Prioritäten und Weichenstellung beim Vermögensaufbau

26.08.2024

Andreas Görler. Foto: Pruschke & Kalm GmbH

Das liquide Geldvermögen hat sich in letzter Zeit wieder deutlich erhöht. Hintergrund sind auch die gestiegenen Bewertungen bei liquiden Sachwerten wie Aktien und das mittlerweile wieder erhöhte Zinsniveau. Aktuell liegt das Bruttovermögen der privaten Haushalte bei ca. 7,70 Billionen Euro. Das deutsche Immobilienvermögen liegt in etwa bei 12 Billionen Euro.

Laut statistischem Bundesamt beträgt das Bruttogeldvermögen 58.000 Euro je Haushalt. Das Nettogesamtvermögen, bei dem auch Immobilien und Schulden berücksichtigt werden, beträgt ca. 163.000,Euro. Da das Vermögen in Deutschland sehr ungleichmäßig verteilt ist, ist der Anteil an Haushalten, die deutlich geringere Vermögenswerte auszuweisen haben hoch. Die wohlhabendsten zehn Prozent besitzen 60 Prozent des Gesamtvermögens. Die unteren 20 Prozent besitzen gar kein Vermögen. Neun Prozent der Haushalte sind verschuldet. Auch die Verschuldung durch Konsumentenkredite hat deutlich zugenommen und betrifft schwächer aufgestellte Haushalte überproportional.

Bei überschuldeten Menschen betragen die Schulden im Durchschnitt das 26-fache des monatlichen Nettoeinkommens. Da das Sparen oder Anlegen aus einem Negativsaldo nicht zielführend ist, sollte Insbesondere die Vermeidung von Schulden in jungen Jahren oberste Priorität haben.

Sachlich über Geld reden

In Deutschland wird meist wenig über Geld gesprochen. Es muss ja auch nicht das erste Thema sein, wenn Menschen sich kennen lernen. Aber gerade, wenn man zusammenleben will oder eine Familie plant, ist die finanzielle Sicherheit ein wichtiges Thema über das offen kommuniziert werden sollte. Grundsätzlich ist es sinnvoll das jeder Lebenspartner sein eigenes Konto hat. Für gemeinsame Ausgaben für den Lebensunterhalt, Reisen etc. sollte zusätzlich ein Gemeinschaftskonto eröffnet werden in das die Partner einzahlen. Es klingt unromantisch aber es ist schwer nachvollziehbar, wenn Durchschnittverdiener fünfstellige Beträge für eine Hochzeit ausgeben. Es geht sogar so weit, dass Paare auf Kreditvermittlungsportalen Gelder für das Ereignis einsammeln und dann Kreditraten abstottern müssen. Wenn der Trubel verflogen ist fehlt das Geld womöglich und man hat einen unnötig schlechten Start ins Familienleben Schulden bedeuten meistens auch Stress in der Partnerschaft.

Zunächst an die eigene Vorsorge denken

Natürlich ist es verständlich, dass man versucht seine Kinder abzusichern und sie auch beim Start in das Berufsleben oder die Unabhängigkeit unterstützt. Allerdings sollte zunächst die eigene Vorsorge stabil aufgestellt werden. Sonst müssen die Kinder letztlich irgendwann doch wieder für die Eltern aufkommen, wenn die Eigenvorsorge vernachlässigt wird. Hierfür eignen sich beispielsweise Fondssparpläne mit aktiven und passiven Fonds. Wenn man die Möglichkeit hat monatlich 100 Euro für ein Kind zurückzulegen kommen nach 18 Jahren, bei einer Nettorendite von vier Prozent nach Kosten, unter Berücksichtigung des Steuerfreibetrages sowie Abgeltungssteuer/Solidaritätszuschlag immerhin schon gut 29.000 Euro zusammen. Das sollte eigentlich genug sein für den Start ins Leben. Einem gerade erst volljährig gewordenen Menschen große Beträge oder Immobilien ohne Auflagen zu überlassen ist meist nicht Charakter fördernd und hemmt die Eigeninitiative.

