US-Wahl – Auswirkungen auf die Portfoliostruktur?

28.10.2024

Andreas Görler. Foto: Pruschke & Kalm GmbH

Die anstehende US-Wahl wird regelmäßig auch in Beratungsgesprächen thematisiert. Aktuell werden praktisch täglich mehrere Umfragen veröffentlicht, die meist knapp ausfallen. Die Wahlbeteiligung war bei der letzten Wahl 2020 mit 66 Prozent vergleichsweise hoch (2016: 59 Prozent) und dürfte, bei dem Engagement und der Häufigkeit der öffentlichen Auftritte, wohl auch in diesem Wahljahr hoch bleiben.

Obwohl das Momentum leicht für Kamala Harris spricht, bleibt es in den als relevant angesehenen sieben „Swing-States“ mit insgesamt 93 „Wahlleuten“ (Arizona/11, North Carolina/16, Georgia/16, Michigan/15, Pennsylvania/19, Wisconsin/10 und Nevada/6) eng. Aktuell liegen in drei der sieben Staaten jeweils Harris bzw. Trump vorn, in einem Staat ist es ausgeglichen.Die Ergebnisse verschieben sich aber permanent. Es gilt daher, unentschlossene Wähler gezielt anzusprechen und ggfs. „Nicht-Wähler“ zu mobilisieren.

Verwendung persönlicher Daten

Hierbei ist relevant, dass man es in den USA mit dem Datenschutz anders hält als in der EU. Fast alle Daten sind käuflich erwerbbar. Man kann also beispielsweise ermitteln, wer ein amerikanisches/ausländisches Auto fährt, eine Waffenlizenz hat, welcher Beruf ausgeübt wird und ob die betreffende Person bei der letzten Wahl aktiv war. Dadurch ist eine deutlich direktere Ansprache möglich. Auch manipulative Eingriffe, die eine Verschiebung der Wahl, per SMS ankündigten, kamen vor. Bei der letzten Wahl gab es Telefonanrufe mit der Stimme Joe Bidens, die potentiell demokratischen Wählern mitteilte, dass man nicht zur Wahl gehen muss. Das und die teuren TV-Spots erklären auch die regelmäßig enormen Kosten US-amerikanischer Wahlkämpfe, die wohl ca. 16 Mrd. US$ betragen werden (2020 14,40 Mrd. US-Dollar)

Relevante Wahlkampfthemen

Die wichtigsten Themen der US-Bevölkerung sind die Wirtschaftsentwicklung, die Inflation, die Migration und die Abtreibung. Wobei die Relevanz bei den beiden Parteien sehr unterschiedlich ist. Der Blick auf die Benzinpreise ist für den Durchschnittsbürger besonders relevant. In den letzten acht Jahren verdoppelte sich der Preis von ca. 0,47 auf 0,92 US-Dollar wobei der aktuelle Preis aber dem Niveau von vor zehn Jahren entspricht. Auch der „Big-Mac-Preisindex“ findet Beachtung und hat sich in den letzten zehn Jahren um knapp 25 Prozent von 4,80 auf 5,90 US-Dollar erhöht (entspricht einer unspektakulären Preissteigerung von ca. zwei Prozent im Jahr. In den USA leben 50 Millionen internationale Migranten, 30 Millionen stammen aus Mexiko. Damit ist die USA das größte Einwanderungsland der Welt. In der Relation zur amerikanischen Bevölkerung sind das ca. 15 Prozent, ähnlich wie in Deutschland. Je nachdem, wie man mit solchen Zahlen umgeht, welche Zeitabschnitte man wählt und welche Intention man verfolgt, können unterschiedliche Emotionen in der Bevölkerung aber auch bei in- und ausländischen Anlegern erzeugt werden.

Europäisch-Deutsche-Brille absetzen

Für europäische Beobachter mag es unverständlich sein aber die US-Bürger sehen eine deutlich höhere Wirtschaftskompetenz bei Donald Trump. Hinzu kommt, dass Kamala Harris gerade bei Fragen zu diesen Themen, bei einem Interview im amerikanischen Fernsehen, eine schlechte Performance lieferte, konkreten Frage auswich und einen unvorbereiteten Eindruck hinterließ. Auch beim „Grenzschutz“ also der

Migrationskontrolle, insbesondere in Richtung Mexiko, halten fast 50 Prozent der USAmerikaner Trump für kompetenter als Harris. Und, man wagt es im 2024 kaum auszusprechen, im grundsätzlich konservativen Amerika, scheint es ein Nachteil zu sein, dass Kamala Harris eine Frau ist. Vereinfachte, verkürzte Aussagen werden mit Volksnähe, Ehrlichkeit, Führungsstärke und Kompetenz gleichgesetzt bzw. verwechselt. Das hat die USA allerdings nicht exklusiv.

