Steigende Schulden, aber (noch) keine Inflation

29.06.2020

Michael Beck, Leiter Asset Management Ellwanger & Geiger / Foto: © Ellwanger & Geiger

Die Coronakrise hat große Teile der Welt innerhalb kurzer Zeit lahm gelegt – mit massiven wirtschaftlichen Folgen. Vor allem die Staatsverschuldung dürfte wohl deutlich steigen. Inflation dürfte es wohl (zunächst) aber nicht geben.

Um die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie zu begrenzen, haben Zentralbanken und Staaten Hilfspakete geschnürt, die bereits jetzt über das Maß hinaus gehen, was während der Krise 2008/2009 von staatlicher Seiten an Unterstützung gewährt wurde. „Die umfassenden Maßnahmen sind gerechtfertigt. Anders als die Finanzkrise, die eine endogene Krise war, also aus dem Finanzsystem selbst herauskam, handelt es sich bei der Coronapandemie um einen physischen Schlag, der die Wirtschaft wesentlich härter trifft“, meint Michael Beck, Leiter Asset Management beim Stuttgarter Privatbankhaus Ellwanger und Geiger.

Die umfangreichen Staatshilfen haben jedoch auch eine Schattenseite: Die staatlichen Schuldenberge wachsen immer weiter in den Himmel. So beträgt Deutschlands Verschuldungsquote inzwischen fast 80 % und damit knapp 20 Prozentpunkte mehr als noch vor zwei Jahren. Für Frankreich wird eine Quote von fast 120 %, für Italien sogar von 160 % prognostiziert. „Auf Sicht von zwei bis drei Jahren steckt hier das Potenzial einer Staatsschuldenkrise, doch aktuell können die hohen Schulden wegen der niedrigen Zinsen getragen werden. Da keine baldige Zinserhöhung zu erwarten ist, ist die Gefahr gering“, meint Beck. „Das Niedrigzinsniveau ist damit aber für die nächsten Jahre zementiert. Dennoch kann man sich mittel- und langfristig fragen, ob die Verschuldungsquoten zu hoch sind.“

Durch die massive Erhöhung der Geldmenge steigt auch die Gefahr starker Inflation. Jedoch ist die Nachfrage aufgrund der zahlreichen Beschränkungen und der allgemeinen Unsicherheit derzeit deutlich unter Normalniveau, weshalb das Inflationsrisiko gering bliebt- im Gegenteil: Weil die Unternehmen möglicherweise mit Niedrigpreisen um Kunden kämpfen könnten, besteht Deflationsgefahr. Erst wenn der Konsum wieder merklich steigt, könnte es zum Risiko steigender Inflation kommen.

Wo sich die Inflation hingegen auswirkt, ist am Anlagemarkt. Die Gelder müssen investiert werden und führen so zu Vermögenspreisinflation bei Aktien und Anleihen sowie Sachwerten wie Immobilien oder Gold. „Hier gibt es bei einem zu hohen Anstieg die Gefahr einer Blasenbildung, weshalb es wichtig ist, dass sich die Wirtschaft schnell erholt“, betont Beck.

Vorsicht ist geboten

Diese Risiken rücken die Bedeutung einer umfassenden Diversifizierung weiter in den Fokus. Aktive Anleger können Schwankungen ausnutzen, um günstig einzusteigen, weshalb es sich lohnt einen Cashpuffer von rund 5-10 % zu halten. „Generell ist derzeit eine defensivere Ausrichtung der Vermögensanlage zu empfehlen, da sich die Wirtschaft vermutlich erst mit einem Impfstoff vollständig erholt und weiterhin mit einer zweiten Ausbruchswelle im Winter zu rechnen ist“, warnt Beck. (ahu)