI steht den Finanzinstituten ein Werkzeug zur Verfügung, das – klug eingesetzt – Kosten- und Prozesseffizienz verspricht. Laut einer McKinsey-Studie gehören Banken zu den Hauptprofiteuren der GenAI und könnten einen zusätzlichen Wert von jährlich bis zu 340 Mrd. US-Dollar schaffen.

finanzwelt: Warum ist der Impact gerade auf den Bankensektor so groß und welche spezifischen Bereiche wird GenAI verändern?

Wibbe: Es ist ein quantitatives Geschäft, also in hohem Maß wissens- und technologiebasiert und daher prädestiniert für den Einsatz von KI. Den größten möglichen Impact von GenAI sehe ich bei der Verarbeitung eingehender Informationen. Also bei der Klassifizierung von Daten, der Zuweisung von Zuständigkeiten und dem Anreichern von Daten, etwa für Plausibilitätsprüfungen, Betrugserkennung oder für Vorhersagen im Risikomanagement. Ferner erleben wir eine Transformation im Kundensupport und der Kundenkommunikation. KI-gestützte Systeme ermöglichen es, Informationen schneller zu finden, was zu zügigen und präzisen Antworten führt. Dies ist besonders vorteilhaft, wenn Erfahrungen zwar vorhanden sind, aber nicht sofort von Servicemitarbeitern abgerufen werden können. GenAI kann auch ein guter Hebel sein, um die Automatisierung von einfachen und repetitiven Prozessen speziell in Fällen von unstrukturierten Informationen weiter voranzutreiben.

finanzwelt: Die Potenziale von GenAI sind also hoch. Doch wie können Banken sie so einsetzen, dass es zur angesprochenen Kosten- und Prozesseffizienz kommt?

Wibbe: Ja, GenAI birgt gewaltiges Potenzial. Sie ist abereben auch kein Selbstläufer. Ein profitabler Einsatz erfordert grundlegendes Umdenken in Bezug auf Prozesse. Profitabel bedeutet, dass die Integration von GenAI nicht nur in einzelnen Projekten oder zum Selbstzweck erfolgt, sondern weil sie durch systematische Implementierung und Skalierung in Geschäftsprozessen Effizienz- und Kostenvorteile bietet oder ein verbessertes Kundenerlebnis ermöglicht. Wir sprechen hier von einer industrialisierten Nutzung von GenAI. Die Technologie ist dabei immer nur Teil einer Gesamtlösung. Sie kann Menschen und Prozesse nicht ersetzen, denn sie macht immer noch Fehler. Das ist besonders in kritischen Branchen wie dem Finanzwesen schmerzhaft, weil es um das Geld der Kundinnen und Kunden geht und um Vertrauen. Es braucht also erklärbare und vor allem reproduzierbare Ergebnisse. Prozessqualität, Datenschutz, Regulatorik und Skalierbarkeit sind entscheidend und dürfen kein Zufallsprodukt sein. Das erreicht man aber nur durch das richtige Zusammenspiel zwischen Menschen, Prozessen, Daten und Technologie. Folgender Anwendungsfall macht dieses Zusammenspiel deutlich: Wir arbeiten mit einer großen Bank zusammen, um den zeitaufwändigen und fehleranfälligen Verwaltungsprozess komplexer Leasingverträge zu optimieren. Dazu nutzen wir unsere generative KI-Lösung SPS GPT, die dafür trainiert wurde, die Leasingsprache zu verstehen und auszulesen und damit automatisierte Vertragsprüfungen durchführen kann. Weiter konnten wir so den Überprüfungsprozess auf Vollständigkeit und Konformität hin automatisieren, den Workflow rationalisieren und menschliche Fehler reduzie-ren. Weitere Einsatzfelder sind Betrugsermittlung und Risikobewertung sowie Kundeninteraktionen und Kundenabfragen, wo wir KI-Tools zur Mustererkennung eingesetzt und eine KI-gestützte Schnittstelle eingerichtet haben. Gleichzeitig müssen die Prozesse weiterhin von qualifizierten Mitarbeitenden überwacht und gesteuert werden, vor allem wenn neue Muster oder Fehler auftreten.

finanzwelt: Und welche Mehrwerte zeichnen sich ab?

Wibbe: Wir konnten die Bearbeitungszeiten um 50 % und die Fehleranfälligkeit um bis zu 90 % reduzieren. Infolgedessen erhöhten sich auch die Kundenzufriedenheit und die Produktivität der Mitarbeitenden. Generell können erfahrene BPO-Dienstleister wie wir vieles für Banken übernehmen, da wir in anderen Projekten solche Themen und Herausforderungen wie Kompatibilität zur Infrastruktur, Verfügbarkeit und Qualität von Daten, Datenschutz und auch rechtliche Vorschriften und regulatorische Anforderungen schon durchlaufen haben, uns der Komplexität und der Grenzen bewusst sind und unsere Erfahrungen gerne einbringen. Von der ersten Idee bis zur industrialisierten Nutzung von GenAI ist es ein steiniger Weg. Durch die Bündelung von Know-how ermöglichen es BPO-Dienstleister den Instituten, viele Hürden zu überspringen und damit einen schnelleren Produktiveinsatz zu erzielen. Ein Schlüssel sind dabei unter anderem die richtigen Prompts, um die gewünschten Informationen passgenau zu erhalten, aber genauso der menschliche Faktor – um die Technologie entsprechend profitabel in einen Gesamtprozess einzubinden. (sg)