Finanzielle Erziehung fängt sehr früh an

Bei der „finanziellen Erziehung“ sollte früh man auf einfache sicht- und fühlbare Methoden zurückgreifen, da Kinder zunächst auf das reagieren, was sie sehen:

- zahlen Sie in Anwesenheit von Kleinkindern bar, nur so erkennt das Kind, dass man etwas geben muss, um etwas zu bekommen. Das Auflegen eines Handys oder einer Karte, die man ja behält, wird nicht als „Bezahlung“ wahrgenommen. Das wirkt eher, wie ein Zauberstab mit dem man sich alle Wünsche erfüllen kann

 - lassen Sie ein Kleinkind kleinere Dinge, wie ein Eis, selbst bezahlen. So fühlt das Kind auch, dass man etwas abgeben muss

 - erhält das Kind bereits Taschengeld, zögern Sie Spontankäufe beim Einkauf hinaus („Du kriegst ja das, was Du möchtest, aber erst nachdem  Du Dein Taschengeld bekommen hast“). Das Kind lernt so automatisch,  dass Einnahmen vor Ausgaben kommen, also das Sparen ohne, dass die  Eltern sich in abstrakten Erklärungen verlieren. Abgesehen davon hat das Kind den „begehrten Artikel“ zu Hause oder am nächsten Tag meist schon wieder vergessen.

Zu viel Geld für Statussymbole

Wer sein Geld dafür auf den Tisch legt, um andere zu beeindrucken hat bezüglich der Altersvorsorge meist sowieso schon verloren. Auch Urlaube aus dem Dispokredit oder privates Leasing, oft für zu große PKWs, sind keine Empfehlung. Es ist ein großer Unterschied, ob man sich etwas leisten oder „nur“ bezahlen kann. Letzteres geschieht oft auf Kredit und führt zu Überschuldung. Ca. 5,6 Millionen Bundesbürger sind überschuldet. Im ungünstigsten Fall über einen Dispositionskredit oder noch teurere Kreditkarten-Kredite.

Vorsicht bei Kleinkrediten

Auch jeder Ratenkauf ist ein Kredit und jede noch so geringfügige Kreditvereinbarung landet in der SCHUFA. Das wirkt sich mit der Zeit negativ aus. Der SCHUFA-Score sinkt Die SCHUFA ist auch keine KI, sondern beinhaltet nur einen einfachen Algorithmus.

Selbst, wenn man gut situiert ist und aus Renditegründen etwas auf Raten bezahlt, weil man sein Geld besser angelegt hat, wird das vom System nicht so wahrgenommen. Wenn man dann ein relevantes Darlehen, wie eine Immobilienfinanzierung benötigt, erhält man ggfs. schlechtere Konditionen oder gar keine Finanzierung.

Bei Versicherungen selektiv vorgehen

Auch bei Versicherungen, sollte man sich zunächst auf das Wesentliche konzentrieren. Der deutsche Durchschnittbürger ist im Segment Lebensversicherungen eher überversichert. Das hängt noch mit den hohen Abschlussquoten aus der Vergangenheit zusammen. In den meisten Fällen sind “klassische Lebensversicherungen“ aber nicht sinnvoll bzw. nicht mehr so lukrativ. Ein kostengünstiger Einstieg besteht darin, dass zumindest die Person, die hauptsächlich für das Haushaltseinkommen verantwortlich ist eine günstige Risikolebensversicherung abschließt, so dass die Hinterbliebenen versorgt sind, falls etwas passiert. Die Versicherung sollte ggfs. die Zeit der Schulausbildung und des Studiums der Kinder abdecken. Private Haftpflichtversicherungen sind ein Muss.

Unfallversicherungen für Kinder sind grundsätzlich zu empfehlen. Im Segment Berufsunfähigkeitsversicherung machen die deutschen definitiv zu wenig. Gerade wenn man Berufsanfänger ist, sind diese Versicherungen noch relativ günstig. Wenn man die Arbeitsfähigkeit verliert, hat man in der Regel keine Möglichkeit mehr etwas für das Alter zurückzulegen. Es gibt in Deutschland ca. 40.000 unabhängige Versicherungsberater, die mit mehreren Versicherungen zusammenarbeiten, bei denen man eine ordentliche Beratung erhält. Auch andere Finanzdienstleister, wie Vermögensverwalter oder Anlageberater, verfügen über ein Netzwerk, das auch Versicherungsberatung einschließt. Grundsätzlich erachte ich es für sinnvoller die Themen Geldanlage und Versicherungen separat zu betrachten.

Bodenhaftung behalten

Insbesondere, wenn es gut läuft werden Gehaltsentwicklungen und Karrieren, ähnlich wie Börsenverläufe, einfach linear in die Zukunft projiziert. Gerade in dieser Phase ist es aber wichtig Disziplin zu wahren und ca. 50% von Gehaltszuwächsen oder Einsparungen bei den Ausgaben in die Altersvorsorge zu investieren, vorhandene Sparpläne zu erhöhen und nur den Überschuss für Konsumgüter auszugeben.

Gastbeitrag von Andreas Görler, Senior Wealth-Manager, zert. Fachmann für nachhaltige Investments Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH, Berlin