Stimmung schlechter als die Realität

Die Stimmung, die sich am Verbrauchervertrauen abbildet (derzeit ca.70 Punkte), ist viel schlechter als die Realität mit niedrigen Arbeitslosenzahlen (ca. vier Prozent) und recht stabiler Wirtschaftswicklung (plus 2,70 Prozent). Normalerweise hätte ein amtierender Präsident mit diesem Wert kaum eine Chance wiedergewählt zu werden (und wurde es bisher auch nie). Aber Frau Harris ist ja nicht die amtierende Präsidentin.

Innerparteilich spricht für Harris, dass sie sich nicht in einer Kampfabstimmung durchgesetzt hat, sondern das Biden, nach desolaten Auftritten, „freiwillig“ zurücktrat.

Immerhin gelang das eigentlich „Unmögliche“. Nach dem Trump-Attentat, bewirkte der Kandidatenwechsel bei den Demokraten noch ein positives Momentum, das sich in den letzten Tagen aber etwas abgekühlt hat. Beide Kandidaten können prominente Unterstützer vorweisen, die bestimmte Wählergruppen motivieren sollen, den Wahlkampf finanziell unterstützen oder auch Veranstaltungen organisieren.

Mögliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte

Es klingt hart, aber Kapitalmärkte sind nicht sozial oder gar empathisch. Auch nicht in einer sozialen Marktwirtschaft. Für die internationalen Kapitalmärkte ist es eigentlich egal, ob die USA demokratisch oder republikanisch regiert werden. Noch ist die wichtigste Adresse der US-Kapitalmarkt. Hier halten sich beide Lager stets mit Eingriffen zurück, da die amerikanische Altersvorsorge sehr stark von börsengehandelten Wertpapieren bestimmt wird. Sehr wichtig ist die betriebliche Altersvorsorge („401k/403k-Pläne“). Die durchschnittliche Rente aus der gesetzlichen

Rentenversicherung („Social Security“) liegt bei ca. 1.500 US-Dollar. (Ver)störend ist allerdings, dass Trump ankündigte den amerikanischen Notenbankchef Powell entlassen zu wollen und selbst mehr Einfluss auf die amerikanische Geldpolitik nehmen würde, sofern er die Wahl gewinnt. Eine erratische, extrovertierte Regierung, die auch noch mit internationalen Bündnissen bricht, könnte hier negative Effekte erzeugen. Andererseits hätten die üblichen, lancierten Steuersenkungen, zunächst eine positive Wirkung, wobei man sich ja stets fragen muss, woher das Geld dafür kommen soll. Insbesondere da sich die US-Staatsverschuldung bei 123 Prozent vom BIP befindet. Hinsichtlich des relevanten drei Billionen schweren „Inflation-Reduktion-Acts“ der eigentlich ein Wirtschaftsförderungsprogramm ist und damit tendenziell „inflationsfördernd“ wirkt, muss man sich wohl weniger Gedanken machen. Obwohl es hier hauptsächlich um erneuerbare Energien („renewables“) geht und Begriffe wie Nachhaltigkeit verpönt sind, sind die Hauptnutzer bisher eindeutig republikanisch geführte „Ölstaaten“, die fast 200 Mrd. US$ Fördermittel abgerufen haben. Die Gelder werden übrigens hauptsächlich für den Neubau von Wind- und Solaranlagen investiert.

Fazit

Die meisten breit diversifizierten Wertpapierportfolios aus aktiven Fonds und Einzeltiteln haben eine hohe Gewichtung in US-Titel. Die großen, beliebten, passiven Indexfonds sowieso. Der MSCI-World- Index enthält beispielsweise gut 70 Prozent USAktien. Eine Erhöhung des US-Anteils, aufgrund der Erwartung eines bestimmten Ergebnisses, ist deshalb meist nicht notwendig. Unabhängig vom Wahlausgang sind eher Gewinnmitnahmen, Beimischungen von mittlerweile wieder ordentlich verzinsten Anleihen oder auch europäischen Titeln sinnvoll. In Deutschland ist zusätzlich die Abgeltungssteuer zu berücksichtigen, die bei Umschichtungen negativ wirkt.

Grundsätzlich sollte man auch nicht auf den Ausgang politischer Ereignisse (Wahlen, BREXIT, GREXIT etc.) spekulieren. Im Fall der US-Wahl wäre es lediglich eine „50:50Wette“ und keine Investition. Sofern man vor Investitionsentscheidungen am Kapitalmarkt steht, kann man abwarten und etwas Liquidität zurückhalten zumal das Zinsniveau für Einlagen einigermaßen akzeptabel ist. Evtl. verpasst man etwas Performance, das ist aber nicht dramatisch. Allerdings kann der Wahlausgang auf nicht monetärer Ebene zu politischem und diplomatischem Stress führen, den man in der heutigen Zeit nicht braucht.

Marktkommentar von Andreas Görler, sen. Wealth Manager, zert. Fachmann für nachhaltige Investments, Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH in Berlin.