(Nicht) Alle Eier in einen Korb

07.04.2015

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Mehr als 60 Jahre nach der ersten Veröffentlichung von Henry Markowitz „Portfolio-Selection“ sind „Streuung“ und „Diversifikation“ so selbstverständliche Schlagworte geworden, dass mittlerweile sogar die Finanzaufsicht BaFin davon gehört hat und bei der Zulassung von Fondsprodukten eine „ausreichende Streuung“ fordert.

Multi Asset-Produkte mit Portfolios über alle gängigen Assetklassen scheinen sich dieser Vorstellung eines „richtig“ diversifizierten Produkts perfekt anzupassen – wenn es denn das „richtige“ Produkt für alle Lebenslagen gibt.

„Nicht alle Eier in einen Korb“ ist die einfachste Umschreibung für das Streuungsprinzip bei der Vermögensanlage. Gemeint ist: Ein Vermögen sollte nie in eine einzelne Anlageform gesteckt, sondern auf viele verschiedene verteilt werden, um das Gesamtrisiko durch Streuung (Diversifikation) zu verkleinern. Hier steckt die Grundidee der Portfoliobildung: Keine Aktie, keine Anleihe, keine Immobilie oder irgendeine andere Anlage ist für sich genommen gut oder schlecht, sondern immer nur so gut, wie es zum Gesamtrisiko und Gesamtertrag des Portfolios beiträgt. Der springende Punkt: Die (erwarteten) Erträge der verschiedenen Assets können einfach aufaddiert werden, die Risiken nicht. Beim Risiko hängt alles von der Korrelation ab: Je schwächer der Zusammenhang (die Korrelation) zwischen den Einzelrisiken ist, desto mehr Risiko verschwindet beim Addieren der einzelnen Anlagen. Markowitz entwickelte von daher die Unterscheidung zwischen „systematischem“ und „unsystematischem“ Risiko. Das unsystematische Risiko verschwindet durch Mischung, das systematische Risiko ist der relevante Teil, der bestehen bleibt und daher zum Gesamtrisiko des Portfolios beiträgt.

Aktien, Anleihen und Geldmarktanlagen, möglichst international gestreut über mehrere Währungen, dazu Immobilien und vielleicht auch ein paar Barren Edelmetall sind Standardanlagen, die jedem Anleger zur Verfügung stehen. Wenn man nun der BaFin-Forderung nach „Streuung “ in einem Produkt folgt und all das wieder in einem Fonds bündelt, läuft man im Kreis und landet bei einem paradoxen Ergebnis: ein einzelnes Produkt für das ganze Vermögen. „Ich halte das grundsätzlich nicht für vertretbar“, grenzt Schroders-Manager Charles Neus unmissverständlich ab. Kein noch so breit angelegter, alle Klassen berücksichtigender Multi Asset Fonds tauge dazu, das gesamte Vermögen aufzunehmen. Da könne es allenfalls pragmatische Ausnahmen geben, wenn die Anlagesumme zu klein ist, um sie auf mehrere Positionen zu verteilen.

Hinter der Diversifikation steckt mehr als nur „Mischen“.

Warum mehrere Instrumente, wenn ihnen jeweils genau das gleiche Anlageuniversum zugrunde liegt, dessen Bestandteile nach den Regeln der Portfolioselektion kunstgerecht zusammen gemixt wurden? Offenbar steckt hinter der Diversifikation etwas mehr als nur „Mischen“. Da wäre die Frage, wer welche Rolle bei der Diversifikation übernimmt. Die Antwort aus Sicht der reinen Theorie ist seit über 50 Jahren bekannt: Die Risikominimierung durch Portfoliobildung ist Aufgabe des Anlegers, während die Anbieter von Investitionschancen (Anlageprodukte) aus schließlich Ertragsmaximierung betreiben sollen ohne Rücksicht auf das Risikoprofi l. Allerdings beruht dieses Ergebnis auch auf sehr speziellen Annahmen der allgemeinen Theorie: Keine Kosten für den Handel und die nötigen Informationen, beliebig und nahezu unendlich teilbare Anlagegüter sind die wichtigsten. In der Praxis sieht es natürlich ganz anders aus, weil der Handel mit den Anlagen Kosten verursacht, vor allem wenn nur kleine Stückzahlen von Wertpapieren gehandelt werden, da Konten geführt und Transaktionen verbucht werden müssen.

**Noch teurer sind die Informationsprobleme.

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Nach welcher Methode auch immer gefertigt: In jeder Aktienbewertung oder Bonitätseinschätzung für einen Anleiheemittenten steckt immer Arbeit, die bezahlt werden muss – unabhängig davon, ob 5.000 Euro oder 5 Millionen Euro auf dieser Grundlage angelegt werden. Das theoretisch erreichbare Optimum durch das „selbstgestrickte“ Portfolio kann also ziemlich schnell eine (zu) teure Angelegenheit werden. Allerdings zeigt ein Blick auf die Ergebnisstatistik auch, dass der Aufwand zur Information auch nicht automatisch bessere Ergebnisse bringt: Aktiv gemanagte Fonds haben im Durchschnitt eine schlechtere Performance als der jeweilige Markt. Hier kommt auch die persönliche Handschrift des jeweiligen Fondsmanagers zum Tragen, die dafür sorgt, dass die Fonds eben nicht glatt austauschbar sind. BfV Bank für Vermögen AG plant das sogar bewusst ein: „Wir suchen uns den für die jeweilige Strategie besten Fonds-Vermögensverwalter am Markt aus und überwachen dessen Leistungen. Sollten wir nach einer gewissen Zeit feststellen, dass die Leistungen durchschnittlich bis unterdurchschnittlich werden, kündigen wir dem Vermögensverwalter das Mandat und ersetzen ihn“, erläutert Oliver Lang, Vorstand der BfV.

