Unethische Asset Allocation Methoden

15.02.2015

Markus Schuller

Die Tätigkeit am Finanzmarkt ist komplex in ihrer Durchführung, jedoch nicht kompliziert in ihrer Aufgabenstellung zu fassen. Es geht darum, das Verhalten anderer Marktteilnehmer einzuschätzen, währenddessen man sich selbst einschätzen muss. Eine non-triviale Aufgabe in der Bewältigung von Komplexität. Die Tätigkeit bleibt personenzentriert, trotz all der am Finanzmarkt ausgeprägten Präferenz zur Mathematik und ihrer Möglichkeit der Modellbildung.

Definition von Ethik für Finanzmarktteilnehmer

Zur Durchsetzungsproblem der Ethik: Einsicht in die Richtigkeit ethischer Prinzipien mag zwar vorhanden sein, daraus folgt aber nicht automatisch, dass der Mensch auch im ethischen Sinne handelt. Die Einsicht in das richtige Handeln bedarf einer zusätzlichen Motivation oder eines Zwangs. Für heutige Finanzmarktteilnehmer übersetzt: der Einzelne benötigt Wissen und Willen (intrinsisch), gepaart mit Zuckerbrot und Peitsche (extrinsisch), um seine Einsicht in die Richtigkeit ethischer Prinzipien auch in die Tat umzusetzen.

Über unethisches Handeln

Wissenschafter der UCLA Berkeley haben in 7 aufschlussreichen Untersuchungen (2012) den Zusammenhang zwischen sozialem Status und Unrechtsbewusstsein untersucht. Fazit: Je weiter oben in der sozialen Hackordnung stehend, desto weniger Hemmungen hat man, sich unethisch zu verhalten. Was kann von einem professionellen Finanzmarktteilnehmer nun erwartet werden:

- Willen zur Wissenheit

- Willen zur Umsetzung seiner Wissenheit, trotz Risiko des Scheiterns

- Willen in der Umsetzung seiner Wissenheit einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen

Unethisches Handeln eines professionellen Finanzmarktteilnehmers nährt sich folglich aus den Quellen:

- Unwillen zur Wissenheit - Ergebnis: Unwissenheit

- Unwissenheit trotz Willen - Ergebnis: Unwissenheit

- Unwillen zur Umsetzung trotz Wissenheit - Ergebnis: Handeln wider besseren Wissens

Die Vortäuschung

Als etablierte Form des unethischen Handelns professioneller Finanzmarktteilnehmer kann die Vortäuschung angeführt werden. Sie kann sowohl von Unwissenheit als auch vom Handeln wider besseren Wissens genährt werden. Geld als abstraktes Kommunikationsmittel der Macht zwischen Individuen wird an Finanzmärkten eine Plattform zum Austausch geboten. Dieses Kommunikationsmittel lädt auf Basis der Legitimation von Gier dazu ein, vorzutäuschen.

Unethische Asset Allocation Methoden

Wie ist unethisches Verhalten von professionellen Finanzmarktteilnehmern in der Asset Allocation zu verstehen? Die zwei genannten Methoden stellen einen Auszug dar. Beide zeigen unethisches Handeln, also entweder von Unwissenheit oder von Handeln wider besseren Wissens genährt.

I. Market Timing

Zu den Implikationen der zweiten Asset Allocation Generation gehört die Unterscheidung zwischen Strategischer (SAA) und Taktischer Asset Allokation (TAA). Sie ist eine Weiterführung der Idee des 20. Jahrhunderts, dass Märkte getimed werden können (TAA). Der eigenen Fähigkeit zur mehrheitlich richtigen Prognose sei Dank. Damit wird verstanden, dass das Risiko-Return Verhalten eines Portfolios optimiert werden kann, in dem auf Ebene der Einzeltitel oder Assetklassen sektoral, geographisch oder direktional rotiert wird. Kurz, man versucht entlang eines Wirtschaftszyklus das Portfolio antizipativ auf die nächste Phase vorzubereiten. Gleiches gibt man an, auch für die Inflektionspunkte in der Bepreisung von Assets tun zu können.

Wir wissen aus einer Vielzahl von Studien, dass die Prognosefähigkeit von Ökonomen/Asset Managern hinsichtlich der Zyklenbestimmung stark limitiert ist. Beispielhaft sei eine groß angelegte Studie von Prof. Tetlock (UPENN, 2006) mit 28.000 Prognosen seitens Experten erwähnt. Ergebnis: deren Prognosen auf Basis von mathematischen Modellen, Denkschulen, etc. waren statistisch ununterscheidbar zu willkürlichem Raten. Nobel Laureat Prof. Shiller begründete in seinem Beitrag „What Good Are Economists", dass es für Ökonomen durchaus ein für die Realwirtschaft sinnstiftendes Betätigungsfeld gibt, die Prognose gehört nicht dazu.

