Wie die EU Taxonomie zum Papiertiger wurde

28.02.2022

Rosl Veltmeijer, Portfoliomanagerin bei Triodos Investment Management / Foto: © Triodos Investment Management

Nach langem hin und her hat sich die Europäische Union (EU) dazu entschlossen, Kernenergie und Gas als nachhaltig einzustufen. Zwar unter bestimmten Bedingungen, doch ändert das wenig an der Erkenntnis. Damit ist die EU-Taxonomie zum Spielball der Politik geworden, statt in der Wissenschaft verankert zu sein: Frankreich hat die Atomenergie befürwortet, während Osteuropa und Deutschland Erdgas als Übergangslösung mitaufnehmen wollten. Nun sind alle zufrieden, nur die Umwelt zieht mal wieder den Kürzeren.

Fakt ist, dass sowohl Erdgas als auch Kernkraft nicht in eine grüne Taxonomie gehören. Erdgas nicht, weil es nicht mit dem EU-Klimagesetz übereinstimmt und keinen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen leistet. Kernenergie nicht, da sie nicht dem so genannten "Do no significant harm"-Prinzip entspricht. Dieses besagt, dass eine Aktivität keine negativen Auswirkungen auf andere Umweltziele haben darf. Dabei steht das Fehlen einer garantierten und endgültigen Lösung für die Entsorgung nuklearer Abfälle klar im Widerspruch zu diesem Grundsatz.

Die beiden Energieträger als „grün“ zu klassifizieren untergräbt die Wirkung des Taxonomie-Rahmens. Sobald eine vollständige Bewertung durchgeführt und geeignete Kriterien entwickelt werden, könnten sie – wenn überhaupt – als „gelb“ klassifiziert werden. Die Bestrebungen, Erdgas und Kernenergie als „grün“ zu bezeichnen mit der Begründung, dass es sich um „Übergangsaktivitäten“ handelt, sind völlig irreführend. Die EU Platform Sustainable Finance hat bereits im März 2021 klargestellt, dass der Begriff „Übergang“ und der Begriff „Übergangstätigkeiten“ nicht gleichzusetzen sind. Zwar spielen Kernenergie und Erdgas beide eine Rolle bei der Energiewende, aber aus ganz klaren technischen Gründen sind sie keine Übergangstätigkeiten im Sinne der von der Europäischen Kommission festgelegten Ziele und daher auch nicht „grün“.

Die Verordnung ist eindeutig

Tätigkeiten werden in der Verordnung als Übergangstätigkeiten betrachtet, wenn es keine technologisch und wirtschaftlich machbaren kohlenstoffarmen Alternativen gibt, wenn das Emissionsniveau die beste Leistung in dem Sektor ist, wenn sie die Entwicklung kohlenstoffarmer Alternativen nicht behindern und nicht zu gestrandeten Vermögenswerten führen. Angesichts weit verbreiteter nachhaltiger Alternativen wie Solar- und Windenergie erfüllen weder fossiles Gas noch Kernenergie diese Anforderungen. Entsprechend sollte die Europäische Kommission den Vorschlag neu bewerten und mehr Zeit für eine gründliche Prüfung durch die Regierungen und die Experten der Plattform einräumen.

Wenn sie diesen delegierten Rechtsakt in der vorgeschlagenen Form vorantreibt, schafft sie einen Präzedenzfall sowohl in Bezug auf den Inhalt als auch auf das Verfahren. Die Forderungen der Regierungen, die um ihren Übergang und ihre besonderen nationalen Energieinteressen besorgt sind, sollten nicht durch eine Beeinträchtigung der EU-Taxonomie erfüllt werden. Es gibt valide Alternativen, darunter zum Beispiel die „gelbe“ Kategorie innerhalb des Taxonomie-Rahmens.

Ausarbeitung löst Diskussionen aus

Mit der jetzigen Auslegung des allgemeinen Rahmens der Taxonomie wird auch eine Rechtsunsicherheit geschaffen. Hat die Europäische Kommission hier nicht eine Ausarbeitung gewählt, die über den allgemeinen Rahmen hinausgeht, wie mehrere Mitgliedstaaten wie Österreich, Luxemburg und Spanien argumentiert haben? All dies trägt nicht gerade zum notwendigen Vertrauen in die Weiterentwicklung der Taxonomie bei. Aktivitäten, über die es so viele unterschiedliche Meinungen gibt, gehören schon deshalb nicht in einen Standard für „grüne“ Investitionen.

Wir bedauern diese Entscheidung und schließen uns dem Rat der EU-Plattform für nachhaltige Finanzen an, sowohl Erdgas als auch Atomkraft nicht als grüne Aktivitäten zu bezeichnen. Nur mit wirklich „grünen“ Investitionen können wir den Weg zu einer nachhaltigen, CO2-freien Wirtschaft beschleunigen. Die Taxonomie sollte die Transparenz auf den Finanzmärkten fördern und nicht dem Greenwashing Vorschub gewähren.

Gastbeitrag von Rosl Veltmeijer, Portfoliomanagerin bei Triodos Investment Management