Die individuelle Risikoneigung der Anleger.

Die konventionelle Portfoliotechnik liefert nicht nur ein einzelnes Portfolio, sondern eine ganze Menge Alternativen, bei denen mit der Ertragschance auch das Risiko steigt. Zwischen diesen Optionen müsste der Anleger wählen – oder den Spieß umdrehen. Am Ende kann man jeden Fonds (jedes Portfolio) als Baustein in ein größeres Portfolio einbauen und so wieder individuell gewünschte Mischungen erreichen. Dabei könnte ein Multi Asset Fonds in jedem Falle eine Rolle als Kern- („Core“) Investment spielen, das „den“ Markt abbildet und ganz nach Bedarf und persönlichen Wünschen und Überzeugungen des Investors ergänzt wird.

Die als „core-satellite“ bekannte Strategie hat einen besonderen Charme.

Die „core-satellite“ Strategie führt automatisch dazu, dass der Anleger mit vom Markt abweichenden Gewichtungen die Chance entwickelt, „den Markt“ zu schlagen, indem man gezielt auf bestimmte Länder oder Regionen setzt oder auch Entwicklungschancen bestimmter Branchen zu nutzen versucht. Unternehmensanleihen, Aktien global und Emerging oder Frontier Markets sind aus Sicht von Charles Neus die am nächstliegenden Ergänzungen, die allerdings dann auch genauer verfolgt werden müssen: „Diese Aufteilung sollte natürlich regelmäßig überprüft werden“, so Neus. Dabei kann sich der Anleger ganz auf seine speziellen Interessen konzentrieren und sich dort in die Details der zugrundeliegenden Werte und Derivate vertiefen und den „Gesamtmarkt“ einem umfassenden Vehikel wie einem Multi Asset Fonds überlassen. „Hier kommt die Frage ins Spiel, wie viel Zeit und Engagement der einzelne Anleger seinem Depot widmen will. Es ist ein bisschen so wie die Frage, wie viel will ich selbst gärtnern und was überlasse ich anderen?“, umschreibt BlackRock-Manager Christian Machts die hier zu treffende Wahl.

Letztlich können Multi Asset Fonds in diesem Rahmen anstelle von Anleihen

als „sichere“ Anteile in den Strategien angesehen werden.

Hier kommt zum Tragen, dass der erweiterte Spielraum über mehrere Assetklassen hinweg es ermöglicht, vorab definierte Ziele wie „möglichst gleichmäßiger Einkommensstrom“ oder „Sicherheit“ besser zu erreichen sind als bei der Beschränkung auf nur eine Assetklasse. So können entsprechend ausgerichtete Multi Asset Fonds gerade im aktuellen Umfeld mit extrem niedrigen Zinsen und Anleiherenditen höhere laufende Einkommen bieten als die reinen Festzinsanlagen, ohne dabei größere Risiken einzugehen. Diese Eigenschaften schätzen auch Käufer von Fondspolicen: „Durch die breite Streuung können sie nicht nur von Renditechancen in unterschiedlichsten Assetklassen profitieren, sie sorgen auch für ein gewisses Maß an Risikoreduzierung. Schließlich sind die Kunden dadurch nicht von den Entwicklungen einer Assetklasse abhängig. Die Nachfrage nach solchen Fonds, die mit einem besonderen Fokus auf die Risikoreduzierung aufweisen und den Kunden Lösungen ohne eine kostspielige Garantie gegen die Kapitalmarktrisiken bieten, ist stark angestiegen“, beobachtet Dr. Claus Mischler, Head of German Product Development Standard Life Deutschland. „Risikomanagement ist für uns das A und O. Zu diesem Zweck haben wir eine ausgefeilte Infrastruktur aufgebaut, damit wir immer abschätzen können: Was passiert mit welchem Portfolio in verschiedenen Umfeldern und Lagen?“, erklärt Christian Machts die Voraussetzungen.

**Die „Income“ Variante

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Nicht zuletzt durch die Qualität sind die Multi Asset Fonds nicht nur für institutionelle Anleger mit laufenden Auszahlungsverpflichtungen interessant, sie bieten privaten Anlegern mit hohem Sicherheitsbedürfnis auch gute Möglichkeiten, etwa wenn Ruheständler aus dem angesparten Vermögen laufende Beiträge zum Lebensunterhalt benötigen. Diese Variante wird z. B. von BlackRock und Schroders als „Income“ Variante angeboten. Hierbei sollte die relative Sicherheit aber nicht dazu verführen, Multi Asset Fonds als Girokonto-, Festgeld- oder Sparbuchersatz zu missbrauchen. „Diese Produkte sind für kurzfristig orientierte Anleger, Zocker, Daytrader und ‚Maximalisten‘ auf ihrer Suche nach der maximalen Rendite, dem maximalen Kick, den maximal besten Konditionen ebenfalls ungeeignet“, stellt Oliver Lang abschließend klar.

Unterm Strich bleibt somit: Multi Asset Fonds können vor allem als

Core-Investment dienen und aufgrund ihrer breiten

Basis Stabilität vermitteln.

Daher sind sie immer in der engeren Wahl, wenn Sicherheit eine größere Rolle spielt, ob als Baustein einer größeren Strategie oder als Ziel. Diese Breite sollte aber nicht dazu verführen, ausgerechnet hier den Streuungsgrundsatz zu vernachlässigen: Sofern es die Größenverhältnisse zulassen, sollte nie nur ein einzelner Fonds angeschafft werden, sondern auch hier auf mehrere verteilt werden. (mk)

Multi Asset Fonds – Fondspolicen | Anlagestrategien | finanzwelt Special 02/2015