Nun darf von einem professionellen Marktteilnehmer erwartet werden, dass er sich seine eigenen Fertigkeiten und deren Grenzen vergegenwärtigt. Am Ende müsste die Einsicht stehen, das Glücksspiel „Market Timing" zu unterlassen. Stattdessen wird versucht mit noch komplexeren mathematischen Modellen an der Prognosegüte zu arbeiten. Prognosen sind Teil der Marketingstrategie von professionellen Finanzmarktteilnehmern. Von ihnen abzulassen widerspricht dem Geschäftsinteresse. TV- und Radiostationen nehmen das Wechselspiel von Mainstream und Outlier Prognosen dankend an. Das Programm muss gefüllt werden. Willkommen in der Vortäuschung. Ein unethisches Handeln.

II. Index-hugging Publikumsfonds

Die Existenzgrundlage für traditionelle Publikumsfonds (Long-Equity / Long Fixed Income / Balanced Portfolio) liegt in der Aussicht auf Outperformance gegenüber der jeweiligen Benchmark. Man spricht dabei vom Erzielen von Alpha. Dazu muss die Brutto-Outperformance im Vergleich zum Index groß genug sein, um nach operativen Managementkosten, Transaktionskosten, Strukturkosten und Vertriebskosten immer noch Alpha in das Portfolio des Investors zu liefern.

Wie gut gelingt es der Industrie, die eigenen Ansprüche zu erfüllen? Nun, nicht allzu gut. Mit steter Regelmäßigkeit belegen Studien die Underperformance von traditionellen Publikumsfonds. Das Muster der chronischen Underperformance kann seit Mitte des 20. Jahrhunderts als stabil angenommen werden. Zwar versucht sich die Industrie an Innovationen zu verbessern – Stichwort 130/30 Fonds, Absolute/Total-Return Publikumsfonds oder Alternative UCITS. Laut 2011 ICI-Factbook hielten Aktienfonds – inklusive etwaiger Mutationen - weltweit Ende 2010 zu 95,2% Aktien und 3,5% Cash. Alternative Spielvarianten in einer Publikumsfondshülle repräsentieren zwar eine wachsende, aber immer noch marginale Minderheit.

Toxische Formel: Fees + Index-hugging

Prof. Amihud (NYU Stern University) co-publizierte 2013 eine Studie, ob traditionelle Publikumsfonds ihre Fees wert sind. Sein Ergebnis: Der Median-Publikumsfonds hat einen R-squared von 93% zum Index. Sein Kommentar: „They tell you they are active funds and take your money but do something close to the index." Nicht umsonst sagt ein altes Finanzmarkt- Sprichwort sagt: „Mutual Funds are sold, ETFs are bought." Es verweist also auf die immer noch gut funktionierenden Vertriebswege der Publikumsfonds-Initiatoren, trotz bescheidender Leistungsschau.

Das Betreiben und Verkaufen von traditionellen index-hugging Publikumsfonds ist unethisch. Die daran beteiligten Personen könnten und müssten es besser wissen. Gerne wird beansprucht, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, doch dies ist lediglich eine weitere Ausprägung der zuvor erläuterten Vortäuschung. Tatsächlich wird mit Kunden ein klassisches Spiel nach der „Greater Fool Theory" vollzogen. Sprich, selbst wird etwas Dummes in der Hoffnung produziert, jemand ist noch dümmer und kauft es einem ab.

Dabei geht es hier nicht um die leidige Debatte zwischen Aktiv VS Passiv Investments. Aktiv gemanagte Portfolios mit einer realistischen Chance auf Outperformance für den Investor haben ihre Existenzberechtigung. Wenn ein Manager in einer Nische operiert, in der ihm die gesammelte und interpretierte Information einen Vorsprung im Verständnis gegenwärtig kausaler Treiber gibt, ist eine realistische Alpha Chance für den Investor gegeben. Hierfür braucht es keine Prognosen. Sie repräsentieren derzeit die Ausnahmen. Vorgetäuschter Alpha-Anspruch bei konsistenter Underperformance zum Beta aufgrund der strukturellen Konzeption eines Produktes ist nicht nur abzulehnen, sondern als unethisch zu verurteilen.

Anstatt in traditionelle Index-hugging Publikumsfonds zu investieren, sollte der institutionelle, wie private Investor gleich in Indexfonds oder ETPs allokieren. Diese erheben keinen Alpha-Anspruch und sind deutlich kostengünstiger.

_(Autor: Markus Schuller, Panthera Solutions)

_www.panthera.mc