„Selbst beim Erreichen des Zwei-Grad-Ziels könnten die Schäden noch gigantisch sein“

25.10.2021

Tim Bachmann, Fondsmanager des DWS Invest ESG Climate Tech / Foto: © DWS Invest

Die Treibhausgasminderungsziele sind bis 2040 verbindlich festgelegt. Die Emissionen sollen bis 2030 um mindestens 65 % gesenkt werden. Wie ernst die Lage ist und was es tun gilt, darüber sprach finanzwelt mit Tim Bachmann, Fondsmanager des DWS Invest ESG Climate Tech.

finanzwelt: Der Weltklimarat IPCC warnt im neuen Sachstandsbericht vor einer deutlich rascheren Erwärmung als bislang angenommen. Wie ernsthaft ist aus Ihrer Sicht die Lage? Tim Bachmann» Die Botschaft des Berichts war klar: Werden die Treibhausgasemissionen nicht sofort, schnell und umfassend verringert, ist das Pariser Klimaschutzziel unerreichbar. Sollte es verfehlt werden, dürften nicht nur die aufgrund von Naturkatastrophen messbaren Schäden weiter steigen. Auch die Auswirkungen auf Wirtschaft und Finanzmärkte könnten erheblich sein. Selbst in einem Szenario, in dem der Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius begrenzt wird, könnten die Schäden gigantisch sein. Der Report verdeutlicht gleichzeitig, dass die bislang global beschlossenen, staatlichen Investitionen nicht ausreichen. Studien der IEA zeigen, dass die jährlichen Investitionen in Erneuerbaren Energien, das Energienetz sowie Energieeffizienz 2020 bis 2030 mehr als 2 Bio. Dollar und 2030 bis 2040 über 3 Bio. Dollar jährlich betragen müssen, um das Erreichen der Pariser Klimaschutzziele zu ermöglichen. Zwar sind wir von diesen Investitionssummen noch weit entfernt, sehen allerdings gleichzeitig gute Anlagechancen.

finanzwelt: Wo sehen Sie mit Blick auf den Energiesektor die größte Herausforderung? Bachmann» Zunächst benötigen wir zusätzlichen technologischen Fortschritt, um die wirtschaftliche Attraktivität von Erneuerbaren Energien weiter zu steigern. Darüber hinaus müssen bestehende regulatorische Lenkungsmechanismen überarbeitet und neue eingeführt werden, um den Ausbau fossiler Energien zu bremsen. Und schließlich sollten Modernisierung und Ausbau der Energienetze schneller vorangetrieben werden. Dazu brauchen wir eine Vereinfachung der Genehmigungsverfahren.

finanzwelt: Viel wird über die Klimaneutralität und eine negative CO2-Bilanz einzelner Unternehmen gesprochen. Ist das ein großer Wurf oder vielleicht doch ein leeres Versprechen? Bachmann» Bei der negativen CO2-Bilanz geht es um den Einsatz von CO2-Abscheidung und CO2-Speicherung (CCUS), um der Atmosphäre gebundenen Kohlenstoff zu entziehen. Diese Technologie kann entweder für den eigenen Betrieb genutzt oder in Form von Beteiligungen unterstützt werden. Grundsätzlich glaube ich, dass die Klimaziele ohne den Einsatz von CCUS nicht erreichbar sind. Allerdings dürfte sich der Einsatz in besonders CO2-intensiven Industrien aufgrund der zu niedrigen CO2-Preise in der Breite noch nicht rechnen.

finanzwelt: Bei der Fonds-Länderstruktur stechen US-amerikanische Werte mit knapp 50 % hervor. Sind die Vereinigten Staaten in Sachen Klima/ESG weiter? Bachmann» Die USA und Europa (ex UK) sind mit 44 und 40 % ungefähr gleich hoch gewichtet. Dafür gibt es drei Gründe: Acht der zehn größten Anbieter von sauberen Technologien stammen aus Europa. Die USA stellen zwar gemessen am Firmenwert den größten Markt für saubere Technologien dar, allerdings entfallen 80 bis 85 % des gesamten Werts auf lediglich zwei Unternehmen. Jedoch verfügen die USA im Vergleich zu Europa und China noch über enormes Aufholpotenzial beim Ausbau der Erneuerbaren Energien oder der Elektrifizierung des Transportwesens. Und schließlich bevorzugen wir, um das Wachstumspotenzial in den Schwellenländern abzudecken, multinationale Unternehmen, die sich häufig in den westlichen Ländern befinden. (ah)